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Gefahr durch Luftverschmutzung für den Einzelnen wird überschätzt

Wenn es um Lungenkrankheiten geht, wird gerne der Faktor Umwelt ins Feld geführt. Im Gegensatz zu der in weiten Teilen der Gesellschaft verbreiteten Ansicht sind die Auswirkungen von Feinstaub oder Stickoxiden auf das individuelle Asthma- und COPD-Risiko aber überschaubar.
Auch im Hinblick auf die Therapie, schreibt Privatdozent Dr. Hanns Moshammer vom Institut für Umwelthygiene der Universität Wien, spiele der Faktor Luftverschmutzung eher eine geringe Rolle: Schließlich wirken die gängigen Medikamente für obstruktive Lungenleiden in der Regel unabhängig von der zugrunde liegenden Ursache der Probleme.
Dennoch lohne sich für den Arzt die Beschäftigung mit dem Thema. Die geringen Gefahren für den Einzelnen addieren sich auf Bevölkerungsebene zu einem ernsthaften gesundheitlichen Problem, denn kaum jemand kann sich der Exposition entziehen.
Tatsächlich hat gerade das europäische Forschungsprojekt ESCAPE belegt, dass sich ein Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und Asthma- und COPD-Leiden wenn überhaupt, dann meist nur mit schwacher Signifikanz belegen lässt. Kurzzeitige Schwankungen der Luftqualität, warnt Dr. Moshammer, wirkten sich allerdings trotzdem auf Symptome, Medikamentenbedarf und Zahl der Krankenhauseinweisungen aus. Eine große Bedeutung für Asthmaprävalenz und Exazerbationsrisiko der Krankheit habe zudem der von Straßenverkehr, Kaminen und Holzheizungen verursachte Feinstaub.
Bei Schadstoffen gehen die Makrophagen in die Luft
Den wichtigsten – und unspezifischen – Schadensmechanismus stellt dabei im Prinzip eine Nebenwirkung der eigentlich gewünschten Selbstreinigung des Körpers durch Makrophagen dar. Sie geben beim Phagozytieren der Teilchen Zytokine in ihre Umgebung ab und verursachen dadurch eine zunächst lokale, später oft systemische Entzündung. An größeren eingeatmeten Teilchen wie Asbestfasern können sich die Fresszellen allerdings verschlucken, sodass sie bei dem vergeblichen Versuch, sie aufzunehmen, zugrunde gehen. Quarzteilchen wiederum setzen innerhalb des Phagolysosoms aggressive Kieselsäure frei, die ihrerseits die Makrophagen zerstört – der Pathomechanismus der Silikose. Der unspezifische Feinstaubeffekt ist deshalb in der Regel zeitlich limitiert und dosisabhängig. Bei großen Feinstaubmengen in der Luft tritt eine Art Sättigungseffekt auf, bei höheren Dosen reagiert der Körper zunehmend unsensibel. Nicht vernachlässigen darf man aber auch irritativ wirkende Gase wie Stickstoff und Ozon, weil sie die schädliche Wirkung des Feinstaubs noch vergrößern können.
Das Klima spielt bei den Auswirkungen der Luftverschmutzung ebenfalls eine Rolle. Zum einen, weil Temperaturänderungen schon von sich aus viele Gesundheitsparameter beeinflussen, zum anderen, weil die Schadstoffkonzentrationen mit dem Wetter schwanken.
In den eigenen vier Wänden lässt sich mehr erzielen
Im Vergleich zu den Luftbelastungen der Außenwelt, sei die im häuslichem Umfeld deutlich leichter zu verändern: „Behandelnde Ärzte sind daher gut beraten, sich auch nach den Wohnbedingungen zu erkundigen“, so Dr. Moshammer. Nicht nur Bauprodukte und Einrichtungsgegenstände beeinflussen die gesundheitliche Qualität der Innenraumluft, auch der Patient selbst kann mit seinem Verhalten Schädliches bewirken. In erster Linie ist hier das Rauchen zu nennen. Dazu prägen persönliche Wohnhygiene und die Reinigungsgewohnheiten die mikrobiologische Belastung der Raumluft und fördern evtl. entzündliche Atemwegserkrankungen bei Kindern.
Als Gesundheitsexperten sollten Ärzte Bescheid wissen
Von entscheidender Bedeutung kann bei COPD- und Asthmapatienten aber auch die berufliche Schadstoffbelastung sein – allein schon wegen der möglichen sozialrechtlichen Konsequenzen bei der Anerkennung als Berufskrankheit. Doch nicht nur aus diesem Grund lohnt sich laut Dr. Moshammer die Beschäftigung mit den Luftschadstoffen. Das Thema hat eine große politische und gesellschaftliche Bedeutung. Als Experten für Gesundheit, so der Umweltmediziner, sollten sich Ärzte deshalb der Folgen der Belastungen bewusst sein.
Moshammer H. J Pneumolog 2017; 5: 5-9
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