Auch Typ-1-Diabetikern Metformin geben?

Dr. Carola Gessner, Foto: thinkstock

Metformin geben beim Doppel-Diabetes? Prof. Dreyer hält das Konzept, nach dem sich auf einen Typ-1-Dia­betes im mittleren Alter noch ein Typ 2 aufpfropft, schlichtweg für haltlos.

Der Krankheitsbegriff Doppel-Dia­betes tauchte erstmals 1991 auf. Er bezeichnete Typ-1-Diabetiker mit einer Familienanamnese für Typ-2- Diabetes, die ein besonders hohes Risiko tragen, übergewichtig zu werden, einen hohen Insulinbedarf zu entwickeln und mit dem Zucker-Stoffwechsel aus dem Ruder zu laufen.


Wenn sich auf einen Typ-1-Diabetes tatsächlich ein Typ 2 aufpfropfen kann, müsste man auch eine dem Typ 2 gemäße Therapie hinzufügen, um Betroffenen gerecht zu werden.

Ob ältere Typ-1-Diabetiker zusätzlich noch einen Typ 2 haben

Ein Befürworter dieses Konzeptes hat in einem Review1 seine Pro-Argumente zusammengetragen:

  • Typ-1-Diabetiker mit positiver Familienanamnese für Typ-2-Diabetes tragen Studien zufolge ein erhöhtes Risiko für Albuminurie und koronare Herzkrankheit.

  • Typ-1-Diabetiker weisen BMI-abhängig eine Insulinresistenz auf.

  • Typ-1-Diabetiker (im intensivierten Therapiearm der DCCT*-Studie) mit der höchsten Gewichtszunahme entwickeln im Verlauf höhere Blutdruckwerte und schlechtere Lipidprofile.

Nicht überzeugend, kommentierte Professor Dr. Manfred Dreyer, Asklepios Westklinikum Hamburg.

Insulinresistenz ist noch kein Beweis für Doppeldiabetes

Die BMI-abhängig zunehmende Insulinresistenz betreffe alle Menschen, nicht nur Typ-1-Diabetiker – mit dem einzigen Unterschied, dass Stoffwechselgesunde ihre Insulinproduktion kompensatorisch steigern können.


Zudem bedeute die positive Familienanamnese für Typ-2-Diabetes, dass häufig zugleich ein entprechendes familiäres Risiko für Hochdruck und kardiovaskuläre Erkrankungen besteht – bekannte „Gesellen“ des metabolischen Syndroms.


Prof. Dreyer konstatierte in seinem Fazit klipp und klar: Das Konzept des Doppel-Diabetes entbehrt jeder methodischen Grundlage. Zweifelsohne gebe es Typ-1-Diabetiker, die im Verlauf deutlich Gewicht zulegen und eine Insulinresistenz sowie eine Hypertonie entwickeln. Dem könne man aber mit Lebensstilberatung und antihypertensiver Medikation begegnen: „Eine zusätzliche Therapie wie bei Typ-2-Diabetikern ist in keinem Fall gerechtfertigt, häufig formal kontraindiziert!“


Dies nahmen die Kollegen aus dem Auditorium nicht unwidersprochen hin. „Wir alle haben Typ-1-Diabetiker in unseren Praxen, die plötzlich 70 oder 80 Einheiten Insulin brauchen und massives Übergewicht entwickeln.“ Das Pänomen, dass es eine Gruppe von Typ-1-Diabetikern gibt, deren Erkrankung einen besonderen Verlauf nimmt, dürfe man nicht einfach wegdiskutieren, erklärte ein Seminarteilnehmer nachdrücklich.

Metformin als Speckbremse, aber nicht für die Prognose

„Ihre These, eine Medikation wie bei Typ-2-Diabetes sei in keinem Fall gerechtfertigt, halte ich für überzogen“, protestierte ein weiterer Kollege aus dem Auditorium. „Ich habe Erfahrungen mit Typ-1-Diabetikern, deren Insulinbedarf steigt und die plötzlich 5 bis 8 kg zunehmen. Wenn ich dann zusätzlich Metformin gebe, sinkt der Insulinbedarf um 20 % und die Gewichtzunahme stagniert. Das ist für mich der Beweis, dass Ihre Behauptung so nicht stehen bleiben kann.“


Prof. Dreyer stellte sich der Kritik. Die für den Praxisalltag entscheidende Frage laute doch: Darf man diesen Patienten Metformin geben oder nicht? „Gut, ich sage Ihnen, was ich dazu denke: Der prognostische Nutzen ist nicht im Mindesten belegt.“ Sicher gebe es Patienten, die wegen der Gewichtszunahme nicht mehr „ein und aus wissen“, dies sei möglicherweise ein Grund, Metformin zu verordnen – „aber nicht aus prognostischen Gründen!“.


Die entscheidende Botschaft aus der DCCT-Studie lautet, dass man auf diese Patienten extrem aufpassen muss, ergänzte Professor Dr. Stephan Martin vom Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrum Düsseldorf.


Unter anderem anhand der Gefäßkalkscores ergaben die Studienanalysen, dass Patienten, die im Verlauf stark an Gewicht zunehmen, kardiovaskulär extrem gefährdet sind: „Das sind unsere Hoch-Hoch-Hoch-Risikopatienten.“ Dementsprechend intensiv muss die Herz-Kreislauf-Prävention ausfallen, betonte der Diabetologe.


*Diabetes Control and Complications Trial


Quelle:
8. Diabetes-Update-Seminar
1. S.E. Cleland, Diabetologia 2013; 56: 1462–1470

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).