Vitamin B12 schützt Diabetiker vor Neuropathien durch Metformin

Manuela Arand

Mittlerweile deuten etliche Studien auf einen Zusammenhang zwischen einer Einnahme von Metformin und neuronalen Schäden. Mittlerweile deuten etliche Studien auf einen Zusammenhang zwischen einer Einnahme von Metformin und neuronalen Schäden. © iStock/Artem_Egorov

Pumpen Ärzte ihre Diabetespatienten mit Nervengift voll? Die Hinweise mehren sich, dass Metformin – die Nr. 1 unter den Antidiabetika – zu Neuropathien und kognitiven Einbußen führt.

Etliche Studien deuten mittlerweile auf einen Zusammenhang zwischen einer Einnahme von Metformin und neuronalen Schäden, berichtete Professor Dr. Karlheinz Reiners, Leiter der neuromuskulären Ambulanz am Hermann-Josef-Krankenhaus in Erkelenz. Zwar seien das allesamt Beobachtungsstudien, deren Ergebnisse jedoch so konsistent, dass wohl etwas dran ist.

Sowohl Einnahmedauer als auch kumulative Dosis korrelieren mit dem Neuropathierisiko und die ungünstigen Effekte des Biguanids könne man einfach erklären. Nach diesen Studien „wirkte Metformin plötzlich wie ein Neurotoxin und nicht wie ein Medikament, mit dem man Diabetiker behandeln sollte“, so der Neurologe.

Vermutlich ist das übertrieben. Metformin scheint die Nervenzellen nur indirekt zu schädigen, indem es die Resorption von Vit­amin B12 im Dünndarm stört. Prof. Reiners sieht verschiedene Effekte dafür verantwortlich: Das Anti­diabetikum fördert eine Umstellung des intestinalen Mikrobioms. Außerdem stört es die gastrointestinale Motilität und die kalzium­abhängige Anlagerung des B12-Intrinsic-Faktor-Komplexes an die Epithelzellen des Ileums. Tatsächlich lässt sich die Resorption von Vitamin B12 durch die Gabe von Kalzium verbessern.

Werden Sie zum Detektiv!

Bei unerklärlich hohen B12-Spiegel ohne Vitamintabletten sind Ihre internistisch-detektivischen Fähigkeiten gefragt. Dahinter könnte eine hämatologische Systemerkrankung stecken – fragen Sie also nach der B-Symptomatik. Auch ein solider Tumor an Mamma, Lunge, Niere oder Gastrointestinaltrakt ist möglich. Schwere Leber- und Nierenfunktionsstörungen oder Autoimmunerkrankungen können den Spiegel ebenfalls nach oben treiben. Ergibt eine zweite Messung erneut einen hohen Spiegel, müssen Sie die Lupe ansetzen. Tipp: HIV-Test veranlassen, denn die Infektion erhöht das B12 ebenfalls.

Ein Review kam zu dem Ergebnis, dass sich mit jedem Gramm Metformin pro Tag die Wahrscheinlichkeit eines B12-Mangels verdreifacht. Zudem spielt die Therapiedauer eine Rolle: Nach mehr als drei Jahren Einnahme verdoppelt sich das Risiko. Das bedeutet natürlich nicht, Typ-2-Diabetiker nun flächendeckend mit Vitamin B12 zu versorgen. Einige Patientengruppen tragen jedoch ein erhöhtes Risiko für einen Mangel:
  • Hochbetagte, denen der Intrinsic Faktor oft fehlt,
  • Patienten mit schwerer Leberfunktionsstörung,
  • Alkoholiker,
  • Patienten, die langfristig Protonenpumpenhemmer oder H2-Blocker schlucken.
Um resorbiert zu werden, muss das Vitamin von den Nahrungs- oder Transportproteinen abgespalten werden. Und das klappt nur im sauren Milieu. „Bei allen, die Sie mit Metformin behandeln wollen, sollten Sie vorher prüfen, ob sie den PPI oder H2-Blocker wirklich brauchen“, riet Prof. Reiners.

Ein einfaches Blutbild reicht nicht aus

Wenn Diabetiker unter der Therapie sensible Störungen an den Extremitäten entwickeln, sollte der Arzt den Vitamin-B12-Status prüfen. Ein einfaches Blutbild reiche dafür allerdings nicht aus. Sogar Patienten mit ausgeprägtem Defizit zeigen zu 50 % keine makrozytäre Anämie.

Drei Schritte sparen Zeit und Geld

Labore bieten eine Reihe von Tests an, um einen Vitamin-B12-Mangel nachzuweisen. Manche verlangen eine aufwendige Präanalytik, etwa die Messung von Homocystein, die eine Kühlung der Proben erfordert. Andere sind vergleichsweise teuer. Diese Stufendiagnostik hält Aufwand und Kosten im Rahmen:
  • Schritt 1: Gesamt-Vitamin-B12 bestimmen. Ein Wert > 400 ng/l schließt einen Mangel aus, ein Wert < 200 ng/l beweist ihn. Liegt der Spiegel in der Grauzone, folgt
  • Schritt 2: Holotranscobalamin messen, die aktive Form des Vitamins. Alles unter 30–50 pmol/l signalisiert ein Defizit. Werte innerhalb der Grauzone führen zu
  • Schritt 3: Homocysteinsäure oder Methylmalonsäure bestimmen, als Metaboliten B12-abhängiger Prozesse in den Zellen.

Findet das Labor einen Mangel, empfiehlt sich die Substitution. Die großen Tabletten behindern erfahrungsgemäß die Complicance vieler Betroffener. Der Experte rät deshalb, eine parenterale Aufsättigung zu erwägen und dann auf orale Supplemente umzustellen.

Quelle: Diabetes Kongress 2018

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Mittlerweile deuten etliche Studien auf einen Zusammenhang zwischen einer Einnahme von Metformin und neuronalen Schäden. Mittlerweile deuten etliche Studien auf einen Zusammenhang zwischen einer Einnahme von Metformin und neuronalen Schäden. © iStock/Artem_Egorov