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Behandlung bei Presbyakusis wird sträflich vernachlässigt
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Die Altersschwerhörigkeit ist eine langsam fortschreitende, zumeist beidseitig auftretende Störung. Sie beginnt überwiegend im hohen Frequenzbereich. Ein Frühsymptom sind sogenannte Diskriminationsstörungen. Dabei kommt es zu einer Beeinträchtigung der Obertonspektren von Geräuschen in Gesprächen. Erst werden vor allem die hochfrequenten Konsonanten k, f, s und t nicht mehr richtig wahrgenommen. Später sind weitere hohe und mittelfrequente Konsonanten wie ch, h, p und g betroffen, schließlich die Vokale.
Außerdem klagen die Betroffenen oft über ein Druck-, Völle-, Taubheits- oder Fremdkörpergefühl in einem oder beiden Ohren. Viele berichten, sie könnten noch hören, aber nicht mehr verstehen, so Prof. Dr. Leif Walther von der HNO-Gemeinschaftspraxis Main-Taunus Zentrum in Sulzbach und Prof. Dr. Jan Löhler aus der HNO-Praxis Bad Bramstedt.
Von einer manifesten Hörstörung spricht man etwa ab einer Beeinträchtigung im Tonaudiogramm von 30 dB in den mittleren und hohen Frequenzen. Der Hörverlust in der Umgangssprache liegt dann bei etwa 20 %, d. h. im Schnitt werden vier von 20 präsentierten Wörtern nicht verstanden.
Hörhilfe nach Maß
Hörgeräte gibt es in verschiedenen Bauarten: IdO (In-dem-Ohr) und HdO (Hinter dem Ohr). Seltener werden CROS (Contralateral Routing of Signal) und BiCROS-Systeme genutzt, die beide ein räumliches Hören bzw. Richtungshören bei einseitiger Taubheit ermöglichen. Bei Knochenleitungsimplantaten erfolgt der Schalleintrag über den Schädelknochen, bei Mittelohrimplantaten über die Gehörknöchelchenkette oder das runde Fenster.
Cochleaimplantate eignen sich für Menschen mit einer ein- oder beidseitigen höhergradigen Hörstörung bzw. Ertaubung, wenn sich mit Hörgeräten kein ausreichendes Sprachverständnis erreichen lässt. Hybride Cochleaimplantate kombinieren elektrisches Hören mit einem akustisch nutzbaren Hörrest (EAS – elektrisch-akustische Stimulation). Sie kommen in Betracht, wenn ein Verlust der Hochtonwahrnehmung bei ausreichendem Tieftonrestgehör vorliegt. Eine Altersgrenze für die Cochleaimplantation gibt es nicht, die Operation dauert etwa 1,5 Stunden und ist relativ komplikationsarm. Eine Verbesserung kognitiver Funktionen konnte nachgewiesen werden.
Eine wesentliche Rolle in der Pathogenese der Presbyakusis spielt die altersbedingte Degeneration. Auch genetische Faktoren sind von Bedeutung. Außerdem kommt es wahrscheinlich zu einer Kumulation schädigender Einflüsse. So können ototoxische Medikamente das Hörvermögen mindern, ebenso die Auswirkungen bakterieller und viraler Mittelohrentzündungen, operative Eingriffe und Verletzungen. Hinzu kommt, dass etwa 10 % der Patientinnen und Patienten an einer fehlenden Autoregulation der Zerumenbildung leiden. In der Folge bildet sich ein obturierender Pfropf, der das bereits eingeschränkte Gehör noch weiter verschlechtert.
Altersbedingter Hörverlust schon ab dem 50. Lebensjahr
Um eine beginnende Hörstörung frühzeitig zu erkennen, empfehlen die Autoren eine Kontrolle des Hörvermögens ab dem 50. Lebensjahr, denn bereits in diesem relativ jungen Alter beginnt die naturgegebene Presbyakusis. Zur Einschätzung eignet sich der Mini-Audio-Test (MAT). Mithilfe von sechs einfachen Fragen etwa zur Lautstärkeeinstellung des Fernsehers können Hausärztin und Hausarzt rasch erkennen, ob eine weiterführende Untersuchung indiziert ist.
Die Presbyakusis beeinträchtigt nicht nur die Kommunikation. Betroffene stürzen auch häufiger, wobei die Gründe hierfür noch nicht geklärt sind. Außerdem gibt es eine Verbindung zwischen auditiver Funktion und kognitiver Leistung. Ein Zusammenhang mit Demenz wird diskutiert, diesbezügliche Studienergebnisse sind allerdings heterogen. Aktuelle Untersuchungen ermittelten auch eine Zunahme von Depressivität und Angstsymptomatik. Die Lebensqualität Altersschwerhöriger ist signifikant schlechter als die Gesunder, und das Risiko für eine stationäre Therapie ist erhöht. Die Rehabilitation erfolgt mehrheitlich mit Hörgeräten.
Verordnung des Hörgeräts erfolgt in der Fachpraxis
Die Indikation richtet sich nach der aktuellen Hilfsmittel-Richtlinie. Demnach ist ein Hörgerät dann angezeigt, wenn eine audiometrisch nachgewiesene Störung mit einem Sprachverständnis im Einsilbertest von nicht mehr als 80 % bei Umgangssprache ohne Störgeräusche (65 dB) vorliegt sowie ein Hörverlust in mindestens einer Frequenz zwischen 500 und 4.000 Hz von mindestens 30 dB. Zuständig für Indikationsstellung und Verordnung sind HNO-Ärztin und HNO-Arzt.
Quelle: Walter LE, Löhler J. Hessisches Ärzteblatt 2024; 4: 199-202
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