Presbydysphagie: Mit Restitution, Kompensation und Adaptation gegen die Schluckstörung
Mit dem Alter treten Dysphagien gehäuft auf. Mehr als 50 % aller Pflegeheimbewohner leiden darunter. Häufig bemerken diese die Beschwerden selbst entweder gar nicht oder erst spät. Da die Dysphagie mit steigendem Lebensalter jedoch mit einer Reihe von Komplikationen und einem erhöhten Mortalitätsrisiko einhergeht, ist es wichtig, die Störung früh zu erkennen und möglichst individualisiert zu behandeln, erklärt Dr. Korinna Ulbricht von der Medizinischen Klinik des Israelitischen Krankenhauses Hamburg.
Mögliche Ursachen altersbedingter Schluckstörungen sind z.B. Sarkopenie, Skelettveränderungen oder neuronale Funktionsverluste. Die Veränderungen können alle Phasen des Schluckakts betreffen. Da die Patienten die Störung oft nicht als Erkrankung wahrnehmen oder sie für eine unvermeidliche Begleiterscheinung des Alterns halten, liegt es an Betreuern und behandelnden Ärzten, auf Zeichen zu achten, die auf eine Dysphagie hinweisen können. Zu diesen zählen z.B.:
- gehäuftes Husten, Räuspern oder Atemnot während des Essens
- häufige bronchopulmonale Infekte
- ungewollter Gewichtsverlust
- Malnutrition
- Wirkverlust oral einzunehmender Medikamente
Wichtig ist zudem die Angabe, ob die Beschwerden vor, während oder nach dem Schlucken auftreten.
Untersuchung von Mund und Rachen gibt erste Hinweise
Differenzialdiagnostisch gilt es, die Presbydysphagie von anderen Erkrankungen mit dysphagischen Symptomen abzugrenzen. Auch Medikamente kommen als Auslöser infrage. Die klinische Untersuchung von Mundhöhle, Gaumensegel und Rachenhinterwand gibt erste Hinweise auf relevante Veränderungen. Mit der transoralen Laryngoskopie lassen sich Speichelansammlungen in Kehlkopf und Pharynx sowie postdeglutitive Speisereste entdecken.
Der Schluckakt selbst wird standardmäßig anhand der transnasalen flexiblen endoskopischen Evaluation (FEES) beurteilt. Diese kann ambulant und sogar bei bettlägerigen Patienten durchgeführt werden. Durch Kombination mit Narrow Band Imaging lässt sich der Kontrast verbessern, erklärt Dr. Ulbricht. Dies vereinfache die Auswertung. Zur Beurteilung der oralen Phase eignet sich die FEES allerdings nur bedingt. Zudem ist die Analyse der pharyngealen Phase erschwert. Eine direkte Untersuchung des oberen Ösophagussphinkters ist nicht möglich.
Nur bei bestimmten Fragestellungen kommt eine videofluoroskopische Evaluation des Schluckakts mit Aufzeichnung des gesamten Schluckvorgangs zum Einsatz. Eine Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) ist sinnvoll, wenn der Verdacht auf gastroenterologische Erkrankungen als Auslöser besteht. Als Ergänzung zur ÖGD kommt die Untersuchung mittels Ösophagusbreischluck infrage.
Ziel der Diagnostik ist eine genaue Beurteilung der Störungen des Schluckakts, auf deren Basis eine individualisierte Therapiestrategie entwickelt werden kann. Dazu gehört auch, das Energiedefizit des Patienten zu ermitteln, das durch die Behandlung ausgeglichen werden muss, sowie die Nahrungskonsistenz, bei der ein sicheres Schlucken möglich ist.
Zu starkes Andicken von Flüssigkeiten vermeiden!
Die Behandlung besteht aus drei Säulen: Restitution, Kompensation und Adaptation. Zur Wiederherstellung der gestörten Schluckabläufe kommen Stimulation und Schluckübungen infrage. Bei der Kompensation werden die ausgefallenen Funktionen von nicht beeinträchtigten Bereichen übernommen. Hierbei kommen Schluckmanöver und Haltungsänderungen zum Einsatz.
Die Adaptation umfasst diätetische Maßnahmen wie die Änderung der Nahrungskonsistenz (z.B. Andicken von Flüssigkeiten) sowie Ess- bzw. Trinkhilfen (z.B. Becher mit Nasenausschnitt). Durch Konsistenzmodifikation erhöht sich allerdings das Risiko für Malnutrition und Dehydratation, mahnt die Autorin. Bei dieser Maßnahme ist also besondere Vorsicht geboten.
Quelle: Ulbricht K. AVP 2019