Botulismus: Dyspnoe und Schluckstörungen unter Säuglingen deuten auf bakterielles Nervengift
Botulismus kommt mit weniger als 24 gemeldeten Fällen pro Jahr in Deutschland selten vor. Wegen der schlechten Prognose sollte die Erkrankung aber jedem Arzt vertraut sein. Absteigende Lähmungen durch die Neurotoxine von Clostridium botulinum und anderen Spezies der Gattung führen nämlich unbehandelt in der Regel zu einer fatalen Atemlähmung und erfordern rasches Eingreifen, schreiben Infektiologen des Robert Koch-Instituts.
Die häufigste in Deutschland vorkommende Botulismusform ist der Lebensmittelbotulismus nach Verzehr von Clostridien-besiedelten Lebensmitteln. Vor allem sind es unzureichend konservierte Fleisch- oder Gemüsekonserven, in denen sich die Anaerobier ohne lästigen Konkurrenzdruck durch andere Bakterien prächtig vermehren. Daneben ist der Säuglingsbotulismus bekannt, bei dem sich über die Nahrung zugeführte neurotoxinproduzierende Clostridien im Darm von Säuglingen ansiedeln – in der Regel ebenfalls bei fehlender mikrobieller Konkurrenz.
In extrem seltenen Fällen können solche intestinalen Anaerobier-Infektionen auch bei Erwachsenen oder älteren Kindern auftreten, etwa bei Vorliegen eines Morbus Crohn, bei Immunsuppression oder unter Antibiotikatherapie. Daneben gibt es noch den Wundbotulismus, beschrieben nahezu ausschließlich bei Personen mit parenteralem Drogengebrauch, und den Inhalationsbotulismus nach zielgerichter oder auch unbeabsichtigter Toxinexposition, etwa nach Laborunfällen.
Ist es wirklich Botulismus?
Atemlähmung bei vollem Bewusstsein
In der Regel suchen die Patienten schon bei den ersten Lähmungserscheinungen der inneren Augenmuskulatur mit Augenflimmern, Akkomodationsstörungen und Lichtscheu den Arzt auf, erklären die RKI-Experten. Die Lähmung der Pharynxmuskulatur kann ein Versagen des Hustenschutzreflexes mit dem Risiko für eine Aspirationspneumonie nach sich ziehen. Wird die Atemmuskulatur erreicht, ist die sofortige Intubation und Beatmung obligat. Weiterhin können auch die Kopf-, Hand- und Darmmuskulatur betroffen sein. Das Bewusstsein bleibt in jedem Stadium dagegen klar. Bei Säuglingen weisen Symptome wie allgemeine Muskelschwäche, Dyspnoe, Obstipation, schlaffe Lähmungen, Schluckstörungen und Trinkschwäche auf den Säuglingsbotulismus hin.Infektionsquelle identifizieren und unschädlich machen!
Lange warten sollte man auch bei noch unklarer Diagnose nicht. Bereits bei den ersten verdächtigen klinischen Zeichen ist eine Hospitalisierung und intensivmedizinische Überwachung indiziert, mahnen die Infektiologen. Die Clostridien- und Toxindiagnostik erfolgt aus möglichst rasch zu gewinnenden Serum-, Stuhl- oder auch Mageninhaltproben. Auch verdächtige Lebensmittel wie selbst hergestellte Konserven sollten überprüft werden. In der symptomatischen Therapie steht vor allem bei kurzer Latenzzeit und schwerer Symptomatik eine frühzeitige Intubation und Beatmung auf dem Programm. Eine Magenspülung sowie die Gabe von Aktivkohle oder Laxanzien sind nicht indiziert, bei strenger Indikationsstellung kann der Nahrungsbrei endoskopisch gestützt entfernt werden. Spätestens bei den ersten Atemproblemen wird die invasive Beatmung obligat – und muss unter Umständen über Monate beibehalten werden. Die zusätzliche Gabe von Cholinesterasehemmern erscheint sinnvoll, ein Wirksamkeitsbeleg steht aber noch aus, so die Autoren. Mit der Kausaltherapie in Form einer Botulinumtoxin-Antitoxin-Gabe wird in der Regel schon vor der mikrobiologisch-toxikologischen Bestätigung der Diagnose begonnen. Nebenwirkungen unter dem Antitoxin sind vor allem akute allergische Reaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock. Als Spätreaktion tritt die Serumkrankheit auf. Bereits der klinische Verdacht auf Botulismus ist an das Gesundheitsamt meldepflichtig, erinnert das RKI. Bei Verdacht auf die Übertragung durch bestimmte Lebensmittel muss die zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde informiert sowie die Infektionsquelle identifiziert und unschädlich gemacht werden. Für Kontaktpersonen bestehen keine erhöhten Risiken.Quelle: RKI. Epid Bull 2018; 20: 189-195