Hepatopulmonales Syndrom Wenn die Leber die Luft abdreht
Nicht immer stecken kardiale oder pulmonale Ursachen hinter einer Dyspnoe, wie der Fall einer 57-Jährigen zeigt. Die Frau kam aufgrund seit Wochen zunehmender Dyspnoe in die Ambulanz, berichten Dr. Daniel Schweckendiek und Kollegen vom Universitätsspital Zürich. Außerdem hatte sie in den letzten drei Monaten ungewollt 17 kg abgenommen, war mit einem BMI von 30,1 jedoch weiterhin adipös. Ihr EKG zeigte einen normofrequenten Sinusrhythmus ohne Hinweise auf eine Rechtsherzbelastung oder eine Erregungsrückbildungsstörung. Per Angio-CT schlossen die Kollegen eine Lungenembolie aus, das NT-proBNP war negativ. Da sich kein Hinweis auf eine kardiale oder pulmonale Ursache fand, wurde die Patientin nach Hause entlassen. Bei einer erneuten Vorstellung eine Woche später untersuchte man die Frau zusätzlich mittels transthorakaler Echokardiografie (TTE), was ebenfalls keinen auffälligen Befund ergab. Die Beschwerden wurden nun als funktionell eingeschätzt.
Nach kurzer Zeit war die Frau auf den Rollstuhl angewiesen
Im weiteren Verlauf verschlechterte sich die Dyspnoe der Patientin jedoch deutlich. Wenige Wochen nach den beiden ersten Konsultationen konnte sie sich nur noch im Rollstuhl fortbewegen und entwickelte bereits bei geringer Belastung Schwindel und schwere Atemnot. Bei der stationären Aufnahme war sie tachypnoeisch. Blutdruck und Puls waren normal, die Halsvenen nicht gestaut. Laborchemisch fielen eine gering erhöhte Aspartat-Aminotransferase und ein leicht erhöhter INR-Wert auf, der trotz Vitamin-K-Gabe nicht sank.
Außerdem zeigte sich eine hypoxämische respiratorische Insuffizienz mit einer deutlich erhöhten alveolo-arteriellen Sauerstoffdruckdifferenz (A-a-Gradient). Im Liegen betrug die Sauerstoffsättigung unter Raumluft 92 %, was sich allerdings im Stehen – eine Untersuchung, die nun erstmals erfolgte – abrupt änderte: Mit dem Abfall der Sättigung auf 79 % wurde der Patientin schwindelig und sie war reaktiv tachykard.
Aufgrund dieser Befunde nahmen die Kollegen die Leber genauer ins Visier. Sonografisch ließ sich ein inhomogenes Parenchym nachweisen, und im Leberbiopsat zeigte sich eine vesikuläre Steatose mit zirrhotischem Gewebeumbau. Die Verdachtsdiagnose hepatopulmonales Syndrom (HPS) bestätigte sich schließlich durch eine Bubble-Kontrast-TTE: Bei dieser Untersuchung werden die in geschüttelter Kochsalzlösung entstandenen Bläschen nach der i.v. Injektion im TTE weiterverfolgt. Nach der Passage durch den rechten Vorhof bleiben die Bläschen bei Gesunden in den Lungenkapillaren hängen. Bei der Patientin aber tauchten sie – als Zeichen für einen intrapulmonalen Shunt − im linken Vorhof und Ventrikel wieder auf. Als Ursache für dieses intrapulmonale Shunting wird eine lokale Überproduktion von Stickstoffmonoxid aus pulmonalen Endothelzellen mit konsekutiver Vasodilatation und Angiogenese vermutet. Der Frau ging es unter der Gabe von 2 l Sauerstoff in Ruhe und 4 l unter Belastung deutlich besser; sie kam auf die Warteliste für eine Lebertransplantation.
Eine zunehmende Dyspnoe ist das Leitsymptom des HPS. Spezifisch sind Platypnoe und Orthodeoxie – beides Parameter, die sich erst im Stehen zeigen. Bei der Platypnoe handelt es sich um eine dann zunehmende Dyspnoe; die Orthodeoxie benennt den Abfall des pO2-Werts um > 5 %. Neben der pathologischen Oxygenierung wird das HPS durch eine Lebererkrankung und erweiterte Lungengefäße charakterisiert. Die Dilatation führt zum „Versacken“ des Bluts in basale Lungenabschnitte beim Aufstehen – und zur Dyspnoe. Um auch solchen selteneren Ursachen auf die Spur zu kommen, ist es entscheidend, bei Atemnot die O2-Sättigung im Liegen und Stehen zu bestimmen.
Quelle: Schweckendiek D et al. Swiss Med Forum 2023; 23: 1296-1298; DOI: 10.4414/smf.2023.09175