
Bei Mitochondrien-Defekten leiden insbesondere Herz, Niere und Pankreas

Die klinischen Manifestationen der Mitochondriopathien reichen von leichten Symptomen bis zur Multiorganbeteiligung mit deutlich eingeschränkter Lebenserwartung, schreiben Dr. Florentine Radelfahr und Kollegen vom Friedrich-Baur-Institut am Klinikum der LMU München. Besonders vulnerabel sind Gewebe mit hohem Energiebedarf und damit hoher Mitochondriendichte, wie das Myokard.
Am Herzen manifestieren sich mitochondriale Veränderungen bei 25–53 % der Betroffenen, am häufigsten in Form einer Kardiomyopathie, aber auch Reizleitungsstörungen sind möglich. Die frühzeitige Diagnose einer kardialen Beteiligung ist von großer prognostischer Bedeutung.
Bei der körperlichen Untersuchung sollte man besonders auf Zeichen einer Dekompensation achten. Die Labordiagnostik stützt sich vor allem auf die Bestimmung von Troponin I und Brain-Natrium-Peptid (BNP). Zur apparativen Abklärung gehören Belastungstests und unter Umständen auch eine kardiale MRT – auch wenn Mutationsträger (noch) keine kardialen Symptome zeigen. Außerdem sollten alle Patienten mit mitochondrialer Störung mindestens einmal jährlich ein Langzeit-EKG und ein Herzecho erhalten.
Welche Medikamente meiden? | |
---|---|
Ungünstig | Alternative |
Antikonvulsiva: Valproat, Topiramat, Zonisamid | Levetiracetam, Lamotrigin |
Antidiabetika: Metformin | Sulfonylharnstoffe, Insulin |
Antibiotika: Aminoglykoside, Tetrazykline, Chloramphenicol, Erythromycin, Linezolid | |
Statine: Atorvastatin, Simvastatin | Pravastatin, Rosuvastatin (niedrig dosiert, nicht bei Myopathie), ggf. PCSK9-Hemmer |
Parkinsonmittel: Tolcapone | Entacapone |
unselektive Betablocker | β1-selektive Blocker |
Virostatika: Abacavir, Didanosin, Lamivudin, Tenofovir, Zidovudin | |
Anästhetika: Gase, Propofol, Barbiturate | Benzodiazepine |
andere: Glukokortikoide, Amiodaron, Antipsychotika |
nach F. Radelfahr et al. |
Schlanke Patienten mit mitochondrialem Diabetes
Wegen der teils unvorhergesehenen Verläufe bei kardialer Beteiligung empfehlen die Autoren, früh therapeutisch zu intervenieren. Dabei raten sie zur Vorsicht mit Medikamenten, die sich negativ auf die mitochondriale Funktion auswirken (s. Kasten). Nicht-selektive Betablocker z.B. können die Muskelschwäche noch verstärken. Stattdessen sollten Patienten mit Rhythmusstörungen frühzeitig einen Schrittmacher bzw. Defibrillator erhalten. Mitochondriale Schäden können sich v.a. im Kindesalter auch (primär) renal bemerkbar machen, z.B. als tubuläre Nephropathie, was aufgrund des fehlenden Kreatinin-Anstiegs oft lange verborgen bleibt. Der frühzeitige Nachweis einer Protein- bzw. Laktatazidurie dient nicht nur der Prophylaxe einer therapiebedürftigen Niereninsuffizienz, sondern auch der Initialdiagnostik bei ansonsten subklinischen Symptomen. Außerdem sollte auf Mutationen im Coenzym-Q10-Stoffwechsel getestet werden, denn in solchen Fällen ist eine Substitutionsbehandlung oft erfolgreich. Die häufigste endokrine Manifestation ist der mitochondriale Diabetes, der sich meist vor dem 40. Lebensjahr manifestiert. Betroffene Patienten sind meist schlank und haben weder eine Ketose noch Antikörper. Pathogenetisch scheint neben dem Hormonmangel auch die Insulinresistenz des Skelettmuskels eine Rolle zu spielen. Die Therapie stützt sich auf die Gabe von Sulfonylharnstoffen (verbesserte Insulinfreisetzung) und, falls nötig, Insulin. Metformin sollte vermieden werden, da es eine begleitende Laktatazidose verschlimmern kann. Wegen des hohen Risikos für eine renale Beteiligung empfehlen die Autoren den frühzeitigen Einsatz von ACE-Hemmern sowie eine engmaschige Blutdruckkontrolle. Weitere endokrine Störungen in Verbindung mit einer mitochondrialen Erkrankung (ME) können sich in Form von Kleinwuchs, Hypogonadismus und Hypoparathyreoidismus, z.B. beim Kearns-Sayre-Syndrom, manifestieren. Unklar ist noch, ob auch die Hypothyreose vermehrt auftritt.Störungen mit Folgen
Oft treten Reflux, Erbrechen und Schluckstörungen auf
Viele Patienten mit ME leiden an gastrointestinalen Beschwerden, die sich mitunter schon im Kindesalter zeigen und anderen Symptomen eventuell um Jahre vorausgehen oder z.B. bei der mitochondrialen neurogastrointestinalen Enzephalomyopathie dominieren. Besonders häufig sind Reflux, Erbrechen oder Schluckstörungen (oropharyngeale Muskelschwäche) mit eventuell schweren Folgen wie Kachexie und Aspirationspneumonie. Letztere ist eine der häufigsten Todesursachen bei fortgeschrittener mitochondrialer Erkrankung und darf nicht mit einer Anorexie verwechselt werden. Damit es nicht so weit kommt, sollte die Schluckfunktion regelmäßig kontrolliert werden. Therapeutisch wirken logopädische Übungen, hochkalorische Ernährung und – falls dies nicht genügt – die Anlage einer PEG-Sonde. In einigen Sonderfällen kann dem Patienten auch eine krikopharyngeale Myotomie helfen.Leberversagen mitunter schon im Kindesalter
Weitere typische ME-Symptome sind rezidivierende Diarrhöen und chronische Obstipation. Letztere wird mitunter durch eine intestinale Pseudoobstruktion ausgelöst – erkennbar an dilatierten Darmschlingen mit erkennbaren Luft-Flüssigkeitsspiegeln ohne nachweisbare mechanische Obstruktion. Zurückgeführt werden diese Veränderungen auf eine viszerale Myo- und Neuropathie. Therapeutisch empfehlen die Autoren Prokinetika und Laxanzien, ggf. parenterale Ernährung und bei bakterieller Fehlbesiedlung auch Antibiotika. Schließlich muss man bei ME-Patienten auch mit einer hepatischen Dysfunktion rechnen, die oft bereits in der Kindheit beginnt, z.B. in Form eines Alpers-Huttenlocher-Syndroms mit der Trias aus epileptischen Anfällen, psychomotorischer Regression und Leberversagen. Letzteres ist bei Patienten neben einem Status die häufigste Todesursache in den ersten Lebensjahren. Symptomatisch erfolgt bei einer ME mit Leberbeteiligung neben der Hypoglykämiebehandlung eine Vitamin-K-Supplementierung sowie die Gabe von L-Carnitin und gefrorenem Frischplasma. Bei Jugendlichen oder Erwachsenen kann eine Transplantation erwogen werden, Kindern unter 10 Jahren wird von dem Eingriff aufgrund der hohen Sterblichkeit abgeraten.Quelle: Radelfahr F et al. internistische praxis 2020; 62: 261-283
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).