Blaue Finger, brennende Füße

Dr. Dorothea Ranft

Beim Rynaud-Syndrom verkrampft anfallsartig die Muskulatur in den Arterien und Arteriolen in den Händen oder Füßen. Beim Rynaud-Syndrom verkrampft anfallsartig die Muskulatur in den Arterien und Arteriolen in den Händen oder Füßen. © Science Photo Library

Dem Hausarzt begegnen in der Praxis vor ­allem drei Formen funktioneller Durchblutungsstörungen: Morbus Raynaud, Akrozyanose und Erythromelalgie. Um die Ursache abzuklären und eine Behandlung einzuleiten­, ist die enge Zusammenarbeit mit einem Spezialisten ­angeraten.

Morbus Raynaud

Das Raynaud-Syndrom wird durch kälte- oder stressinduzierte Vasospasmen kleiner akraler Arterien ausgelöst. Dadurch kommt es zu einer Farbveränderung der Haut, typischerweise weiß-blau-rot (Trikolore), wobei die Weißphase auch fehlen kann. Am häufigsten betroffen sind die Langfinger. Mindestens 10 % der Patienten weisen eine Zehenbeteiligung auf, schreiben Prof. Dr. Peter Klein-Weigel vom Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam und Kollegen. Seltener sind andere Akren wie Zungenspitze, Kinn, Brustwarzen, Nase und Genitalien allein oder zusätzlich befallen.

Die genaue Ätiologie der Symptomatik ist noch ungeklärt. Bei der primären Form besteht oft eine familiäre Belastung. Die wichtigsten Grunderkrankungen für das sekundäre Syndrom sind Kollagenosen, allen voran die systemische Sklerose. Eine weitere häufige Ursache sind Malignome. Auch zahlreiche Medikamente können die Gefäßspasmen auslösen oder verschlimmern, darunter Betablocker, SSRI und Östrogene. Gleiches gilt für Drogen wie Kokain, Amphetamine sowie Nikotin. Beruflich bedingte Vibrationsbelastungen und Kompressionssyndrome der oberen Extremitäten (Schultergürtel, Karpaltunnel) sind ebenfalls potenzielle Trigger.

Zum Nachweis einer vorhandenen oder drohenden Kollagenose dient die Kombination von Nagelfalzkapillarmikroskopie und Bestimmung der antinukleären Antikörper. Bei einer Erstmanifestation des Raynaud im mittleren bis hohen Alter ist ein Tumorausschluss indiziert.

Therapeutisch genügt bei nur gelegentlichen Anfällen oft schon eine Aufklärung über die Harmlosigkeit der Beschwerden sowie der Schutz vor Auslösern wie Kälte und Nässe. Zur Behandlung eignet sich die bedarfsgerechte Anwendung nitroglycerin- oder diltiazemhaltiger Externa (Verordnung nach DAC/NRF*).

Systemisch angewendete Kalziumkanalblocker wie Nifedipin retard können die Attackenfrequenz um 40 % reduzieren. Sie lösen aber oft Nebenwirkungen wie Kopfschmerz und Schwindel aus. Die Dosierung sollte zwei- bis dreimal täglich 20 mg nicht überschreiten. Eine Alternative ist Losartan (50 mg/d), wenn dieses hinsichtlich des Blutdrucks toleriert wird.

PDE-5-Hemmer wurden bisher nur bei Patienten mit Sklerodermie untersucht. Dort erzielten sie mit einer Reduktion der Anfallsfrequenz um 20 % nur einen moderaten Effekt. Das Prostazyklin-Analogon Iloprost wirkt ebenfalls, aber nicht besser als Nifedipin.

In Studien erprobt wird der Guanylatzyklasestimulator Riociguat. Zum Einsatz von lokalem Botulinumtoxin gibt es heterogene Ergebnisse, eine abschließende Bewertung ist noch nicht möglich. Operative Verfahren werden aufgrund unklarer Nutzen-Risiko-Abwägung derzeit nur in klinischen Studien verfolgt.

Akrozyanose

Permanente rötlich-livide Verfärbungen an Händen und/oder Füßen sprechen für eine Akrozyanose. Wie beim Raynaud verstärken sich die Hauterscheinungen in der kalten Jahreszeit, allerdings fehlt der Anfalls­charakter und die Veränderungen sind symmetrisch. Typisch für die vasospastisch-dystone Akrozyanose sind eine vermehrte Schweißneigung an den Extremitäten und ein Schwellungsgefühl bei Wärme.

Die Mehrheit der Patienten leidet an einer primären oder essenziellen Erkrankung. Die sekundäre Form findet sich vor allem als Paraneoplasie bei Malignomen sowie als Begleitung myelodysplastischer Syndrome. Auch Essstörungen, Mangel­ernährung und Kachexie sind mögliche Auslöser, ebenso Kollagenosen, Vaskulitiden, Para- und Tetraparesen. Wie beim Raynaud sind Frauen häufiger betroffen als Männer.

Typischerweise lässt sich mit einem Druck auf die betroffenen Hautflächen ein Irisblendenphänomen auslösen: Die Druckstelle ist nach dem Loslassen länger sichtbar und füllt sich langsam von außen mit zyanotischem Blut. Außerdem verschwindet die rötlich-bläuliche Verfärbung beim Heben der Arme. Viele Patienten weisen kaltschweißige Handinnenflächen auf. Eine Duplexsonografie ist nur bei Hinweisen auf eine arterielle Durchblutungsstörung indiziert. Die Abgrenzung einer Kollagenose mittels Nagelfalzkapillarmikroskopie ist wesentlich schwieriger als beim Morbus Raynaud.

Die Behandlung der Akrozyanose basiert auf einem Kälte- und Nässeschutz für die betroffenen Akren sowie körperlicher Aktivität. Eine spezifische medikamentöse Therapie steht nicht zur Verfügung, ist aber oft auch nicht erforderlich. In schweren Fällen können versuchsweise Kalziumantagonisten und/oder Prostanoide eingesetzt werden. Wenn die Akrozyanose im Rahmen einer Thrombozythämie auftritt, kann Acetylsalicylsäure die Symptome lindern. Bei sekundären Formen verringert die Behandlung der Grundkrankheit meist auch die akrale Durchblutungsstörung.

Erythromelalgie

Im Gegensatz zu allen anderen vaskulären Akrosyndromen besteht bei der Erythromelalgie eine Hyperämie. Die primäre Form ist eine genetisch bedingte Natriumkanalerkrankung. Sekundäre Manifestationen treten bei Malignomen, Kollagenosen und myelodysplastischen Syndromen auf.

Charakteristisch sind hyperperfundierte, schmerzhaft gerötete Hautareale. Die in der Regel symmetrischen Symptome werden häufig durch eine warme Umgebung, Bodenheizung und körperliche Aktivität getriggert. Die einzelnen Attacken können minuten- bis stundenlang anhalten. Mit fortschreitendem Verlauf kommt es eher zu einem kontinuierlichen oder zirkadianen Muster mit einer Verstärkung am Abend oder in der Nacht bei frühmorgendlicher Linderung. Hauptsächlich betroffen sind die Füße. Die brennenden und stechenden Schmerzen sind oft sehr qualvoll; eine Linderung ist oft nur in enger Zusammenarbeit mit Psychologen und Schmerzspezialisten möglich. Wegen des schmerzmodulierenden Effekts sollte man auch die Anwendung von Antidepressiva wie Amitriptylin und SSRI erwägen.

*    DAC: Deutscher Arzneimittelcodex,
NRF: Neues Rezepturformularium

Quelle: Klein-Weigel P et al. Internist 2022; 63: 591-600; DOI: 10.1007/s00108-022-01340-w

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Beim Rynaud-Syndrom verkrampft anfallsartig die Muskulatur in den Arterien und Arteriolen in den Händen oder Füßen. Beim Rynaud-Syndrom verkrampft anfallsartig die Muskulatur in den Arterien und Arteriolen in den Händen oder Füßen. © Science Photo Library