Blick auf die Knöchel klärte die Ursache

Dr. Elke Ruchalla

Für die Therapie von Opioidüberdosierungen ist Naloxon das Mittel der Wahl. Die Gabe erfolgt unter ständiger Überwachung in steigenden Dosen. (Agenturfoto) Für die Therapie von Opioidüberdosierungen ist Naloxon das Mittel der Wahl. Die Gabe erfolgt unter ständiger Überwachung in steigenden Dosen. (Agenturfoto) © iStock/Antonio_Diaz

EEG, EKG, Labor und MRT: Für die Schwindeldiagnostik wird oft einiges an Verfahren aufgefahren. Dabei kann es manchmal reichen, den Patienten sorgfältig von Kopf bis Fuß zu inspizieren.

Seit 24 Stunden litt ein 59-Jähriger so stark unter Schwindel und rezidivierendem Erbrechen, dass er die Notaufnahme aufsuchen musste. Da der Kranke kaum Deutsch sprach, hatte er einen Freund als Übersetzer mitgebracht, berichten Ann-Catrin Schneider vom Gesundheitszentrum Fricktal am Spital Laufenburg und ihre Kollegen. Bis auf den Schwindel ging es dem Mann gut. Medikamente nahm er nicht ein, an Vorbehandlungen gab er eine Stenteinlage in die rechte Koronararterie an.

Bei der körperlichen Untersuchung stellten die Kollegen außer einem reduzierten Allgemeinzustand, einer Hypertonie (165/80 mmHg) und einer Bradykardie (50/min) nichts fest. Das Labor ergab nur eine geringfügige Leukozytose, Hinweise auf Herzerkrankungen lagen nicht vor. Nun fingen die Schweizer an zu rätseln, was dem Schwindel wohl zugrunde liegen könnte. Im Raum standen vor allem:

  • ein benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel,
  • ein zentraler Schwindel und/oder
  • ein durch die Bradykardie ausgelöster Schwindel.

Schmerzpflaster gaben entscheidenden Hinweis

Ersteren schloss man recht schnell aus, da Lagerungsmanöver das Symptom nicht beeindruckten. Als Nächstes hätte die Untersuchung auf einen zentralen Schwindel mittels Schnittbildaufnahmen des Gehirns angestanden. Dem kam aber der Nachtdienst zuvor: Die wegen einer zunehmenden Bradykardie (37/min) alarmierte Diensthabende schaute sich den Kranken erneut von Kopf bis Fuß an. Und siehe da, an beiden Knöcheln klebten Pflaster, jedes setzte pro Stunde 75 μg Fentanyl frei.

Die Pflaster hatte der Patient wegen Fußschmerzen von einem Freund erhalten, der sie von seinem Arzt wegen „ähnlicher Probleme“ verschrieben bekommen hatte. Selbiger Freund hatte dem Betroffenen einige davon überlassen.

Langzeitwirkung auch nach Entfernen des Pflasters

Das in Schmerzpflastern enthaltene Fentanyl ist etwa 100-mal so stark wie Morphin. Weil es lipophil ist, überwindet es nicht nur die Blut-Hirn-Schranke ohne Probleme. Es reichert sich nach transdermaler Absorption auch im Fettgewebe an. Das heißt, dass auch nach Abziehen des Pflasters weiter Fentanyl freigesetzt wird, und das noch über Stunden bis Tage. Dass es bei dem hier geschilderten Kranken noch so glimpflich ausging, liegt vermutlich an der geringen Unterhautfettschicht der Fußknöchel, sodass die Depotwirkung kaum zum Tragen kam.

Mit Naloxon gegen die Opioidintoxikation

Mit drei Pflastern versorgte der Patient am Vortag den schmerzenden Knöchel, etwa sechs Stunden vor Schwindelbeginn. Ein Pflaster hatte er vor dem Gang in die Notaufnahme entfernt.

Jetzt war die Diagnose klar: Die Ärzte behandelten den Mann – nach Entfernen der Pflaster – unter der Diagnose einer Opioidintoxikation mit Naloxon, schrittweise bis zu einer Gesamtdosis von 1,2 mg. Daraufhin besserten sich zunächst das Erbrechen und dann der Schwindel. Die Bradykardie allerdings blieb. Wie die Rücksprache mit dem vorbehandelnden Kardiologen ergab, bestand diese Rhythmusstörung seit fast zehn Jahren, ohne dass pathologische Befunde damit verbunden waren.

Dieser Fall verdeutliche erneut, wie wichtig die gründliche körperliche Untersuchung sei, betonen die Ärzte – auch und gerade bei Sprachbarrieren. Für die Therapie von Opioidüberdosierungen ist Naloxon das Mittel der Wahl. Die Gabe erfolgt unter ständiger Überwachung in steigenden Dosen (0,04 mg → 0,5 mg → 2 mg etc.), bis die klinische Symptomatik sich bessert. Ist das nach insgesamt 15 mg immer noch nicht der Fall, sollte man die Diagnose überdenken.

Quelle: Schneider AC et al. Swiss Med Forum 2022; DOI: 10.4414//SMF.2021.10065

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