Vier Regeln, um Schwindel richtig einzuordnen

Maria Fett

Nicht selten sind falsch eingestellte Brillengläser ein Grund für den Schwindel, der sich in diesem Fall durch schließen der Augen bessert. Nicht selten sind falsch eingestellte Brillengläser ein Grund für den Schwindel, der sich in diesem Fall durch schließen der Augen bessert. © iStock/gremlin

Es wird schwarz vor Augen, alles dreht sich, der Boden schwankt – so beschreiben viele Patienten ihre Schwindelattacken. Die Ursachen können vielfältig sein. Mit den richtigen Fragen kommen Sie ihnen jedoch schnell auf die Spur.

Neulich in der Praxis: Ein Patient erzählt Ihnen, ihm sei immerzu schwindelig. Dazu nennt er noch einige unspezifische Symptome wie Übelkeit, Kopfschmerzen, Hörprobleme etc. Und Sie sollen nun herausfinden, was dahinter steckt. „Die erste Frage, die Sie sich in solchen Fällen immer stellen müssen, lautet: Ist der Schwindel auf eine vestibuläre Störung zurückzuführen?“, erläuterte Professor Dr. Dr. Karl-Friedrich­ Hamann­ aus Bogenhausen. Wenn Sie sich vier Regeln merken, sei die Antwort darauf ganz einfach.

Schwindel mit Schein­bewegung (vestibulär)

Qualität
(gibt Hinweise auf die Lokalisation)
  • Drehschwindel: Bogengangserkrankung
  • Liftschwindel: Sacculusstörung
  • Laterotraktion: Utriculusstörung
Zeitverlauf
(gibt Hinweise auf die Grunderkrankung)
  • Sekunden: Auftreten nur bei Kopfbewegung: gutartiger Lagerungsschwindel
  • Minuten bis Stunden: begleitet von Hörverlust, Tinnitus, Ohrdruck: M. Menière
  • Tage: Neuritis vestibularis

Regel 1: Ein Schwindel mit Scheinbewegungen hat seine Ursache im Gleichgewichtssystem.

Aussagen wie „alles dreht sich“, „wie auf einem Schiff“ oder „ständiges Auf und Ab“ deuten in der Regel auf einen (vestibulären) Dreh-, Schwank- bzw. Liftschwindel hin. „Damit wissen Sie aber noch nicht, ob dieser zentralen oder peripheren Ursprungs ist“, fuhr Prof. Hamann fort. Es gilt:

Regel 2: Je peripherer die Ursache, desto stärker der Schwindel.

Regel 3: Bei zentralen Erkrankungen ist Schwindel nie das einzige Symptom.

Die Qualität des Leitsymptoms gibt Hinweise auf die Lokalisation der Störung (s. Tabelle). Beachten Sie zusätzlich die Dauer der Schwindelattacken, sind Sie laut Prof. Hamann schon fast bei der Diagnose. Außerdem sollten Sie sich merken, dass additive neurologische Zeichen höchstwahrscheinlich eine zentrale Ursache haben.
Schwindel ohne Scheinbewegung (nicht-vestibulär)
QualitätUrsache
Schwarzwerden vor den Augenorthostatische Kreislaufregulation
Schwankgefühl (keine Stürze!)Angst
Bewusstlosigkeit, oft SynkopeHerzrhythmusstörung
Epilepsie (Aura)
verschwindet beim Augenschließenokulär
mit kognitiver StörungDemenz
zerebrovaskuläre Insuffizienz
taumelig, benommen, unsicher,
„komisches Gefühl im Kopf“
multiple zentrale Ursachen
Weil die Anamnese wichtig, aber nicht hinreichend für eine zweifelsfreie Diagnose ist, gelten gemäß dem Kollegen die Lupenbrille nach Frenzel (Spontannystagmus) sowie die Vibrationsreizung (pathologische Seitendifferenz) als die beiden „Must-haves“, um die Ursache für den Schwindel objektiv zu detektieren. Letztere ersetze in den meisten Fällen sogar die thermische Prüfung, sagte er. Abseits vestibulärer Erkrankungen können auch Störungen außerhalb des Gleichgewichtssystems das Leitsymptom verursachen.

Regel 4: Schwindel ohne Scheinbewegung hat seine Ursache nicht im Gleichgewichtssystem.

Von psychogenem Angstschwindel Betroffene fühlen sich zwar auch häufig „wie auf einem schwankenden Schiff“, doch tritt diese Empfindung meist situationsgebunden auf und lässt sich organisch nicht erklären. Stürze kommen praktisch nicht vor – diese lassen Angstpatienten typischerweise nicht zu, erklärte der Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde. Dem kardiovaskulären Schwindel (Präsynkope) liegen Herzrhythmus- oder Kreislaufregulationsstörungen zugrunde. Und wenn der Patient auf die Frage „Verschwindet der Schwindel, wenn Sie die Augen schließen?“ mit Ja antwortet, handelt es sich vermutlich um die ophthalmologische Form des Symptoms – oft bedingt durch Gleitsicht- oder schlecht angepasste Brillen, sagte der Kollege.

Quelle: 125. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin

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Nicht selten sind falsch eingestellte Brillengläser ein Grund für den Schwindel, der sich in diesem Fall durch schließen der Augen bessert. Nicht selten sind falsch eingestellte Brillengläser ein Grund für den Schwindel, der sich in diesem Fall durch schließen der Augen bessert. © iStock/gremlin