Vestibuläre Migräne verläuft oft schmerzfrei

Dr. Elke Ruchalla

Zunächst sollte man es bei der schwindelerregenden Migräne mit Ausdauersport sowie Entspannungs- und Gleichgewichtsübungen probieren. Zunächst sollte man es bei der schwindelerregenden Migräne mit Ausdauersport sowie Entspannungs- und Gleichgewichtsübungen probieren. © Chinnapong – stock.adobe.com

Schwindel, Übelkeit, Erbrechen – da denkt nicht jeder sofort an eine Migräne. Dennoch können diese Beschwerden auf eine Form dieser Erkrankung zurückgehen. Richtungsweisend sind dann zusätzliche Symptome.

Sogar Experten betrachteten die vestibuläre Migräne lange Zeit nicht als eigenständigen Migränetyp, sondern fassten sie stattdessen als eine Form der Migräneaura auf, erklären Professor Dr. ­Dagny ­Holle-Lee von der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Essen und ihre Kollegen. Erst seit einigen Jahren taucht die Erkrankung offiziell in der International Classification of Headache Disorders auf.

Das Besondere an dieser Migräneform: Bei ihr sind Kopfschmerzen keine Conditio sine qua non. Fast die Hälfte der Betroffenen klagt aber zusätzlich über eine klassische chronische Migräne (Symptome an mindestens 15 Tagen pro Monat).

Beim Lagerungsschwindel hält das Symptom viel kürzer an

An eine vestibuläre Migräne sollten Sie denken, wenn (Dreh- oder Schwank-)Schwindel, Benommenheit oder Schwierigkeiten bei Kopfbewegungen auftreten, die zwischen fünf Minuten und 72 Stunden dauern können, und zusätzlich bei mindestens der Hälfte der Attacken mindestens eines der drei folgenden Merkmale auftritt:

  • Kopfschmerzen mit zwei der vier folgenden Charakteristika:
    • einseitig lokalisiert
    • pulsierend
    • mittelschwer bis schwer ausgeprägt
    • Zunahme der Intensität bei körperlicher Anstrengung (auch Alltagsaktivitäten)
  • Licht- und Geräuschüberempfindlichkeit
  • visuelle Aura

Wenn anamnestisch eine Migräne bekannt ist, andere Erkrankungen des Gleichgewichtssinnes ausgeschlossen und bereits fünf oder mehr solcher Episoden aufgetreten sind, steht die Diagnose fast sicher fest. Eine eindeutige beweisende Diagnostik gibt es allerdings bisher nicht.

Differenzialdiagnostisch müssen Sie in erster Linie an einen isch­ämiebedingten Schwindel denken. Ein Schlaganfall, der das hintere Versorgungsgebiet betrifft, kann sich zunächst ganz ähnlich darstellen (Alarmzeichen s. Kasten).

Achtung, Gehirn in Gefahr!

„Red Flags“, die auf einen Insult hinweisen:
  • rein rotatorischer oder rein vertikaler Nystagmus, Nystagmus mit Richtungsänderung
  • Skew Deviation (vertikale Divergenz der Augäpfel) und normaler Kopfimpulstest
  • weitere neurologische Befunde wie
    • akut aufgetretene einseitige Schwerhörigkeit
    • Sprechstörungen
    • Lähmungen, Sensibilitätsausfälle, Koordinationsstörungen
    • ataktisches Gangbild oder vollständige Gehunfähigkeit

Alternativ kommt ein Morbus Menière infrage, dessen Symptome sich mit denen der vestibulären Migräne stark überschneiden können. Auch einen benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel sollten Sie ausschließen. Das gelingt oftmals recht einfach, da dieser Schwindel bei den typischen Lagerungsmanövern nur über wenige Sekunden besteht. Außerdem weist er einen verzögerten Lagerungs-Nystagmus mit Crescendo-Decrescendo-Verlauf auf, im Gegensatz zum sofortigen, unerschöpflichen Lage-Nystagmus der vestibulären Migräne. Therapeutisch kommen laut den Essener Experten zunächst nicht-medikamentöse Ansätze infrage: Regelmäßiger Ausdauersport sowie Entspannungstechniken können die Beschwerden lindern. Übungen für Gleichgewicht und Gang eignen sich vor allem für die Phasen zwischen den Schwindelattacken. Wenn diese Maßnahmen nicht ausreichen, können Sie für die Behandlung akuter Episoden Triptane andenken. Infrage kommen dafür beispielsweise Sumatriptan, Zolmitriptan und Almotriptan, für deren Wirksamkeit bislang allerdings nur Daten aus kleineren Studien bzw. aus retrospektiven Kohorten vorliegen. Die Sinnhaftigkeit einer medikamentösen Prophylaxe ist umstritten, harte Belege für einen Nutzen gibt es bislang nicht. Vor allem wenn die Betroffenen stark unter ihren Beschwerden leiden und die Migränesymptome sie in ihrem Alltag beeinträchtigen, kann ein Versuch gerechtfertigt sein. Dabei ist die Palette der eingesetzten Substanzen breit. Vor allem wenn zusätzlich eine behandlungsbedürftige Kopfschmerzmigräne besteht, können z.B. Betablocker, Topiramat oder Flunarizin sinnvoll sein, erklären die Autoren.

Quelle: Holle-Lee D et al. internistische praxis 2020; 62: 197-205

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