Schwindel: Herausfinden, wie ernst es um den Betroffenen steht

Dr. Elke Ruchalla

Wegen vestibulärem Schwindel und Hörsturz wurde eine 42-Jährige vorstellig. Ursache war ein kleines in­trameatales Akustikusneurinom (links). Bei einem 38-Jährigen mit heftigem Drehschwindel, Übelkeit und Erbrechen fand sich im MRT ein Kleinhirn-Infarkt (rechts). Wegen vestibulärem Schwindel und Hörsturz wurde eine 42-Jährige vorstellig. Ursache war ein kleines in­trameatales Akustikusneurinom (links). Bei einem 38-Jährigen mit heftigem Drehschwindel, Übelkeit und Erbrechen fand sich im MRT ein Kleinhirn-Infarkt (rechts). © Arning C. Hamburger Ärzteblatt 2019; 73: 12-17. Copyright Hamburger Ärzteverlag, Hamburg (vollständiger Original­artikel auf Website der ÄK Hamburg verfügbar)

Die Ursache von Schwindel lässt sich gut eingrenzen. Begleitbeschwerden wie okzipital-nuchale Kopfschmerzen z.B. deuten auf eine Aortendissektion, das Sehen von Doppelbildern dagegen auf einen Hirnstamminfarkt.

Etwa jeder Dritte leidet mindes­tens einmal im Leben unter Schwindel. Zwar werden nicht alle gleich in die nächste Praxis stürmen, dennoch bleibt die Angabe „Mir ist schwindlig“ einer der häufigsten Gründe für den Besuch beim Hausarzt. Kennt man die wichtigsten Ursachen für Schwindel, fällt es leichter, die Patienten zu identifizieren, bei denen weitere Untersuchungen notwendig sind oder die zügig in die Klinik einzuweisen sind (s. Kasten), erklärt Professor Dr. Christian Arning, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie.

Wenn‘s sich um Leben oder Tod dreht

Ein Schwindel ist manchmal auch ein Notfall: Vor allem hinter akut einsetzendem vestibulärem Dauerschwindel kann ein Schlaganfall (Abb. 2) stecken. Diese Patienten gehören umgehend in eine neurologische Klinik. Wenn sich der Schwindel nach erstmaligem Auftreten rasch wieder bessert, sollte eine transitorisch-ischämische Attacke ausgeschlossen werden, die ebenfalls dringend untersucht gehört. Ein neuer Schwindel mit starken Kopfschmerzen kann schließlich für eine Vertebralisdissektion oder eine Riesenzellarteriitis sprechen – auch diese Patienten brauchen zügig die entsprechende Diagnostik.

Mit nur vier Fragen lässt sich ein Schwindel grob zuordnen, so Prof. Arning. Erkundigen Sie sich nach:
  1. Schwindeltyp
  2. zeitlichem Verlauf
  3. begleitenden Beschwerden
  4. Auslösern bzw. verstärkenden Faktoren
Beim Schwindeltyp können Sie zwei Arten differenzieren: Der vestibuläre Typ geht vom Gleichgewichtsorgan im Innenohr, dem N. vestibulocochlearis oder übergeordneten Gleichgewichtsbahnen des ZNS aus. Fragen Sie Ihren Patienten, ob er sich bei einem Anfall fühlt, als sei er gerade von einem Karussell abgestiegen (Drehschwindel) oder nach einer Bootstour wieder an Land gegangen (gerichteter Schwankschwindel).

Schläfenkopfschmerz spricht für Riesenzellarteriitis

Dagegen empfinden Betroffene den unsystematischen Schwindel als ungerichteten Schwankschwindel oder Benommenheit. Diese Form deutet auf Gefäß- und Kreislaufprobleme hin; weitere Ursachen umfassen Medikamentennebenwirkungen, Intoxikationen (Alkoholabusus) sowie zervikogene und psychogene Faktoren. Der zeitliche Verlauf der Beschwerden kann anfallsartig (Attackenschwindel) oder dauerhaft sein (Dauerschwindel) bzw. schleichend oder akut. Erste Hinweise gibt die Dauer der Attacken. Halten sie über Stunden an, z.B. bei Migräne und M. Menière, nur Sekunden bis eine Minute, wie bei benignem paroxysmalem Lagerungsschwindel oder nur eine oder wenige Sekunden (beispielsweise Vestibularispar­oxysmie)? Unter den Begleitsymptomen sind vor allem neurologische und kochleäre Befunde sowie Kopfschmerzen relevant. ZNS-Zeichen wie Doppelbilder lassen an einen Hirnstamminfarkt denken, Tinnitus oder Hörminderung an einen M. Menière oder ein Akustikusneurinom. Hinter okzipital-nuchalen Kopfschmerzen kann sich eine Dissektion der A. vertebralis verbergen (Abb. 1) und hinter Schläfenkopfschmerzen eine Riesenzellarteriitis. Eine Sono hilft, diese Gefäßpathologien aus­zuschließen.

Vestibularisparoxysmie bessert sich mit Carbamazepin

Zu auslösenden bzw. verstärkenden Symptomen schließlich gehören Kopfdrehung (unilateral: benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel, bilateral: Vestibularisparoxysmie), Aufstehen und Ängste – vor allem in bestimmten Umgebungen oder sozialen Situationen (phobischer Schwankschwindel). Viele dieser Formen sind harmlos: Der Lagerungsschwindel mit typischer Klinik (Lagerungstests) benötigt zunächst keine weitere Therapie. Meist gilt das auch für die Vestibularisparoxysmie, bei der weitere neurologische Symptome fehlen und die sich unter niedrig dosiertem Carbamazepin bessert. Leitlinien empfehlen aber, einen Tumor als Ursache der Vestibularis­irritation auszuschließen.

Bei psychogenem Schwindel nicht von Einbildung reden

Ein Schädel-MRT sollten Sie auf jeden Fall veranlassen bei:
  • zentral-vestibulärem Dauerschwindel, um Hirnstammläsionen und Akustikusneurinome (Abb. 3) auszuschließen
  • vestibulärem Attackenschwindel, der nicht eindeutig zuzuordnen ist, z.B. bei nicht sicherer vestibulärer Migräne
  • Vestibularisparoxysmie (Tumor­ausschluss)
  • zusätzlichen neurologischen und/oder HNO-Auffälligkeiten
Bei phobischem und rein psychogenem Dauerschwindel kann der Somatiker therapeutisch kaum etwas unternehmen. Geben Sie diesen Patienten aber nicht mit, dass ihre Beschwerden nur eingebildet sind, betont der Hamburger Fachmann, „das ist ganz falsch“.

Quelle Text u. Abb.: Arning C. Hamburger Ärzteblatt 2019; 73: 12-17. Copyright Hamburger Ärzteverlag, Hamburg (vollständiger Original­artikel auf Website der ÄK Hamburg verfügbar)

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Wegen vestibulärem Schwindel und Hörsturz wurde eine 42-Jährige vorstellig. Ursache war ein kleines in­trameatales Akustikusneurinom (links). Bei einem 38-Jährigen mit heftigem Drehschwindel, Übelkeit und Erbrechen fand sich im MRT ein Kleinhirn-Infarkt (rechts). Wegen vestibulärem Schwindel und Hörsturz wurde eine 42-Jährige vorstellig. Ursache war ein kleines in­trameatales Akustikusneurinom (links). Bei einem 38-Jährigen mit heftigem Drehschwindel, Übelkeit und Erbrechen fand sich im MRT ein Kleinhirn-Infarkt (rechts). © Arning C. Hamburger Ärzteblatt 2019; 73: 12-17. Copyright Hamburger Ärzteverlag, Hamburg (vollständiger Original­artikel auf Website der ÄK Hamburg verfügbar)
Abbildung 1: Nach einem Unfall klagte eine 32-Jährige über Schwindel sowie Schmerzen an Hinterkopf und Nacken. Ihre A. vertebralis war beidseitig dissektiert (1). Abbildung 1: Nach einem Unfall klagte eine 32-Jährige über Schwindel sowie Schmerzen an Hinterkopf und Nacken. Ihre A. vertebralis war beidseitig dissektiert (1). © Arning C. Hamburger Ärzteblatt 2019; 73: 12-17. Copyright Hamburger Ärzteverlag, Hamburg (vollständiger Original­artikel auf Website der ÄK Hamburg verfügbar)
Abbildung 2: Kleinhirn-Infarkt Abbildung 2: Kleinhirn-Infarkt © Arning C. Hamburger Ärzteblatt 2019; 73: 12-17. Copyright Hamburger Ärzteverlag, Hamburg (vollständiger Original­artikel auf Website der ÄK Hamburg verfügbar)
Abbildung 3: in­trameatales Akustikusneurinom Abbildung 3: in­trameatales Akustikusneurinom © Arning C. Hamburger Ärzteblatt 2019; 73: 12-17. Copyright Hamburger Ärzteverlag, Hamburg (vollständiger Original­artikel auf Website der ÄK Hamburg verfügbar)