Buntes Symptombild nach Zeckenstich

Maria Weiß

Stechwerkzeuge des Gemeinen Holzbocks (Ixodes ricinus). Stechwerkzeuge des Gemeinen Holzbocks (Ixodes ricinus). © Science Photo Library/Gubernator, Jerzy

Segmentale Schmerzen, die sich nachts verstärken, Sensibilitätsstörungen, Paresen und Hirnnerven­ausfälle – bei solchen Symptomen sollte gerade in der Zeckenzeit auch an eine akute Neuroborreliose gedacht werden. Die Diagnostik ist jedoch nicht immer einfach.

Ein 60-jähriger Garten- und Landschaftsbauer hatte schon seit Wochen zunehmende Dys- und Hypästhesien der Beine bis zum Bauchnabelniveau sowie Schmerzen entlang der Wirbelsäule vor allem im Liegen bemerkt. Neu hinzugekommen war jetzt eine motorische Schwäche in den Beinen mit Stolperstürzen; das Aufrichten aus der Hocke war nicht mehr möglich. Diese Beschwerden führten ihn ins Bundeswehrhospital Hamburg, wo er von ­Tamara ­Beyrich und Dr. ­Ulrich ­Vortkamp zur weiteren Abklärung auf die Abteilung Neurologie aufgenommen wurde. Noch am selben Tag nahmen die Schmerzen des Mannes deutlich zu, sodass die Kollegen Opiate einsetzen mussten.

Nach einer unauffälligen Schädel-CT führten sie eine Lumbalpunktion mit Liquordiagnostik durch. Proteine und Zellzahl waren deutlich erhöht, was als entzündliches Syndrom interpretiert wurde. Die Neurologen begannen sofort mit Ceftriaxon und Aciclovir. Da aber die PCR auf alle gängigen Viren negativ ausfiel und der Patient zudem noch eine für die Borreliose typische bilaterale Fazialisparese entwickelt hatte, beendete man die antivirale Therapie wieder.

Langzeitbeschwerden durch Borreliose

Manche Patienten berichten nach einer leitliniengerechten Therapie der Borreliose über das Persistieren oder Hinzutreten von Symptomen wie Fatigue, Parästhesien, Muskel- und Gelenkschmerzen oder kognitiven Störungen. Bleiben diese über mehr als sechs Monate bestehen, sprechen manche vom Post Treatment Lyme Disease Syndrome (PTLDS). Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie erkennt dieses aber nicht als eigenständige Krankheit an. Sie empfiehlt in solchen Fällen eine nochmalige differenzialdiagnostische Abklärung und eine rein symptomatische Therapie. Eine erneute antibiotische Behandlung sollte nur in begründeten Fällen erfolgen.

Unter Prednisolon besserten sich die Beschwerden

MRT-Untersuchungen des Gehirns und der spinalen Achse waren unauffällig, auch eine Polyradikulitis konnte nicht nachgewiesen werden. Da die Schmerzen unter der Therapie noch weiter zunahmen, wurde eine erneute Liquorpunktion durchgeführt, die eine weitere Erhöhung der Zellzahl zeigte. Ein positiver Borrelien-Antikörper-Index aus dieser Probe bestätigte schließlich die Dia­gnose einer Neuroborreliose. Unter zusätzlicher Gabe von Prednisolon klangen die Schmerzen ab und die neurologischen Symptome besserten sich zügig.

Die Meningoradikulitis gilt als typischste Manifestation der Neuroborreliose, schreiben Beyrich und Dr. Vortkamp. Neben den brennenden, reißenden Schmerzen in wechselnden Lokalisationen, die sich nachts verstärken, findet man nach 1–4 Wochen auch neurologische Ausfälle vor allem in Form von Sensibilitätsstörungen und Paresen.

Außerdem kommt es in etwa 60 % der Fälle zu Hirnnervenausfällen, wobei der N. facialis mit 80 % am häufigsten betroffen ist. Seltener treten Polyneuropathien/Polyneuritis, eine ZNS-Beteiligung z.B. mit spastisch-ataktischen Gangstörungen, ein hirnorganisches Psychosyndrom mit akuten Psychosen oder sehr selten auch eine Vaskulitis/Myositis auf. 

Bei entsprechender Klinik und Nachweis von IgG- oder IgM-Antikörpern im Serum (in sehr frühen Stadien möglicherweise noch negativ) besteht der Verdacht auf eine Neuroborreliose. Bestärkt wird der Verdacht durch einen entzündlichen Liquorbefund mit lymphozytärer Pleozytose und deutlicher Eiweißer­höhung bei nur gering erhöhtem Laktat. Als gesichert gilt eine Neuroborreliose, wenn die intrathekale Synthese borrelienspezifischer Antikörper nachgewiesen wurde. Dies ist bei einem Antikörper-Index > 1,5 der Fall. Der direkte Erregernachweis spielt in der Standarddiagnostik eine untergeordnete Rolle, der kulturelle oder PCR-Nachweis von Borrelien im Liquor kann aber natürlich ebenso die Diagnose bestätigen. 

Da die intrathekale AK-Produktion erst nach zwei Wochen beginnt, kann es in der Frühphase zu falsch-negativen Befunden kommen. Hilfreich ist daher die Bestimmung des Chemokins CXCL13 im Liquor, das schon vor der Antikörpersynthese deutlich ansteigt. Allerdings handelt es sich dabei nicht um einen borrelienspezifischen Marker: CXCL13 steigt auch bei anderen ZNS-Erkrankungen wie Neurolues, TBC oder ZNS-Lymphomen. Bei einem negativen CXCL13-Befund kann man aber eine Neuroborreliose weitgehend ausklammern. Ein MRT von ZNS und/oder Wirbelsäule dient vor allem dem Ausschluss anderer Erkrankungen. 

Symptome können ein Jahr lang persistieren

Sobald die Neuroborreliose nachgewiesen ist, sollte antibiotisch behandelt werden. Geeignet sind Doxycyclin, Ceftriaxon, Cefotaxim oder Penicillin G über jeweils 14–21 Tage. Auch wenn die Vermehrung der Erreger dadurch schnell beendet werden kann, persistieren die Symptome mitunter noch über 6–12 Monate. Dieses Phänomen weist allerdings nicht auf eine insuffiziente Behandlung hin. Treten nach Therapieende neue neurologische Symptome auf, empfiehlt sich wiederum eine diagnostische Lumbalpunktion. Ist es zu einem erneuten CXCL13-Anstieg gekommen oder sind Erreger nachweisbar, sollte eine Wiederholung der Antibiose in Erwägung gezogen werden.  

Quelle: Beyrich T, Vortkamp U. Wehrmedizinische Monatsschrift 2023; 67: 138-143; DOI: 10.48701/opus4-114

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Stechwerkzeuge des Gemeinen Holzbocks (Ixodes ricinus). Stechwerkzeuge des Gemeinen Holzbocks (Ixodes ricinus). © Science Photo Library/Gubernator, Jerzy