Cave sarkopene Adipositas!

Diabetes Herbsttagung 2023 Dr. Karin Kreuel

Eine zu geringe Muskelmasse bei Übergewicht ist mit einigen Komorbiditäten assoziiert. Eine zu geringe Muskelmasse bei Übergewicht ist mit einigen Komorbiditäten assoziiert. © BeatrizLópezGallego

In der Therapie von Menschen mit Diabetes werden Veränderungen der Körperzusammensetzung und reduzierte Muskelfunktionen zu wenig beachtet. Wie wirken sich Diabetes-Pharmaka auf den Muskelerhalt aus?

Die Diabetes-Phänotypen weisen unterschiedliche Pathophysiologien auf und unterscheiden sich auch in der Körperzusammensetzung, erklärte Professor Dr. Dr. Anja Bosy-Westphal vom Institut für Humanernährung, Universitätsklinik Kiel. Bei Phänotypen mit Adipositas und schwerer Insulinresistenz wurde ebenso wie bei jenen mit Adipositas und geringer Insulinresistenz eine geringere Muskelmasse pro BMI festgestellt. Das überrasche nicht, allerdings stelle sich die Frage, ob dahinter eine sarkopene Adipositas stecke. Die zu geringe Muskelmasse bei Übergewicht ist mit einigen Komorbiditäten assoziiert.

„Die rein adipozentrische Sicht ist fehlführend“, sagte Prof. Bosy-Westphal, denn diese habe dazu geführt, dass die Bedeutung der Magermasse jahrelang übersehen wurde. Dabei sei bekannt, dass das metabolische Risiko nicht durch eine erhöhte Fettmasse, sondern durch eine verminderte Fettspeicherkapazität steige, wodurch ektope Fette akkumulieren. Bei Übergewicht und Adipositas vom Grad I könne eine bessere Muskelmasse ein Überlebensvorteil sein – ein Effekt, der als „Adipositas-Paradoxon“ bekannt sei. Eine sarkopene Adipositas hingegen erhöhe das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, Krebs, Diabetes, Frakturen, Gebrechlichkeit, Behinderungen, Hospitalisierung, allgemeine Morbidität und Mortalität bei gleichzeitiger Reduktion der Lebensqualität. Unterschiedliche Definitionen für sarkopene Adipositas erschweren deren Feststellung und Vergleichbarkeit in Studien, erläuterte die Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin. Daher empfiehlt sie die Definition der ESPEN/EASO (s. Kasten).
 

Sarkopene Adipositas strukturiert ermitteln

Einem Konsensus-Statement der European Society for Clinical Nutrition and Metabolism (ESPEN) und der European Association for the Study of Obesity (EASO) von 2022 zufolge reicht es für das Screening der sarkopenen Adipositas, BMI oder Bauchumfang zu messen und einen Fragebogen zur Funktionseinschätzung zu nutzen (z. B. SARC-F). 
In der weiteren Diagnostik wird die Muskelfunktion durch Messung der Muskelkraft erhoben (z. B. Handkraftmessung) und zur Absicherung der Diagnose die Körperzusammensetzung ermittelt. Für Letzteres entwickelte eine Kieler Arbeitsgruppe eine geschlechtsspezifische Einteilung anhand kontinuierlicher Referenzbereiche (BIA), bei der Alter und BMI berücksichtigt werden. 

Neben Ernährungsweise, Bewegungsmangel und Alterung wirken sich Krankheitsprozesse und Medikamente auf die Entstehung der sarkopenen Adipositas aus.

Welche Substanzen wirken wie auf die Muskelmasse?

Anteilig haben zwar alle glukosesenkenden Substanzen durch die bessere Blutzuckereinstellung einen positiven Effekt (außer Sulfonylharnstoffen wegen Proteinabbau). Relativ gesichert ist jedoch, dass Glinide und Sulfonylharnstoffe sich insgesamt negativ auf die Muskelmasse auswirken, während Metformin und DPP4-Inhibitoren nach derzeitiger Studienlage als neutral gelten. Insulin wirkt anabol, verbessert den Skelettmuskelindex und verzögert die Sarkopenieprogression. „Für SLGT2-Inhibitoren ist die Lage noch sehr unklar. Auch für GLP1-Analoga brauchen wir mehr Studien.“ Da SGLT2-Inihibitoren die Glukoneogenese fördern und dies mit einer Proteolyse der Skelettmuskulatur einhergeht, sei es vom Mechanismus her denkbar, „dass die Muskelmasse nicht so geschont wird“.

Gemäß der „Forbes Curve“ gilt: „Je höher die Ausgangsfettmasse, desto geringer ist der Anteil der Magermasse am Gewichtsverlust.“ Demnach ist eine Abnahme von 10 bis 20 % des Magermasseanteils am Gesamtgewichtsverlust als physiologisch zu beurteilen (bei einer Fettmasse von 40 bis 80 kg). In einigen Studien wurden Abnahmen von rund 25 % der Magermasse unter Tirzepatid oder Liraglutid beschrieben, die Prof. Bosy-Westphal durchaus noch als physiologisch und nicht als überproportional erachtet. Vom Erhalt der Magermasse allein könne allerdings nicht auf die Muskelmasse geschlossen werden, da bei Frauen nur 45 % und bei Männern 49 % der fettfreien Körpermasse aus Muskeln bestehe.  

Quelle: Diabetes Herbsttagung 2023 

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Eine zu geringe Muskelmasse bei Übergewicht ist mit einigen Komorbiditäten assoziiert. Eine zu geringe Muskelmasse bei Übergewicht ist mit einigen Komorbiditäten assoziiert. © BeatrizLópezGallego