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Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen: Therapie nach Maß

Der Altersgipfel für CED liegt in Europa bei 20–40 Jahren. Morbus Crohn und Colitis ulcerosa können sich aber auch im fortgeschrittenen Alter noch manifestieren – ein zweiter Altersgipfel liegt in der sechsten bis achten Lebensdekade. Die Erkrankungen werden aber wegen der vielfältigen Differenzialdiagnosen (Divertikulitis, ischämische Kolitis etc.) oft erst spät erkannt. Das kann zu einem verzögerten Therapiebeginn mit schlechterer Prognose und vermehrten Komplikationen führen.
Auch hinsichtlich der Lokalisation der Entzündung gibt es Unterschiede. Senioren mit M. Crohn entwickeln im Vergleich zu Jüngeren häufiger einen isolierten Kolonbefall und perianale Fisteln. Ältere mit Colitis ulcerosa (CU) haben seltener eine isolierte Proktitis und öfter eine ausgedehnte Kolitis, erklären Dr. Teresa Hof von der Universitätsklinik Freiburg und Kollegen.
Zudem beeinflussen ethnische Unterschiede den Krankheitsverlauf. Crohnpatienten afrikanischer und asiatischer Herkunft haben häufiger eine ungünstige Prognose. Allerdings lässt sich dieser (in US-amerikanischen Studien nachgewiesene) Effekt oft schwer von sozioökonomischen Faktoren wie einem verringerten Zugang zum Gesundheitssystem trennen.
Perimenstruell verschlechtern sich die Symptome häufig
Das Geschlecht ist ebenfalls von Bedeutung. Hormonelle Faktoren erhöhen wahrscheinlich das Risiko für die Manifestation einer CED und für eine schwere Ausprägung. So zeigt die Hälfte der CED-Patientinnen eine perimenstruelle Verschlechterung der Symptome.
Während der Schwangerschaft ist das Schubrisiko für die CU, nicht aber für den M. Crohn erhöht. Außerdem leiden Patientinnen häufiger an einer extraintestinalen Manifestation. Gleichzeitig werden Frauen seltener leitliniengerecht und weniger konsequent behandelt. So bekommen Männer früher und öfter systemische 5-Aminosalicylate (5-ASA), Immunmodulatoren und Biologika. Zudem werden sie öfter operiert.
Auch in Bezug auf die verschiedenen Therapieoptionen gibt es Unterschiede, die man auf dem Schirm haben sollte. Glukokortikoide beispielsweise sollen nur im akuten Schub eingesetzt werden. Dennoch bekommen vor allem Senioren häufig eine Dauertherapie, die nicht selten gravierende Folgeerkrankungen wie Diabetes und Osteoporose auslöst.
Vorsicht ist bei den Immunmodulatoren Azathioprin und 6-Mercaptopurin geboten. Eine langfristige Anwendung prädisponiert zu Malignomen. Vor allem das Risiko für Lymphome und nicht melanotische Hauttumoren ist bei Patienten über 65 Jahre deutlich erhöht. Gegen Methotrexat bestehen dagegen keine Bedenken.
Eine weitere Option bieten die TNF-Inhibitoren. Sie sind bei CED sehr wirksam und zeigen ein günstiges Nebenwirkungsprofil. Allerdings kommt es bei etwa der Hälfte der Patienten zu einem primären oder sekundären Therapieversagen. Genetische Faktoren wie der HLA-Genotyp steigern das Risiko für einen Wirkverlust durch die Bildung von Anti-Drug-Antikörpern.
Vedolizumab als mögliche Alternative hemmt selektiv die Migration inflammatorischer Zellen in den Gastrointestinaltrakt. In einer Vergleichsstudie war der Antikörper wirksamer als Adalimumab. Langzeituntersuchungen bescheinigen der Substanz eine gute Verträglichkeit auch bei Älteren. Allerdings fiel in einer anderen Arbeit auf, dass Frauen die Therapie häufiger wegen einer nicht spezifizierten Intoleranz abbrechen als Männer.
Unter den Small-Molecule-Medikamenten sind die Januskinase-Inhibitoren (JAKi) von besonderer Bedeutung. Sie hemmen den JAK/STAT-Signalweg und unterbrechen so die zytokinvermittelte Entzündung.
Die Bildung von Antikörpern ist wegen der geringen Größe der Moleküle nicht möglich. Die drei JAK-Inhibitoren Tofacitinib, Filgotinib und Upadacitinib sind inzwischen zur Behandlung der Colitis ulcerosa zugelassen, Upadacitinib auch für M. Crohn. Allerdings zeigte eine Studie zur rheumatoiden Arthritis bei > 50-jährigen Risikopatienten ein im Vergleich zu TNF-Hemmern deutlich erhöhtes Risiko für schwere kardiovaskuläre Erkrankungen, Infektionen und Malignome. Diese Gefahr war in der Altersgruppe über 65-Jahre besonders ausgeprägt. Außerdem fördern alle JAKi die Entwicklung einer Gürtelrose. In der Schwangerschaft und Stillzeit dürfen sie nicht eingenommen werden.
Auch der Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor-Modulator Ozanimod kann zur Behandlung der Colitis ulcerosa eingesetzt werden. Wegen möglicher kardialer Nebenwirkungen ist in vulnerablen Gruppen wie älteren Patienten Vorsicht angezeigt. Zudem wird eine Immunisierung gegen Herpes zoster und eine zuverlässige Verhütung empfohlen.
Gerade bei Frauen im gebärfähigen Alter besteht eine hohe CED-Prävalenz. Gleichzeitig ist die Fertilität vermindert, was auch für die Erfolgsaussichten einer künstlichen Befruchtung (IVF, ICSI) gilt.
Bei Schwangeren gibt es einige Besonderheiten
Während der Schwangerschaft sollten erneute Schübe vermieden und sollte eine stabile Remission erhalten werden. Wegen des erhöhten Risikos für Diabetes und (Prä-)Eklampsie raten die Autoren von einer Steroidtherapie ab. Methotrexat und JAKi müssen wegen ihrer Teratogenität mindestens drei Monate vor der Konzeption abgesetzt werden. Eine Therapie mit Biologika und Thiopurinen kann während Gravidität und Stillzeit fortgesetzt werden.
Quelle: Hof T et al. Dtsch Med Wochenschr 2023; 148: 519-527; DOI: 10.1055/a-1892-4878
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