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Rheuma: „Personalisierte Medizin sollte das Mikrobiom berücksichtigen!“

Zwar wurde bereits im Jahr 1894 ein Zusammenhang zwischen Parodontitis und rheumatoider Arthritis (RA) beschrieben. Doch erst seit Kurzem ist belegt, dass RA-Patienten zuhauf Porphyromonas gingivalis beherbergen. Die Stäbchenbakterien fördern die Entwicklung einer Parodontitis und zeigen im Serum eine positive Korrelation mit Antikörpern gegen citrullinierte Proteine (ACPA), die als RA-Trigger gelten, schreiben Dr. Julia Manasson, New York University Grossmann School of Medicine, und Kollegen.
Prevotella copri befeuert offenbar rheumatoide Arthritis
Wie stark die Zusammensetzung des Mikrobioms die Manifestation einer rheumatischen Erkrankung beeinflusst, verdeutlicht das folgende Beispiel: Wachsen Tiermodelle für eine inflammatorische Arthritis, wie die HLA-B27-transgene Ratte, in einer keimfreien Umgebung auf, bleiben sie gesund. Setzt man sie hingegen bestimmten Mikroben aus, kommt es zur Gelenkentzündung. Eine schwere Arthritis entwickeln Mausmodelle z.B. unter Prevotella copri, das die Th17-Antwort befeuert und somit in Verbindung zu chronischen Entzündungen und Autoimmunerkrankungen steht. Bei frisch diagnostizierten RA-Patienten, die noch keine Therapie erhalten haben, findet man dieses Darmbakterium ebenfalls zuhauf.
Doch damit nicht genug. Faecalibacterium prausnitzii, Akkermansia, Ruminococcus – diese und weitere Darmkeime wirken im Gegensatz zu den bisher genannten positiv auf das Immunsystem. Eine Reduktion ihrer Anzahl geht mit unterschiedlichen rheumatischen Erkrankungen wie Psoriasisarthritis oder Spondyloarthritis einher. Auch bei Patienten mit systemischem Lupus erythematodes ist das mikrobielle Gleichgewicht gestört.
Ein Knackpunkt ist jedoch, dass man in humanen Beobachtungsstudien oft schwer sagen kann, ob das veränderte Mikrobiom aus den Inflammationsprozessen resultiert oder der Manifestation vorangeht, schreiben die Autoren. Sie fordern, dass sich mehr Wissenschaftler interdisziplinär diesem Thema nähern und auch die Rohdaten inklusive ausführlicher – und bestenfalls vereinheitlichter – Methodik zur Validierung und für weitere Forschungszwecke verfügbar machen. Nur so könne man das Mikrobiom, inklusive viraler und pilzlicher Komponenten, sowie die Metabolite und die Interaktionen zwischen den einzelnen Bakterien untersuchen.
Stärker in den Fokus rücken sollte den Autoren zufolge auch der Zusammenhang mit (Neben-)Wirkungen von Medikamenten. Als Beispiel nennen sie Sulfasalazin, das bei Arthritis und Colitis ulcerosa eingesetzt wird. Die gesamte Wirkung beruht darauf, dass bakterielle Enzyme den Wirkstoff spalten und so in die aktive Form überführen. Ähnliches gilt für Methotrexat. Die Wissenschaftler sehen in einer personalisierten Therapie, die das individuelle Mikrobiom berücksichtigt, die Zukunft.
Quelle: Manasson J et al. Ann Rheum Dis 2020; 79: 727-733; DOI: 10.1136/annrheumdis-2019-216631
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