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Mikrobiomschonende Antibiotika bei Harnwegsinfekt

Als „Volkskrankheit“ hängen bakterielle Infekte der Harnwege direkt mit dem großflächigen Einsatz von Antibiotika zusammen. Damit spielen sie auch eine wichtige Rolle bei der Resistenzentwicklung, betonen Professor Dr. Sören Schubert vom Max von Pettenkofer-Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie der Ludwig-Maximilians-Universität München und Professor Dr. Florian M. E. Wagenlehner von der Klinik und Poliklinik für Urologie, Kinderurologie und Andrologie des Universitätsklinikums Gießen/Marburg.
Vier Wirkstoffe für unkomplizierte Fälle
Idealerweise sollte das gewählte Antibiotikum deshalb nach den Prinzipien der rationalen Antibiotikaverordnung ein Wirkstoff sein, der zwar die Bakterien in den Harnwegen, die da nicht hingehören, abtötet, aber das restliche Mikrobiom des Patienten möglichst in Ruhe lässt. Zu diesen Nischenantibiotika gehören bei unkomplizierter Zystitis:
- Fosfomycin-Trometamol – Einmalgabe (auch bei Schwangeren)
- Nitrofurantoin, auch als retardierte Form erhältlich
- Nitroxolin
- Pivmecillinam (auch in der Schwangerschaft)
Bei Schwangeren sollte in jedem Fall auf Indikation und Verträglichkeit geachtet werden, betonen die Experten. Wenn Sie die örtliche Resistenzsituation von E. coli kennen und diese unter 20 % liegt, ist auch Trimethoprim als Monopräparat möglich, ansonsten ist es kein Mittel der ersten Wahl. Bei einer Pyelonephritis lassen sich Substanzen mit breiterem Spektrum nicht mehr ganz vermeiden, empfohlen werden bei leichter bis moderat schwerer Erkrankung oral:
- Cefpodoximproxetil
- Ciprofloxacin
- Levofloxacin
Die letzten beiden gelten zusammen mit Cefotaxim und Ceftriaxon auch bei schweren Verläufen als Mittel der ersten Wahl. Falls Sie eine Urinprobe zur Kultur ins Labor geschickt haben, sollten Sie, sobald sie vom Kollegen aus der Mikrobiologie das Antibiogramm erhalten, wenn nötig die Therapie anpassen. Ausführliche Informationen zu unkomplizierten Harnwegsinfektionen in verschiedenen Patientengruppen finden Sie in der aktuellen S3-Leitlinie der Fachgesellschaften.
Jede Zweite braucht kein Antibiotikum. Aber wer?
Und nun noch eine ketzerische Frage: Müssen Antibiotika überhaupt sein? In Studien wurde untersucht, ob eine rein symptomatische Therapie denn ausreichen könnte, und Patientinnen ausschließlich mit Analgetika und Antiphlogistika (Ibuprofen) behandelt. Gut die Hälfte dieser Frauen benötigte danach kein Antibiotikum mehr. Andererseits ist nicht klar, wie sich diese Frauen von denen, die ein Antibiotikum brauchen, abgrenzen lassen. Allgemein zu empfehlen ist der Ansatz deshalb zurzeit nicht, meinen die Experten.
Schwangere trotz Symptomfreiheit behandeln
Was Sie aber sicher nicht routinemäßig behandeln müssen, sind asymptomatische Bakteriurien (ASB). Wie der Begriff schon sagt: Beschwerden im Sinne einer Infektion haben die Betroffenen nicht. Nur, wenn ein invasiver Eingriff im Harntrakt geplant ist, z.B. eine Zystoskopie, muss man explizit eine ASB ausschließen bzw. therapieren. Alter („postmenopausal“) und Diabetes ohne Komplikationen sind keine Indikationen zum Screening oder gar zur Behandlung, warnen die Fachleute. Bei Schwangeren dagegen ist eine Therapie indiziert, da sich dadurch das Risiko einer Pyelonephritis nachweislich senken lässt.
Quelle: Schubert S, Wagenlehner FME. internistische praxis 2019; 60: 405-416
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