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Neurogene Blasenstörungen – Leitlinie zu Diagnose und Therapie
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Neurogene Blasenstörungen können viele Ursachen haben. Das diagnostische Vorgehen unterscheidet sich dennoch bei den verschiedenen Störungsbildern kaum (s. Kasten). Neu ist die Empfehlung der Restharnmessung als Screeningmethode. Sie kann sonographisch oder per Einmalkatheterismus erfolgen. Sonographisch wird nach der Miktion im Querschnitt die Breite (a) und die Tiefe (b) und im Längsschnitt die Länge (c) bestimmt. Das Volumen wird nach der Formel V = a x b x c x 0,5 in ml errechnet.
Diagnostische Kaskade für alle neurogenen Blasenstörungen
- Anamnese
- neurologische und urologische Untersuchung, ggf. gynäkologische Untersuchung
- Blasentagebuch über mindestens drei Tage
- Urinsediment (Mittelstrahl-, besser Katheterurin)
- Restharnmessung (sonographisch oder mittels Einmalkatheterismus)
- Harnstrahlmessung (Uroflow)
- (Video-)Urodynamik mit Beckenboden-EMG
- Urethrozystoskopie und Harnblasenspülzytologie
- Nierensonographie
- Kreatinin, Harnstoff, evtl. 24-Stunden-Kreatinin-Clearance
- bei vesikorenalem Reflux: Lasixoder Belastungs-Isotopennephrogramm (Dokumentation des Ausgangsbefundes)
- ggf. zusätzlich elektrophysiologische Untersuchungen zur weiteren Eingrenzung der neurogenen Störung
Pharmakotherapie mit mindestens zwei Präparaten
Die Einteilung der neurogenen Blasenstörungen erfolgt anhand der klinischen Symptome und der apparativen Zusatzuntersuchungen. Es werden Detrusorüberaktivität, Detrusor-Sphinkter- Dyssynergie, hypokontraktiler Detrusor und hypoaktiver Sphinkter unterschieden. Die Therapie hat folgende Ziele:- den oberen Harntrakt schützen,
- die Kontinenz verbessern,
- die Lebensqualität steigern und
- die Funktion des unteren Harntrakts so weit wie möglich wiederherstellen.
Valsalva-Manöver und Credé-Handgriff sind out
Zur Therapie der Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie empfehlen Prof. Haensch und Kollegen, die Patienten frühzeitig auf einen sauberen Einmalkatheterismus einzustellen. Die Häufigkeit der Katheterisierung richtet sich nach der urodynamischen Blasenkapazität. Der Blasendruck sollte 40 cmH2O nicht übersteigen. Die Kollegen betonen, dass ältere Verfahren wie Credé-Handgriff oder Valsalva-Manöver obsolet sind. Die antimuskarinerge (anticholinerge) Therapie kann unterstützend eingesetzt werden, als alleinige Therapie ist sie in der Regel nicht ausreichend. Die Erfahrungen mit Mirabegron und der perkutanen und transkutanen tibialen Nervenstimulation sind noch zu begrenzt für eine klare Empfehlung. Als invasive Verfahren nennt die Leitlinie vorrangig die intravesikale Botulinumtoxin-Injektion, bei kompletter Rückenmarksverletzung die sakrale Vorderwurzelstimulation (kombiniert mit dorsaler Rhizotomie), außerdem die Sphinkterotomie und die Blasenaugmentation. Die Botulinumtoxin-Injektion in die Blase erhöhte in Studien bei bis zu 85 % aller Patienten die Blasenkapazität und reduzierte so den Reflux und Inkontinenzepisoden. Ein hypokontraktiler Detrusor kann mit einer vorübergehenden suprapubischen Harndauerableitung behandelt werden. Sie sollte Tag und Nacht über mindestens zwölf Wochen erfolgen. Die Therapie ist erfolgreich, wenn die Restharnmenge unter 100 ml liegt, weniger als drei Zystitiden pro Jahr und keine Pyelonephritiden auftreten. Unterstützend kann eine Pharmakotherapie mit einem Cholinergikum oder einem Alphablocker erfolgen. Wenn diese Maßnahmen nicht erfolgreich sind, kommen die chronische Sakralwurzelstimulation, die intravesikale Elektrotherapie oder ein sauberer Einmalkatheterismus als Behandlungsmöglichkeiten infrage.Gegen Nykturie kann Desmopressin helfen
Liegt ein hypoaktiver Sphinkter vor, empfehlen die DGN-Experten primär ein Beckenbodentraining, das in Studien bei qualifizierter Anleitung zu einer Symptomverbesserung geführt hat. Die Evidenz für die günstigen Effekte des Biofeedbacktrainings ist demgegenüber geringer. Die Therapie mit Duloxetin kann bei leichter bis mittlerer Inkontinenz sinnvoll sein, ist aber nur für die Harnbelastungs-Inkontinenz gesichert. Sind konservative Therapien nicht ausreichend, hilft gegebenenfalls ein artifizielles Sphinktersystem oder die transurethrale Unterspritzung des Sphinkters mit sogenannten Bulking agents. Liegt eine Nykturie vor und wurden andere Ursachen einer nächtlichen Polyurie (z.B. Diabetes, abendliche Diuretikaeinnahme) ausgeschlossen, kann Desmopressin eingesetzt werden. Die abendliche Trinkmenge sollte dabei reduziert werden. Ein Versuch mit einem Antimuskarinikum ist nach Leitlinie bei verminderter Blasenkapazität aufgrund eines hyperaktiven Detrusors möglich.Quelle: Haensch CA et al. S1-Leitlinie Diagnostik und Therapie von neurogenen Blasenstörungen, AWMF-Register-Nr. 030/121, www.awmf.org
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