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Enuresis bei Erwachsenen von überaktiver Blase und Co. abgrenzen

Enuresis bezeichnet eine psychosomatisch bedingte Harninkontinenz nach dem fünften Lebensjahr, erklärte Dr. Ulrike Hohenfellner, niedergelassene Urologin aus Heidelberg. Von primärer Enuresis spricht man, wenn die Betroffenen seit dem Kleinkindalter noch nie längere Kontinenzphasen von mehr als sechs Monaten erreicht haben. Bei sekundären Formen tritt das Einnässen wieder auf, nachdem bereits eine Kontinenz vorlag. Beide Formen findet man in allen Altersklassen. Zum Arzt gehen Erwachsene oft erst, wenn Inkontinenzepisoden auch im Wachzustand auftreten.
Zunächst müssen andere organische und psychosomatische Ursachen ausgeschlossen werden. Dazu gehören neurogene und durch Beckenbodeninsuffizienz bedingte Schäden genauso wie funktionelle obstruktive Miktionsstörungen bei somatoformer überaktiver Blase. Auslöser der Enuresis ist eine gelegentlich kurzzeitige Hypoaktivität des Sphinkters bei ansonsten normaler Funktion. Dadurch lässt sich dieses Krankheitsbild klar von der überaktiven Blase abgrenzen, bei der man eine situativ bedingte oder permanente Hyperaktivität des Sphinkters findet, erklärte die Referentin.
Manchmal gehen nur kleine Harnmengen verloren
Durch die unwillkürliche Relaxation des Sphinkters wird im Prinzip die physiologische Miktion eingeleitet. Bei Kindern läuft die Blase dabei komplett aus, bei Jugendlichen und Erwachsenen im Wachzustand werden manchmal nur kleine Harnmengen verloren. Dies hänge vor allem davon ab, ob den Patienten das willkürliche Ansteuern und aktive Anspannen des Sphinkters gelingt.
Die Basisdiagnostik mit Urinsediment, körperlicher Untersuchung, orientierendem neurologischem Status, Sonographie der Harnorgane, Uroflow und Urodynamik fällt bei Enuresis typischerweise komplett unauffällig aus. Urozystographie und digitale Beckenbodenuntersuchung ergeben ebenfalls einen Normalbefund und der unwillkürliche Harnabgang lässt sich nicht durch Husten provozieren. Oft fällt aber auf, dass es Betroffenen sehr schwer fällt, den Sphinkter willentlich anzuspannen.
Ähnlich wie bei der somatoformen überaktiven Blase findet man bei Enuresis häufig eine Selbstwertregulationsstörung mit sozialer Unsicherheit, Ängsten, Bindungsstörungen und einem negativen Selbstbild. Bei Jugendlichen und Erwachsenen zeigen sich gehäuft Vernachlässigung, Deprivation, emotionale Ausbeutung und sexueller Missbrauch in der Anamnese.
Unnötige Operationen verschärfen das Problem
Die Behandlung erfordert immer ein multimodales Therapiekonzept, betonte die Urologin. Dazu gehört Beckenbodentraining, aber auch eine Adressierung der psychosozialen Belastung sowie ein Selbstwert- und soziales Kompetenztraining. Besonders warnte Dr. Hohenfellner in diesen Fällen vor unnötigen Kontinenz-Operationen. Das Problem werde dadurch in der Regel eher verschärft und Enttäuschung und Zorn der Betroffenen richteten sich dann nicht selten gegen den Operateur.
Quelle: 70. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie
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