Ist diese CIDP refraktär?

DGN 2023 Friederike Klein

Die Frage, wann eine CIDP therapierefraktär ist, sei nicht einfach zu beantworten, so der Experte. Die Frage, wann eine CIDP therapierefraktär ist, sei nicht einfach zu beantworten, so der Experte. © Vitalii Vodolazskyi - stock.adobe.com

Schlägt die Standardtherapie bei chronischer inflammatorischer demyelinisierender Polyneuropathie nicht an, könnte es sich um eine Fehldiagnose handeln – oder die Dosierung zu niedrig gewählt sein.

Eine 40-jährige Patientin kam mit einer distal symmetrischen Polyneuropathie zu Prof. Dr. Helmar Lehmann, Direktor der neurologischen Klinik am Klinikum Leverkusen. Die Polyneuropathie war relativ rasch progredient, die Frau wies eine hochgradig sensible Ataxie und einen Tremor auf. Die Neurografie belegte eine Demyelinisierung und die Patientin erhielt die Diagnose chronische inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP). Sie wurde über drei Monate leitliniengerecht mit intravenösen Immunglobulinen (IVIg) behandelt: Zunächst 2 g/kg (Gesamtdosis) über 2–5 Tage verteilt, dann 1 g/kg (Gesamtdosis) alle vier Wochen.

Richtig gut ging es der Patientin nach drei Monaten allerdings nicht, auch wenn sie wieder arbeiten gehen konnte, berichtete Prof. Lehmann. Sie fühlte sich immer noch beeinträchtigt und hatte Symptome. Die Frage, wann eine CIDP therapierefraktär ist, sei nicht einfach zu beantworten, so der Experte. Etwa drei Viertel der Patienten sprechen auf die Therapie an, aber im Median erst nach 9,7 Wochen. Die Hälfte aller Erstbehandelten verbessert sich erst ab Woche 12. „Deshalb sollte man nicht zu früh die Flinte ins Korn schmeißen“, riet Prof. Lehmann.

Ein fehlendes oder nicht ausreichendes Ansprechen auf IVIg kann verschieden Ursachen haben. So kann die Diagnose CIDP nicht stimmen oder die Dosis der Medikation nicht hoch genug sein. In der retrospektiven Auswertung einer Kohorte von 59 CIDP-Patienten, die sich in einer Spezialambulanz vorgestellt hatten, litten 47 % gar nicht an CIDP. In einer weiteren Studie entpuppte sich eine vermeintlich therapierefraktäre CIDP bei 54 % der Patienten als Fehldiagnose. Am häufigsten verbarg sich eine amyotrophe Lateralsklerose (ALS), eine idiopathische Neuropathie, eine Small-Fiber-Neuropathie oder eine multifokale motorische Neuropathie hinter den anhaltenden Beschwerden.

Spricht ein Patient mit CIDP nicht auf eine angemessen dosierte und ausreichend lange durchgeführte Therapie an, sollte daher immer noch einmal die Diagnose überprüft werden, so Prof. Lehmann. Auch an Paranodopathien müsse gedacht werden, denn diese sprechen ebenfalls nicht gut auf IVIg an. Diagnosesichernd ist der Nachweis von Autoantikörpern gegen Strukturen der Ranvier‘schen Schnürringe wie Neurofascin 155, Contactin-1 oder Caspr1.

Stimmt die Diagnose CIDP und bleibt die Therapie erfolglos, ist möglicherweise die IVIg-Standarddosis für die Betroffenen nicht ausreichend. „Manche Patienten benötigen mehr als 2 g/kg und werden bei Standarddosierung fälschlich als refraktär eingestuft“, sagte Prof. Lehmann. In der Praxis könnten sowohl höhere als auch niedrigere Dosen als der Standard geboten sein. Ob der IgG-Serumspiegel bei der Entscheidung über die individuell optimale Dosis helfen kann, ist unklar, da die Patienten eine sehr unterschiedliche Kinetik im Serum zeigen.

Um die Wirksamkeit der Therapie im Verlauf zu erfassen, empfiehlt Prof. Lehmann den Inflammatory Rasch-built Overall Disability Score (I-RODS). Es handelt sich um einen Fragenbogen zum Einfluss der Symptome auf Aktivitäten des täglichen Lebens, den der Patient selbst ausfüllt. Die Werte reichen von 0 bis 100. Eine Verbesserung um 4 Punkte wird als Therapieansprechen gewertet.  Der Score ist laut Prof. Lehmann sehr valide und reliabel. Ferner korreliert er gut mit dem subjektiven Verlauf und objektiven Diagnosekriterien. Er hilft auch dem Patienten in der Sprechstunde, die Entwicklung seiner Symptome zu verdeutlichen.

Wenn die Diagnose CIPD gesichert und das Ansprechen auf IVIg gering ist, gibt es keine Zweitlinientherapie mit Evidenz aus randomisiert-kontrollierten Studien. Auf häufig eingesetzte Wirkstoffe wie Azathioprin, Cyclophosphamid, Mycophenolat-Mofetil oder Cyclosporin A sprechen etwa die Hälfte der Patienten an. Selten werden auch Kombinationen eingesetzt, z.B. Immunsuppressiva plus Steroide oder Steroide plus Plasmapherese. Prof. Lehmann setzt häufig Rituximab und Immunglobuline ein. Wunder könne man davon jedoch nicht erwarten: Es geht den Patienten häufig nur kurz besser und dann wieder schlechter. „Erst über einen längeren Zeitraum zeigt sich meist eine klinische Besserung“, so der Experte.

Quelle: 96. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie

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