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Polyneuropathien bei Zuckerkranken müssen nicht diabetesbedingt sein

Polyneuropathien (PNP) beschreiben eine heterogene Gruppe von Erkrankungen, die die peripheren Nerven betreffen. Sie äußern sich z.B. durch Kribbeln, Taubheitsgefühl, Schmerzen und motorische Ausfälle – einzeln oder in Kombination. Das anatomische Verteilungsmuster (distal, proximal etc.), die Art der Schädigung (axonal vs. demyelinisierend) inklusive elektrophysiologischer Untersuchung (Neurographien, Elektromyogramm) und der Zeitverlauf (akut vs. chronisch) geben wichtige Hinweise für die Diagnosestellung.
Außerdem sollten Sie in Erfahrung bringen, ob die Erkrankung monophasisch, progredient oder rezidivierend verläuft. Um den Auslöser zu eruieren, ist die ausführliche Anamnese (s. Kasten unten) entscheidend. Zusätzlich kommen laborchemische und liquoranalytische Tests zum Einsatz. In Einzelfällen sind auch Tumorsuche und/oder eine Hautbiopsie sinnvoll.
Ätiologie mittels Anamnese eingrenzen
- Komorbiditäten
- Medikation
- Exposition gegenüber Neurotoxinen
- familiären Häufungen
Sensible Symptome vs. motorische Ausfälle
Die häufigste Ursache erworbener PNP ist der Diabetes. Die Angaben zur Prävalenz unterscheiden sich in der Literatur stark, schreiben Stefanie Glaubitz und Kollegen von der Klinik für Neurologie in der Universitätsmedizin Göttingen. Beim Typ 1 wird sie mit 8–54 % angegeben, unter Typ-2-Diabetikern beträgt die Prävalenz 13–46 %. Typischerweise handelt es sich um eine distal symmetrische, sensomotorische Polyneuropathie (DSPN). Diese schreitet nur langsam voran. Sensible Symptome stehen im Vordergrund und die Neurographie zeigt eine herabgesetzte Nervenleitgeschwindigkeit (Demyelinisierung). Neben der DSPN gibt es noch andere diabetesbedingte Neuropathien, die i.d.R. ein asymmetrisches Verteilungsmuster sowie meist axonale Schädigungen aufweisen:- proximale diabetische Radikulopathie vom Multiplex-Typ
- diabetische Radikulopathie
- kraniale Mononeuropathien (z.B. Okulomotoriusparese)
- autonome PNP
Kardinalsymptome von diabetischer PNP und Polyradikuloneuritis (CIDP) | ||
---|---|---|
Diabetische Polyneuropathie | CIDP | |
Zeitverlauf | chronisch, schleichend | subakut, innerhalb acht Wochen, rasche Entwicklung und Progredienz |
Verteilungsmuster | meist distal, symmetrisch, sensible Schädigung überwiegt (insbesondere DSPN) | meist proximale und distale, symmetrische, sensomotorische Schädigung |
Hirnnervenbeteiligung | bei asymmetrischen Formen meist Okulomotoriusparese | selten kraniale Beteiligung |
Autonome Symptome | häufig (Gastroparese, Ruhetachykardien) | selten |
Labordiagnostik | Nüchternglukose erhöht, HbA1c erhöht | unauffällig, ggf. nodale und paranodale Antikörper |
Elektrophysiologische Untersuchungen | Diagnosekriterien nach EFNS* in der Regel nicht erfüllt, insbesondere auch axonale Schädigung (bei asymmetrischen Formen) | Diagnosekriterien nach EFNS* erfüllt |
Lumbalpunktion | keine Auffälligkeiten | Eiweißerhöhung, milde Pleozytose |
Ansprechen auf Optimierung der Stoffwechsellage | Besserung | weitere Zunahme der Symptomatik |
Therapieansprechen auf Immunmodulatoren | keine Besserung | gutes Ansprechen auf die Therapie |
* Europäische Föderation Neurologischer Gesellschaften |
Plasmapherese als letzte Option
Bei unzureichendem Behandlungserfolg kann zusätzlich immunsuppressiv therapiert werden (z.B. mit Azathioprin, Mycophenolat oder Cyclosporin). Führt auch dies nicht zum gewünschten Ansprechen, kommt die Plasmapherese als Option in Betracht. Aufgrund der vielversprechenden Therapiemöglichkeiten, so das Fazit der Göttinger, ist es umso wichtiger, jene Patienten zu identifizieren, bei denen eine solche behandelbare Neuropathie vorliegt.Quelle: Glaubitz S et al. internistische praxis 2019; 61: 101-111
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