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Bei Paresen nach einem Infekt an Guillain-Barré-Syndrom denken
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Die klassische Form des Guillain-Barré-Syndroms (GBS) ist eine akute inflammatorische Polyradikuloneuropathie mit T-Zell- und Makrophagen-Infiltration, Demyelinisierung und sekundärer axonaler Degeneration durch Antikörper. Davon zu unterscheiden ist eine akute axonale Motoneuropathie, die sich als primärer axonaler Schaden ohne substanzielle T-Zell-Entzündung und Demyelinisierung manifestiert, schreiben Professor Dr. Nortina Shahrizaila von der Medizinischen Fakulät der Universität von Malaya in Kuala Lumpur.
Klinische Schlüsselfaktoren
- neurologisches Muster entspricht eindeutig GBS oder Miller-Fisher-Syndrom
- elektrophysiologische Untersuchung zeigt sensomotorische Neuropathie
- Liquoruntersuchung ergibt zytoalbuminäre Dissoziation
- vorausgehende monophasische Krankheit (bis etwa vier Wochen vor Symptombeginn)
- IgG gegen neurale Strukturen (Antigene) vorhanden
Klassischer Typ durch SARS-CoV-2
Obwohl die kausalen Nachweise bislang noch ausstehen, scheint SARS-CoV-2 den klassischen Phänotyp zu induzieren – beginnend etwa zwei Wochen nach der Infektion. Es kommt zur albuminozytologischen Dissoziation im Liquor (erhöhtes Albumin bei normaler Zellzahl) und einer vorwiegend demyelinisierender Neuropathie. Wenn sich das GBS mit der charakteristischen symmetrisch progredienten, aufsteigenden, schlaffen Parese und abgeschwächten Reflexen präsentiert, ist es nicht schwer zu diagnostizieren. Nutzt man allerdings nur die klassischen Diagnosekriterien, könnten atypische Varianten mit Befall kranial innervierter oder respiratorischer Muskeln, autonomer Beteiligung oder lokal begrenzten Muskelschwächen übersehen werden. Bei Kindern besteht manchmal das Problem, dass mit dem Guillain-Barré-Syndroms Schmerzen einhergehen, die eine zugrunde liegende Muskelschwäche maskieren. Der Nachweis einer verminderten Nervenleitgeschwindigkeit kann die Diagnose unterstützen und zwischen dem axonalen und demyelinisierenden Subtyp unterscheiden. Charakteristisch ist auch die zytoalbuminäre Dissoziation im Liquor, wenngleich die Ergebnisse beider Tests in frühen Stadien noch negativ sein können.Risiko für Nervenschäden vor allem in der Akutphase
Die Progression des Syndroms muss engmaschig überwacht werden, insbesondere bei einer bulbären Manifestation, bei respiratorischer Insuffizienz und autonomer Dysfunktion. Vor allem in der akuten Phase der ersten beiden Wochen ist das Risiko für Komplikationen und Nervenschäden hoch, erinnern die Kollegen. Generell heilt das GBS spontan wieder ab. Intravenöse Immunglobuline (2 g/kgKG über fünf Tage) und Plasmaaustausch (4–5 Sitzungen à 50 ml/kgKG) sind bisher die einzigen Immuntherapien, mit denen sich die Erholung der Patienten beschleunigen lässt. Einen Nervenschaden bremsen sie jedoch nicht. Die meisten Patienten sprechen gut auf die Immuntherapien an. Doch ein Teil behält Behinderungen. Etwa 20 % der Betroffenen können auch nach einem Jahr noch nicht wieder selbstständig gehen – rund 5 % sterben an dem Syndrom. Prädiktoren für ein schlechtes klinisches Ergebnis sind höheres Lebensalter, vorausgehende Infektion mit Campylobacter jejuni, beatmungspflichtige respiratorische Insuffizienz und der axonale Subtyp des Guillain-Barré-Syndroms. Auch Serum-Marker wie niedriges Albumin, geringer Anstieg der Immunglobuline und hohe Spiegel der neurofilament light chain stehen mit einer schlechteren Prognose in Verbindung. Neben den bisher verfügbaren NINDS- und Brighton-Collaboration-Kriterien für die GBS-Diagnose hat man verschiedene Prognosemodelle (mEGOS und EGRIS ) entwickelt, um die Patientenversorgung zu verbessern. Bedarf besteht auch an neuen krankheitsmodifizierenden Therapien, die das Ausmaß des Nervenschadens begrenzen können, betonen die Autoren. Aussichtsreiche Kandidaten, die derzeit in klinischen Studien untersucht werden, sind Komplement-Inhibitoren.Quelle: Shahrizaila N et al. Lancet 2021; DOI: 10.1016/S0140-6736(21)00517-1
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