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COVID-19: Anhaltende kognitive und affektive Probleme auch nach blanden Verläufen

Neuronale Funktionsstörungen treten nicht nur im Rahmen einer akuten SARS-CoV-2-Infektion auf, sondern auch als sogenanntes Post-COVID-Syndrom. Für die Akutsituation ist belegt, dass rund 10 % der hospitalisierten COVID-19-Patienten und mehr als zwei Drittel aller intensivmedizinisch behandelten Patienten an Enzephalopathien mit Verwirrtheitszuständen und Vigilanzminderung leiden.
Akute zerebrovaskuläre Erkrankungen – maßgeblich bedingt durch eine inflammatorische Hyperkoagulabilität – treten bei rund 5 % der hospitalisierten Patienten auf, berichten Professor Dr. Peter Berlit von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie in Berlin und seine Kollegen. Andere akute Komplikationen sind erregerbedingte Enzephalitis, autoimmune Enzephalomyelitis und Epilepsie. Neurologische Manifestationen verschlechtern die Heilungschancen und erhöhen die Akutsterblichkeit. Zudem haben neurologische Vorerkrankungen negativen Einfluss auf den Infektionsverlauf. Besonders hoch ist das Risiko, an Pneumonie oder Multiorganversagen zu sterben, bei vorbestehender Demenz.
Kognitive Leistungseinbußen, die im zeitlichen Zusammenhang mit einer SARS-CoV-2-Infektion auftreten, werden unter den Begriffen Post-COVID-Syndrom oder kognitives COVID-Residualsyndrom zusammengefasst. Vermutlich nimmt das Gehirn durch metabolische, hypoxische und inflammatorische Vorgänge Schaden. Im Detail sind die zugrunde liegenden Pathomechanismen nicht geklärt.
Aussagen zur Prognose von Post-COVID-Syndromen lassen sich derzeit nicht machen. Unklar ist auch, ob schwere Akutverläufe für kognitive Probleme prädisponieren. Auch Patienten mit blandem Akutverlauf können ein Post-COVID-Syndrom entwickeln, schreiben die Autoren.
Betroffen sind keineswegs nur ältere Menschen. Hohes Alter und Multimorbidität sind zwar Risikofaktoren für das Auftreten der neuronalen Komplikationen, aber auch rund ein Viertel der jüngeren Patienten klagen nach durchgemachter Erkrankung über kognitive Beeinträchtigungen. Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsstörungen können mit einer eingeschränkten Fähigkeit zur Verhaltenskontrolle – einem Dysexekutiv-Syndrom – zusammengehen. Nicht selten sind kognitive Defizite von Antriebsverlust und erhöhter Ermüdbarkeit im Sinne einer Fatigue unterlagert. Bei Patienten, die in der Klinik behandelt werden mussten, findet sich zehn Wochen nach der Entlassung bei mehr als der Hälfte ein Erschöpfungssyndrom. Betroffen sind keinesfalls nur diejenigen mit schweren bis kritischen Akutverläufen.
Obwohl SARS-CoV-2 neuroinvasives Potential besitzt, sind die beobachteten kognitiven Störungen in den wenigsten Fällen auf den direkten Erregerbefall des Gehirns zurückzuführen. Ein Virusnachweis im Liquor gelingt nur sehr selten. Was man aber häufig findet, sind Entzündungsmarker sowie Autoantikörper gegen verschiedene Epitope des zentralen Nervensystems. Man geht davon aus, dass Strukturähnlichkeiten zwischen Virus und Nerven autoimmun-entzündliche Reaktionen hervorrufen können. Nach aktuellem Verständnis dürften inflammatorische Nervenschäden, aber auch vaskuläre Pathomechanismen bei den Funktionsausfällen eine maßgebliche Rolle spielen.
Spezifische Therapien für die kognitiven Residualsyndrome gibt es bislang nicht. Interessante Arzneimittelkandidaten sind Adamantane wie Memantin, die NMDA(N-Methyl-D-Aspartat)-antagonistische und antivirale Effekte besitzen. Auch für die Behandlung von Stressreaktionen und Depressionen infolge einer SARS-CoV-2-Infektion gibt es keine einheitlichen Empfehlungen. Zu bedenken ist, dass sowohl kognitive als auch affektive Schwierigkeiten nicht nur auf die somatischen Störungen zurückzuführen sind. Auch Aspekte wie Isolation, Einschränkungen im Arbeits- und Privatleben sowie die veränderte Lern- und Lebenssituation für Kinder und Jugendliche haben in dieser Hinsicht ein bislang nicht abzuschätzendes pathogenes Potenzial.
Quelle: Berlit P et al. Dtsch Med Wochenschr 2021; 146: 671-676; DOI: 10.1055/a-1468-1529
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