Das „Herz auf einem Chip“ soll Medikamente sicherer machen

Dr. Sascha Bock

Mit einem menschlichen Organ hat das Gerüst auf den ersten Blick wenig zu tun. Mit einem menschlichen Organ hat das Gerüst auf den ersten Blick wenig zu tun. © University of Toronto

Es ist Herzmuskelgewebe und es schlägt im Takt – aber nicht im Brustkorb, sondern auf einer Art Computer-Chip. Forscher haben aus humanen Stammzellen ein Modell angefertigt, mit dem sich z.B. kardiotoxische Effekte von Medikamenten in der Entwicklung erkennen lassen, bevor Menschen in Studien zu Schaden kommen.

Zwar können menschliche Kardio-myozyten nicht einfach per Biopsie „geerntet“ und vervielfältigt werden. Doch die Herstellung von Herzmuskelzellen in der Petrischale ist heutzutage quasi ein Klacks. Mit speziellen Protokollen zur Differenzierung gelingt die Konversion von humanen embryonalen oder induzierten pluripotenten Stammzellen in kardiales Gewebe, erklärte Professor Dr. Milica Radisic vom Institute of Biomaterials and Biomedical Engineering der University of Toronto.

Die differenzierten Zellen weisen allerdings einen geringen Reifungsgrad auf. Schon ein Blick durchs Mikroskop zeigt, dass sie wenig mit adulten Kardiomyozyten gemeinsam haben. Auch ihre Kontraktionsfähigkeit kommt nicht an das „Original“ heran. Um diese Limitationen zu überwinden, stellte die Expertin zusammen mit ihrem Team bereits 2013 eine Art biologisches Kabel vor, an dem Herzmuskelzellen in einer dreidimensionalen Struktur weiter reifen können.1

Spontane Kontraktion 
in der Petrischale

Mittels elektrischer Stimulation organisieren sich die Myofibrillen und die elektrophysiologischen Eigenschaften verändern sich, was zu einer besseren Leitfähigkeit führt. Zudem zeigte sich, dass die Kardiomyozyten nicht nur spontan kontrahieren, sondern auf die Zugabe von Adrenalin mit einer Frequenzsteigerung reagieren. Um menschliches Herzmuskelgewebe vollends nachzubilden, fehlt jedoch noch ein wichtiger Aspekt: die Vaskularisierung. Schließlich erfolgt die zelluläre Aufnahme von O2, Nähr- und Wirkstoffen in vivo i.d.R. über den Blutkreislauf. Deshalb folgte kürzlich der nächste Coup der kanadischen Forscher: das „Herz auf einem Chip“.2 Zu dessen Entwicklung machten sich die Experten den Aufbau von Computer-Chips zunutze.

Herz auf einem Chip

Um ein flexibles dreidimensionales Gerüst aus verzweigten Mikrokanälen, die mit Endothelzellen ausgekleidet sind, befindet sich eine millimeterdicke Schicht von Kardiomyozyten. Nanoporen und Mikrolöcher in den künstlichen Gefäßwänden gewährleisten die Permeabilität und erlauben eine interzelluläre Kommunikation. Auch dieses Miniatur-Herzgerüst kontrahiert spontan und spricht auf „intravaskulär“ verabreichte Substanzen an. Im Tierversuch gelang nach Anastomosierung mit den Beingefäßen einer Ratte die unmittelbare Perfusion des Gewebes. Der Nutzen dieser Biotechnologie beschränkt sich zunächst auf die Arzneimittel- und Krebsforschung. In der Vergangenheit scheiterten viele Präparate erst nach Markteinführung, erinnerte Prof. Radisic. Mit dem Herz in der Petrischale könnten z.B. potenziell kardiotoxische Effekte einer Substanz frühzeitig erkannt werden. Je mehr das Gewebe dem des echten Myokards ähnelt, desto genauer fallen die Ergebnisse von Medikamententests aus. Ein therapeutischer Einsatz ist zwar durchaus auch denkbar – derzeit aber noch Zukunftsmusik.

1 Nunes SS et al. Nat Methods 2013; 10: 781-787
2 Zhang B et al. Nat Mater 2016; 15: 669-678

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Mit einem menschlichen Organ hat das Gerüst auf den ersten Blick wenig zu tun. Mit einem menschlichen Organ hat das Gerüst auf den ersten Blick wenig zu tun. © University of Toronto