Das ist bei assoziierten neurologischen Symptomen zu beachten

Dr. Andrea Wülker

Ischämischen Schlaganfällen, die in Verbindung mit COVID-19 stehen, liegt oft der Verschluss einer großen Arterie zugrunde. Ischämischen Schlaganfällen, die in Verbindung mit COVID-19 stehen, liegt oft der Verschluss einer großen Arterie zugrunde. © Tshidzumba/peopleimages.com – stock.adobe.com; SPL_VSEVOLOD ZVIRYK

Neurologische Komplikationen sind bei einer SARS-CoV-2-Infektion relativ selten, doch können sie tödlich enden oder langfristige Folgen haben. Deshalb sollte man bei einigen Krankheitsbildern wie Guillain-Barré-Syndrom oder Schlaganfall differenzialdiagnostisch auch an ­COVID-19 denken.

Zwar ist SARS-CoV-2 kein klassisches neurotropes Virus, das bevorzugt Nervenzellen infiziert, aber es kann dennoch Schäden im Nervensystem anrichten, schreibt ein Team um Dr. ­Rachel ­Brown vom University College London. Dabei dürften systemische Prozesse wie eine fehlregulierte inflammatorische oder Immunantwort bzw. eine Vaskulopathie eine Rolle spielen.

Zu den neurologischen Syndromen, die im Zusammenhang mit COVID-19 beschrieben wurden, zählen u.a.

  • Schlaganfall, zerebrale Sinusvenenthrombose
  • entzündliche ZNS-Syndrome wie Enzephalitis, akute nekrotisierende Enzephalopathie und akute disseminierte Enzephalomyelitis
  • Enzephalopathie
  • Guillain-Barré-Syndrom

Diagnose und Management von ­mit COVID-19 assoziierten neurologischen Störungen basieren zum einen auf einer detaillierten Ana­m­nese, in der u.a. der Zeitraum zwischen Infektion und Symptombeginn erfasst werden sollte.

Neuropsychiatrische Störungen bei Long COVID

Symptome, die vier bis zwölf Wochen nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 anhalten und die nicht durch eine andere Diagnose zu erklären sind, fasst man unter dem Begriff Long COVID zusammen. Zu den neurologischen und psychiatrischen Symptomen, von denen Betroffene berichten, gehören unter anderem:

  • Kopfschmerzen
  • Brain Fog
  • Schlafstörungen
  • Anosmie
  • kognitive Störungen
  • Angst
  • Fatigue

Wie es zu diesen Manifestationen kommt, ist weitgehend unklar. Um für Betroffene wirksame Therapien entwickeln zu können, braucht es weitere Forschungsbemühungen.

Interdisziplinäres Vorgehen sinnvoll

Zum anderen ist eine sorgfältige klinische Untersuchung und die angemessene Interpretation von radiologischen und Labordaten essenziell. In schwierigen Fällen (z.B. komplexer Schlaganfall) hat sich eine multidisziplinäre Zusammenarbeit bewährt.

Vor allem ischä­mische Schlaganfälle, die durch den Verschluss eines gro­ßen arteriellen Gefäßes (LVO, large vessel arterial occlusion) bedingt sind, treten im Zusammenhang mit ­COVID-19 auf. Deren Management orientiert sich an den allgemeinen Leitlinien zur Schlaganfallbehandlung. Eine mechanische Thromboektomie bzw. Thrombolyse ist innerhalb eines engen Zeitfensters möglich. Allerdings scheinen die Ergebnisse bei LVO schlecht zu sein. Eine Metaanalyse, die die Daten von 2.000 Patienten berücksichtigte, belegte protektive Effekte einer Anti­koagulation. Die Entscheidung dafür oder dagegen sollte in einem multidisziplinärem Team getroffen werden. Bei der zerebralen Sinusvenenthrombose orientiert sie sich an den nationalen Leitlinien für entsprechende Fälle, die vor der Pandemie erstellt wurden.

Neurologische Komplikationen durch Coronaimpfungen?

Dass Impfprogramme die Inzidenz und den Schweregrad von COVID-19 reduzieren, ist gut dokumentiert. Zwar wurden vektorbasierte Impfstoffe mit einigen wenigen neurologischen Komplikationen (Guillain-Barré-Syndrom, zerebrale Venensinusthrombose) in Verbindung gebracht. Doch lässt die aktuelle Studienlage den Schluss zu, dass das Risiko für neurologische Ereignisse aufgrund einer SARS-CoV-2-Infektion bei Weitem größer ist als das Risiko nach einer Impfung.

Inflammatorische Erkrankungen des zentralen Nervensystems wie Enzephalitis oder akute disseminierte Enzephalomyelitis werden mit Kortikosteroiden behandelt. In therapierefraktären Fällen kommen intravenöse Immunglobuline oder ein Plasmaaustausch infrage. Bei zentralen nicht-inflammatorischen Erkrankungen (z.B. Enzephalopathie) kann eine Therapie analog zur Enzephalitis erwogen werden. Ansonsten besteht die Behandlung aus supportiven Maßnahmen, schreiben Dr. Brown und ihre Kollegen.

Immunglobuline so wirksam wie Plasmapherese

Ein Guillain-Barré-Syndrom wird heutzutage genauso behandelt wie vor der Pandemie; intravenöse Immunglobuline und Plasmapherese führen zu ähnlichen Therapieerfolgen. Neue Daten unterstreichen den sekundären Nutzen einer sys­temischen Behandlung bei neurologischen Komplika­tionen einer SARS-CoV-2-Infektion.

So ergab eine retrospektive Beob­achtungsstudie mit fast 185.000 stationär behandelten Patienten, dass diejenigen, die Dexamethason und Remdesivir erhielten, seltener neurologische Ereignisse wie Schlaganfall, Krampfanfall, Meningitis oder Enzephalitis erlitten als diejenigen, die eine Standardbehandlung bekamen. Dexamethason reduzierte die Schlaganfallinzidenz sowohl in schweren als auch in nicht-hypoxämischen Fällen. Das spricht dafür, dass bei einem COVID-19-assoziierten Schlaganfall Entzündungsprozesse eine Rolle spielen. Die positiven Effekte von Dexamethason, Remdesivir oder einer Kombination hinsichtlich Krampfanfällen und anderer neurologischer Manifestationen könnten multifaktoriell bedingt sein, so die Autoren.

Quelle: Brown RL et al. BMJ 2023; 382: e073923; DOI: 10.1136/bmj‑2022‑073923

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Ischämischen Schlaganfällen, die in Verbindung mit COVID-19 stehen, liegt oft der Verschluss einer großen Arterie zugrunde. Ischämischen Schlaganfällen, die in Verbindung mit COVID-19 stehen, liegt oft der Verschluss einer großen Arterie zugrunde. © Tshidzumba/peopleimages.com – stock.adobe.com; SPL_VSEVOLOD ZVIRYK