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Das Konzert der Organe

Jahrzehntelang forschte der frühere ärztliche Direktor am Universitätsklinikum Tübingen und Vorstand des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung an der Entstehung des Typ-2-Diabetes. „Keine einfache Aufgabe“, da die Manifestation dieses Diabetestyps „wahrscheinlich eine lebenslange Änderung der Pathophysiologie vorausgeht.“ Wichtige Erkenntnisse zur Insulinsekretion und -sensitivität erlangte Prof. Härings interdisziplinäre Arbeitsgruppe durch die Tübingen Familiy Study (TÜF), mit systematischen Follow-ups (seit 1996) von mehr als 7.000 Prädiabetikern und zahlreichen Organphänotypisierungen. In 2021 publizierte sein Kollege Prof. Dr. Robert Wagner 6 Phänotyp-Cluster des Prädiabetes. Patienten können anhand dieser Cluster nun gezielter hinsichtlich ihrer Gefährdung eingeteilt und individuell präventiv therapiert werden.
Subtile Veränderung im Gehirn
„Das Hirn spielt bei der Entstehung des Prädiabetes eine große Rolle“, lautete das Fazit der nichtinvasiven Organuntersuchungen von Prof. Härings Team. Sie entwickelten ein Pathogenese-Konzept des Typ-2-Diabetes. Sehr früh im Leben, wahrscheinlich bereits im Uterus, finde eine „einigermaßen subtile Veränderung der Insulinwirkung im Gehirn“ statt. Durch das autonome Nervensystem auf den Körper übertragen, habe dieser frühe Prozess einen Anteil an der Entstehung von Übergewicht bei Energieüberschuss. Zwei Formen der Adipositas seien dabei zu unterscheiden: eine metabolisch gesunde (MHO) sowie eine metabolisch ungesunde, mit entsprechender Fettspeicherung in Leber und Pankreas vergesellschaftete Form (MUHO).
„Dieses Konzert der Organe, der Organ-Cross-Talk, führt dann, je nachdem wie sich die Subphänotypen verhalten, zu einer kompensatorischen Übersekretion oder zu einer β-Zelldysfunktion“, sagte Prof. Häring. Feed-back-Loops funktionieren bei Stoffwechselgesunden normalerweise sehr gut, sodass Fett dort gespeichert wird, wo es physiologisch auch hingehört, ins subkutane Gewebe. „Die viszerale Fettspeicherung ist eine Vorstufe zur erhöhten Fettspeicherung in der Leber. Die Insulinresistenz im Gehirn triggert einen Phänotyp, der alle Eigenschaften der metabolisch ungesunden Adipositas hat.“ Prof. Häring sieht in einer per Ultraschall oder Kernspin erkannten, zu mehr als 10 % verfetteten Leber derzeit genug Aussagekraft, um einen Patienten umgehend adäquat zu behandeln.
Quelle: Wagner R et al. Nat Med 2021; 27: 49-57; DOI: 10.1038/s41591-020-1116-9
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