Das war eng!

Dr. Elke Ruchalla

Mit nur 4,3 Fällen pro 10.000 Patientenjahre tritt eine Meralgia par­aesthetica relativ selten auf. Mit nur 4,3 Fällen pro 10.000 Patientenjahre tritt eine Meralgia par­aesthetica relativ selten auf. © iStock/ Viktoriya Kuzmenkova

Nicht jedes Engpasssyndrom gibt sich bereitwillig als solches zu erkennen. Besonders kniffelig wird es, wenn sich die Ursache der Nervenschädigung als ungewöhnlich herausstellt.

Zwölf Tage nach einer Schulteroperation erschien eine 38-Jährige zum vereinbarten Kontrolltermin beim Hausarzt. Die OP-Wunde bereitete keine Probleme, jedoch klagte die Frau über Schmerzen im linken Oberschenkel. Dorthinein hatte sie die Thromboseprophylaxe mit niedrigmolekularem Heparin (NMH) bekommen.

Beim Abtasten zeigte sich die Oberschenkelmuskulatur beidseits unauffällig, die Umfangmessung ergab seitengleiche Werte, berichtet ­Adrian ­Peissard von der Hausarztpraxis Thun. Der Kollege interpretierte die Symptomatik als direkte  Folge des Hämatoms und verschrieb Heparinsalbe. Analgetisch ließ er das postoperativ etablierte Paracetamol und Metamizol weiterlaufen.

Nach weiteren zehn Tagen suchte die Patientin erneut die Praxis auf. Die Schmerzen hatten zugenommen und wurden nun von einem Brennen über dem linken anterolateralen Oberschenkel, das bis unter das Knie zog, begleitet. Längeres Stehen oder Gehen verschlimmerte die Beschwerden, bereits leichte Berührungen, etwa durch Kleidungsstücke, waren schmerzhaft. Weiter berichtete die Frau über Schmerzen, die vom Lendenwirbelbereich bis in den linken Unterschenkel ausstrahlten. Es fielen Allodynie sowie teils Hyp- bis Anästhesie des anterolateralen Oberschenkels auf, der Lasègue-Test war bei 70 ° positiv. Unter der Annahme radikulärer Symptomatik verordnete der Kollege ein Kombinationspräparat aus ­Paracetamol und ­Codein.

Wenige Tage später ließen die Schmerzen die Frau nicht mehr aufstehen. Ein MRT der Wirbelsäule zeigte einen Diskusprolaps LWK 4/5 mit möglicher Reizung der Nervenwurzel L5. Die Schmerztherapie wurde um Oxycodon/Naloxon und Pregabalin erweitert und eine epidurale Infiltration L4/5 durchgeführt, was die lumbalen Schmerzen besserte.

Ein hinzugezogener Neurologe ordnete den Schmerz dem ­Nervus ­cutaneus ­femoralis ­lateralis zu. Es erfolgte die ultraschallgesteuerte peri­neurale Infiltration mit Lokal­anästhetikum und Steroid an der anatomischen Engstelle unterhalb des Leistenbandes und an der Stelle der vormaligen Heparininjektion – was die Schmerzen sofort zum ­Sistieren brachte. Daraufhin wurde die Diagnose Kompressionssyndrom des N. ­cutaneus ­femoralis ­lateralis gestellt, auch bekannt als ­Meralgia ­paraesthetica. Der Neurologe wiederholte die Injektion viermal.

Elf Monate nach der Heparinspritze litt die Frau noch immer an residueller Allodynie, teils verbunden mit Juckreiz und vibrierenden Parästhesien im lateralen Oberschenkel. Im distalen Drittel bestand zu diesem Zeitpunkt noch immer komplette Anästhesie.

Mit nur 4,3 Fällen pro 10.000 Patientenjahre tritt eine Meralgia par­aesthetica relativ selten auf, schreibt ­Adrian ­Peissard. Im vorliegenden Fall wurde das Engpasssyndrom wohl durch das Hämatom ausgelöst, das im Zuge der Thromboseprophylaxe entstand und auf den Nerv drückte.

Auslösersuche bleibt in vielen Fällen erfolglos

Ursächlich kommen auch zu eng sitzende Kleidungsstücke, Sicherheitsgurte oder Werkzeuggürtel infrage. Als weitere Auslöser gelten Schwangerschaft, Adipositas oder iatrogene Schädigungen, etwa Operationen an Hüfte, Wirbelsäule und Leiste. Bei fast zwei Dritteln der Patienten findet sich selbst nach intensiver Suche keine Ursache.

Die Grundlage der Diagnosestellung bilden körperliche Untersuchung und Anamnese. Die sonographiegesteuerte perineurale Infiltration ist diagnostisch und therapeutisch von Bedeutung. Als hilfreich hat sich der sogenannte ­Pelvic-Compression-Test erwiesen, bei dem seitlicher Druck am Ansatz des Oberschenkels den geschädigten Nerv entlastet und der die Schmerzen innerhalb von 45 Sekunden abklingen lässt. Zusätzlich empfehlen sich die auch sonst bei neuropathischem Schmerz eingesetzten Analgetika­.

Quelle: Peissard A. Swiss Med Forum 2022; DOI: 10.4414/SMF.2021.10077

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Mit nur 4,3 Fällen pro 10.000 Patientenjahre tritt eine Meralgia par­aesthetica relativ selten auf. Mit nur 4,3 Fällen pro 10.000 Patientenjahre tritt eine Meralgia par­aesthetica relativ selten auf. © iStock/ Viktoriya Kuzmenkova