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Dem Pathogen machtlos ausgeliefert

Wenn man über Resistenzen spricht, führt kein Weg an der WHO Priority Pathogen List vorbei. Ganz oben auf der Liste stehen Erreger wie Acinetobacter baumannii, P. aeroginosa und die Familie der Enterobacteriaceae. Sie gehören zur kritischen Gruppe und sind bereits alle gegen Carbapeneme und evtl. weitere Antibiotika resistent, erklärte Dr. Susanne Buder vom Vivantes Klinikum Neukölln, Berlin in ihrer Übersicht zu den aktuellen Resistenzentwicklungen bei sexuell übertragbaren Erkrankungen.
Neisseria gonorrhoeae
Ließ sich N. gonorrhoeae früher noch unkompliziert behandeln, so ist das therapeutische Spektrum mittlerweile stark eingeschränkt. „Wir stehen im Moment vor der Gefahr eines potenziell unbehandelbaren Erregers“, betonte Dr. Buder (s. Kasten). Die Entwicklung eines neuen Antibiotikums dauert im Schnitt zehn Jahre.
Gonokokken auf dem Weg zum Superbug
Auch wenn die Patienten mit Gonorrhö derzeit noch gut auf Ceftriaxon ansprechen. Es gibt bereits Isolate, die eine Resistenz zeigen. Wie Dr. Buder berichtete, ergab die Resistenztestung letztes Jahr für ein Isolat (Mitbringsel aus dem Südostasiatischen Raum) Resistenzen gegen Ceftriaxon, Cefixim, Ciprofloxacin, Tetracyclin und Penicillin. Zudem war es b-Lactamase-positiv. Die Expertin begrüßt es daher, dass 2022 eine Meldepflicht für N. gonorrhoeae eingeführt wurde.
Bei Gonorrhö stehen nur noch Cephalosporine zur Verfügung und von diesen bleibt eigentlich nur Ceftriaxon. Zwar ist auch bei Cefixim, einem oralen Cephalosporin, die Resistenzrate niedrig. Das liegt aber daran, dass es die letzten Jahre nicht lieferbar war, so Dr. Buder. Zudem ist es für die pharyngeale Gonorrhö ungeeignet. Hinsichtlich Azithromycin hat es in den letzten Jahren eine dramatische Resistenzentwicklung gegeben, von fast 0 % (ca. 2016) auf etwa 29 % an resistenten Isolaten im letzten Jahr. „Azithromycin ist verbrannt, das brauchen wir nicht mehr einsetzen“, lautet Dr. Buders Einschätzung. Für Tetrazykline liegt der Anteil resistenter Isolate sogar bei 80-90 %, was vor allem für die Doxy-PEP eine Rolle spielt.
Die Leitlinie zur Gonorrhö (Stand 2019) wird dieses Jahr überarbeitet. Derzeit lautet die Empfehlung noch mit 1-2 g Ceftriaxon (i.v. / i.m. einmalig) in Kotherapie mit Azithromycin zu behandeln. Letzteres wird wohl in der aktualisierten Version wegfallen, so Dr. Buder, es sei denn, es gibt eine Koinfektion zu berücksichtigen. Sie betonte zusätzlich die Wichtigkeit des Resistenzscreenings, um antibiogrammgerecht zu therapieren. Hoffnung geben derzeit Projekte zur Impfstoffentwicklung. In einer neuseeländischen Studie bot eine Meningokokken-B-Vakzine rund 30 % der Patienten einen gewissen Schutz, der drei bis sechs Monate anhielt. Zudem hat die WHO Forschungen zu einem spezifischen Impfstoff für N. gonorrhoeae angestoßen.
Mycoplasma genitalium
Da Erregern aus der Gruppe der Mycoplasmen die peptidoglycanhaltige Zellwand fehlt, bringt der Erreger bereits intrinsische Unempfindlichkeiten z.B. gegen b-Lactam-Antibiotika mit. Wirkungsvoll sind nur Antibiotika, die auf die DNA-Replikation oder Proteinbiosynthese abzielen. Dazu gehören Makrolide, Tetrazykline oder Extended-Spectrum-Fluorchinolone. Das Mycoplasmagenom ist zudem volatil und zeigt viele Resistenzmutationen. Eine Doxycyclintherapie führt nur bei 30–40 % zur Heilung.
Eine Studie des RKI mit einer MSM-Kohorte zeigte hohe Resistenzraten gegen Makrolide (92 % der Isolate) und Fluorchinolone (21 %). Bei fast allen Fluorchinolonmutationen lag auch eine Makrolidresistenz vor. Das heißt zwar nicht, dass diese Patienten nicht behandelt werden können, aber möglicherweise liegt keine therapeutische Wirksamkeit vor, erklärte Dr. Buder.
Für die Behandlung von M. genitalium gibt es keine deutsche Leitlinie. Die europäische Empfehlung lautet, nur symptomatische Patienten zu therapieren – etwa 70 % der Fälle bleiben asymptomatisch. Zum Einsatz kommt Azithromycin (Tag 1: 500 mg, Tag 2–5: 250 mg p.o. oder laut DSTIG* Tag 1: 1.000 mg, Tag 2–5: 500 mg p.o.), um die Mutationsraten möglichst gering zu halten. Bei Therapieversagen oder bekannter Makrolidresistenz wird geraten, auf Moxifloxacin (400 mg p.o., 7 Tage oder in komplizierten Fällen 14 Tage) umzusteigen. Eine generelle Resistenztestung findet in Deutschland nicht statt.
Trichomonas vaginalis
T. vaginalis sieht man in Deutschland selten, doch weltweit betrachtet ist es der häufigste Urethritiserreger. Bei Männern ist der Verlauf meist asymptomatisch, bei Frauen kommt es in etwa 70 % der Fälle zu einer Trichomonadenkolpitis mit starkem Juckreiz und einem glasig bis weißlich-grünlichem, übelriechendem Ausfluss. Durch die Infektion entstehen im Vaginalepithel kleine Mikronekrosen, die narbig abheilen. Die Narben können bei Sexualkontakt aufreißen, dadurch steigt statistisch gesehen die Übertragungsrate von HIV nach einer T. vaginalis Infektion um das 2- bis 3-Fache.
Es gibt keine deutsche Leitlinie, laut DSTIG sollte Metronidazol (400-500 mg p.o. zweimal täglich für 5-7 Tage) genommen werden. Bei Therapieversagen behandelt man weiter mit Metronidazol, denn etwas anderes gibt es nicht, erklärte Dr. Buder. Man könne Metronidazol bei Therapieversagen nur intensiver und länger geben (800 mg bis 2 g zweimal täglich für 7-14 Tage) und hoffen, dass die Nebenwirkungen nicht alles kompromittieren.
Shigella spp.
Shigellen werden über die Nahrung und kontaminiertes Wasser übertragen, aber auch eine sexueller (anal-oraler) Transfer ist möglich. Die Infektionszahlen waren bis 2022 überschaubar, dann kam es zu einem Ausbruch mit S. sonnei in Europa. Der Erreger zeigte eine hohe Resistenzrate. Besonders stark betroffen war Frankreich, aber auch in Deutschland gab es Fälle.
Die Therapie erfolgt, wenn möglich, mit Azithromycin (500 mg/d, 3 Tage), Ceftriaxon (2 g/d i.v., 5 Tage) oder Privmecillinam (400 mg dreimal täglich p.o., 5 Tage). Bei resistenten Erregern bleibt nur die Option, intensiver und länger zu behandeln oder zu kombinieren. Allerdings zeigt sich bereits eine Resistenzentwicklung gegenüber Cephalosporinen der 3. Generation, Makroliden und Flourchinolonen. Selten sieht man noch eine eingeschränkte Wirksamkeit von Carbapenemen.
* Deutsche STI-Gesellschaft
Quelle: Kongressbericht Dermatologie kompakt + praxisnah 2024
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