Den Juckreiz unter Kontrolle bringen

Dr. Susanne Gallus

Der Teufelskreis aus Juckreiz und Kratzen muss unterbrochen werden, um schmerzhafte Entzündungen der Haut zu verhindern. Der Teufelskreis aus Juckreiz und Kratzen muss unterbrochen werden, um schmerzhafte Entzündungen der Haut zu verhindern. © iStock/tylim

Quälender Juckreiz gehört zur atopischen Dermatitis ebenso dazu wie schmerzende Ekzeme. Therapeutisch gilt es, den verhängnisvollen Kreislauf aus Kratzen und überschießender Immunreaktion zu unterbrechen.

Auch wenn viele bei atopischer Dermatitis in erster Linie die störenden Hautausschläge im Blick haben: Meist sind es der quälende Juckreiz und die Schmerzen, die die Betroffenen belasten. Studienergebnisse legen nahe, dass etwa 86 % der Neurodermitispatienten an Pruritus leiden. Von kutanen Schmerzen berichten etwa 40 % der Erkrankten, schreiben Professor Dr. ­Laurent ­Misery vom Department of Dermatology and Expert Center on Pruritus vom University Hospital of Brest und Kollegen in dem Positionspapier zum Management von Juckreiz und Schmerz bei atopischer Dermatitis. 

Zudem kann der Teufelskreis aus Juckreiz und Kratzen die Hautmanifestationen deutlich verschlimmern – Infektionen inklusive. Als Pruritus-Trigger gelten Schwitzen, mechanische Reize (z.B. durch Kleidung), Wasser und Seife, andere äußere chemische und klimatische Faktoren sowie Allergene aus der Luft oder der Nahrung. Auch Stress trägt das seine bei, heißt es. Betroffene sollten versuchen, die Auslöser so weit wie möglich zu meiden. 

Medikamentös kann man über eine topische Basistherapie mit Feuchtigkeitscremes gegensteuern. In einer Studie gaben über 90 % der Befragten an, dass sich zumindest der Juckreiz durch Emollienzien abschwächen lässt. Zum schmerzlindernden Effekt hingegen gibt es kaum Daten, halten die Experten fest. 

Allerdings lässt sich mit den juckreizmindernden Cremes und Salben den schmerzhaften Läsionen in der Regel wirkungsvoll vorbeugen. Entscheidend ist, nicht an den Emollienzien zu sparen. Das gilt sowohl für den Arzt beim Verschreiben der Präparate, als auch für den Patienten bei deren Anwendung. Eine Mindestmenge von 250 g pro Woche für Erwachsene sollten es schon sein, bei jüngeren Kindern 100 g.

Das Jucken und der Schmerz

So viele Untersuchungen es zum Juckreiz bei atopischer Dermatitis gibt, so dürftig ist die Studienlage hinsichtlich der Schmerzsymptomatik. Weder für topische Kortikoidsteroide, topische Calcineurininhibitoren oder die Behandlung mit UV-Licht noch für die systemischen Therapien liegen ausreichend Daten vor, um die Effekte auf den Schmerz zuverlässig einschätzen zu können. Empfehlungen fußen in der Regel auf Expertenmeinungen und beruhen in erster Linie auf der Überlegung, dass sich eine erfolgreiche Therapie des Juckreizes auch positiv auf den Schmerz auswirken dürfte. Wer seinem Patienten mit Analgetika Linderung verschaffen möchte, sollte unbedingt auf ein an die Situation (Intensität, Alter und Patientenhistorie) angepasstes Präparat zurückgreifen.

Reicht die Basistherapie alleine zur Juckreizbekämpfung nicht aus oder handelt es sich um eine moderate bis schwere atopische Dermatitis, können topische Kortikosteroide die bessere Wahl sein. Diese Arzneistoffe wirken bei Pruritus wesentlich effektiver, sind allerdings mit den bekannten Bedenken seitens der Patienten und den entsprechenden Risiken verbunden. 

Empfohlen wird etwa 1 kg Creme pro Monat

Alternativen bieten Topika mit Pimecrolimus oder Tacrolimus. Diese wirken auf neuronaler Ebene und können sowohl Juckreiz als auch Schmerz positiv beeinflussen, schreiben die Experten. Anfangs jucken oder brennen die topischen Calcineurin-Inhibitoren allerdings, insbesondere auf stark entzündeter Haut. Ein probates Vorgehen ist es demnach, zunächst mit einem Kortikoid die Entzündung unter Kontrolle zu bringen und dann zu einem Calcineurin-Inhibitor zu wechseln.  Gleichfalls gut belegt ist die Wirkung von topischen Phosphodiesterase-4-Hemmern wie Crisaborol. Diese Wirkstoffe verringern Entzündung und Juckreiz durch Absenken der IL-4- und IL-31-Spiegel. Januskinase-Inhibitoren, die z.B. mit Tofacitinib, Delgocitinib und Ruxolitinib als Topika zur Verfügung stehen, setzen direkt an den sensorischen Nervenfasern an, wo sie die Signalweitergabe über die Zytokine blockieren.  Zwar ist derzeit die Datenlage noch recht dürftig, dennoch zeigten sich die Substanzen in Studien effektiv und können nach Einschätzung der Autoren als vielversprechende neue Behandlungsoptionen angesehen werden. Bei akuten kutanen Infektionen haben antimikrobielle Arzneimittel und Antiseptika ihre Berechtigung. Feuchte Wickel und Bandagen bieten sich als Add-on zur topischen Therapie an, da sie die Penetration der Wirkstoffe erhöhen, z.B. bei schwerem oder refraktärem Ekzem. Zudem reduzieren sie den Flüssigkeitsverlust der Haut und verhindern den Zwang zum Kratzen. Eine Therapie mit UV-Licht kann helfen, den Juckreiz zu lindern, am effektivsten sind UV-B-Strahlen. Auch Balneotherapie und psychologische Interventionen (z.B. autogenes Training) kommen in Betracht, wenn es den Patienten hilft, den Juck-Kratz-Zyklus zu durchbrechen.

Juckreiz lässt sich systemisch bekämpfen

Wie sieht es bei den Systemtherapeutika aus? Mit Ciclosporin A und Dupilumab gibt es zwei Substanzen, die einen guten Effekt auf den Juckreiz zeigen. Erstere eignet sich allerdings aufgrund der Nephrotoxizität nicht für die Langzeittherapie. Auch für Methotrexat und Mycophenolat-Mofetil wurde in einzelnen Studien die Linderung des Juckreizes gezeigt.  Systemische Steroide spielen aufgrund des ungünstigen Nebenwirkungsprofils heutzutage kaum noch eine Rolle. Antihistaminika bringen in der Regel keinen Vorteil, können aber manchmal durch ihre sedierende Wirkung punkten. In der Entwicklung sind einige weitere Sub­stanzen, die durch die Einflussnahme auf die Interleukin-Signalkaskaden auch den Juckreiz unterdrücken können. Dazu gehören z.B. Nemolizumab, Lebrikizumab oder Tralokinumab.

Quelle: Misery L et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2021; 35: 787-796; DOI: 10.1111/jdv.16916

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Der Teufelskreis aus Juckreiz und Kratzen muss unterbrochen werden, um schmerzhafte Entzündungen der Haut zu verhindern. Der Teufelskreis aus Juckreiz und Kratzen muss unterbrochen werden, um schmerzhafte Entzündungen der Haut zu verhindern. © iStock/tylim