Den Tag zur Nacht gemacht

Ulrike Viegener

Tagesschläfrigkeit zeichnet sich dadurch aus, dass die Patienten in passiven, aber auch in aktiven Situationen wie Gesprächen vom Schlaf übermannt werden. Tagesschläfrigkeit zeichnet sich dadurch aus, dass die Patienten in passiven, aber auch in aktiven Situationen wie Gesprächen vom Schlaf übermannt werden. © DC Studio – stock.adobe.com

Tagesschläfrigkeit ist ein Leitsymptom von Hyper­somnolenz-Erkrankungen zentralen Ursprungs. Aber auch Hypothyreose und obstruktive Schlafapnoe gehen mit einer Tagesschläfrigkeit einher.

Auch wenn sich viele Betroffene als „ständig müde“ bezeichnen, muss man Tagesschläfrigkeit deutlich von Tagesmüdigkeit abgrenzen. Tagesschläfrigkeit (Excessive Daytime Sleepiness, EDS) definiert sich als ausgeprägte Schläfrigkeit tagsüber bzw. zur individuell üblichen Wachzeit, schreiben Claudia Mevers und Professor Dr. Ulf Kallweit­ von der Klinischen Schlaf- und Neuroimmunologie der Universität Witten/Herdecke. Sie ist mit erhöhter Einschlafneigung und ungewolltem Einschlafen v.a. in monotonen, passiven Situationen verbunden. Aber auch in aktiveren Situationen zum Beispiel während eines Gesprächs kommt es vor, dass die Betroffenen einnicken. Besonders gefürchtet ist der Sekundenschlaf bei Autofahrern.

Tagesmüdigkeit dagegen beschreibt eine temporäre Erschöpfung nach physischer oder psychischer Anstrengung. Sie tritt in zeitlichem Zusammenhang mit der anstrengenden Tätigkeit auf, während die Tagesschläfrigkeit mehr oder weniger ständig besteht. Müde Patienten streben – im Unterschied zu schläfrigen Patienten – nicht primär nach Schlaf, sondern nach Ruhe und Entspannung. Eine pathologische chronische Müdigkeit bzw. Erschöpfung wird als Fatigue bezeichnet.

Beide Situationen erfordern eine sorgfältige differenzialdiagnostische Abklärung. Neben der Tagessymptomatik sollten in der Anamnese auch Faktoren wie Schlaflähmungen, nächtliche Schlafqualität und -dauer erfasst werden. Bei Hypersomnolenz-Erkrankungen zentralen Ursprungs – darunter fallen Hypersomnie und Narkolepsie – finden sich keine körperlichen oder psychischen Ursachen für das erhöhte Schlafbedürfnis. Allerdings kann sich eine Vielzahl anderer Erkrankungen hinter Tagesschläfrigkeit verbergen.

Diverse Medikamente machen müde

Dazu zählen Hypothyreose, obstruktive Schlafapnoe sowie Depressionen und Angststörungen. Auch eine ausführliche Medikamentenanamnese ist erforderlich, denn zahlreiche Medikamente wie z.B. Blutdrucksenker, Benzodiazepine, Antidepressiva und Neuroleptika können müde machen.

Zur Erfassung der EDS-Tagessymptomatik gibt es standardisierte Fragebögen wie die ESS (Epworth Sleepiness Scale). Weiterhin umfasst die Diagnostik eine Schlafanalyse im Schlaflabor mittels Polysomnographie. Bei Hypersomnolenz sollte sich die Schlafanalyse nach der inneren Uhr des Patienten richten und nicht zu vorgegebenen Zeiten gestartet und beendet werden.

Abgesehen von der Beurteilung des Nachtschlafs werden im Schlaflabor weitere Untersuchungen durchgeführt, um die Symptomatik zu objektivieren:

  • Der Multiple Schlaflatenz-Test (MSLT) ermittelt die Einschlaflatenz und nimmt die Schlafarchitektur genauer unter die Lupe. Besonders aufschlussreich ist das unmittelbare Auftreten von REM-Schlaf-Episoden (Sleep Onset REM, SOREM).
  • Der Multiple Wachhalte-Test (MWT) erfasst die Fähigkeit, in monotonen Situationen wach zu bleiben. Man setzt den Test allerdings nicht primär zur Diagnose ein, sondern v.a. zur Therapiekontrolle.
  • Eventuell kann auch eine Aktigraphie bei der Diagnosefindung sinnvoll sein. Dabei werden Wach- und Schlafphasen ambulant über eine bis drei Wochen überwacht.

Eine mittlere Einschlaflatenz von weniger als 8 Minuten ist ein maßgebliches Kriterium für die Diagnose von Narkolepsie und idiopathischer Hypersomnie. Zwei und mehr SOREM-Phasen untermauern den Verdacht auf Narkolepsie und schließen eine Hypersomnie aus.

Die Narkolepsie gehört zu den neurologischen Erkrankungen. Ihr liegt ein durch Autoimmunprozesse ausgelöster Hypokretin-Mangel zugrunde. Oft beginnt sie im jungen Erwachsenenalter. Die Schlaf-Wach-Regulation ist bei Narkolepsie schwer gestört. Als Leitsymptome gelten Tagesschläfrigkeit und Kataplexien (bei Typ 1), typischerweise treten zudem Halluzinationen während der Einschlaf- und Aufwachphase sowie Schlaflähmungen auf. Generell kommen bei Narkolepsie verhaltenstherapeutische Maßnahmen wie Schlafhygiene, Einplanen von Tagesschlafzeiten und sportlicher Aktivität in Betracht. Auch eine symptomatische medikamentöse Therapie wäre möglich: Die Wachheit fördern u.a. Modafinil, Methylphenidat und Solriamfetol.

Wird der Tagesschlaf als erholsam empfunden?

Eine weitere Hypersomnolenz-Erkrankung ist die idiopathische Hypersomie, die gekennzeichnet ist durch Tagesschläfrigkeit und eine pathologisch verlängerte Schlafdauer von mehr als 11 Stunden. Hinzu kommt bei vielen eine Benommenheit nach dem Aufwachen. Tagesschlaf wird – im Unterschied zur Narkolepsie – nicht als erholsam empfunden. Die Genese ist unklar. Die Diagnose wird per Ausschluss gestellt (u.a. keine Kataplexien). Alle medikamentösen Therapieansätze sind off label.

Quelle: Mevers C, Kallweit U. Nervenheilkunde 2021; 40: 527-532; DOI: 10.1055/a-1476-8721

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Tagesschläfrigkeit zeichnet sich dadurch aus, dass die Patienten in passiven, aber auch in aktiven Situationen wie Gesprächen vom Schlaf übermannt werden. Tagesschläfrigkeit zeichnet sich dadurch aus, dass die Patienten in passiven, aber auch in aktiven Situationen wie Gesprächen vom Schlaf übermannt werden. © DC Studio – stock.adobe.com