Der Darm als Bindeglied zwischen Depression und hepatischen Erkrankungen

Dr. Elke Ruchalla

Darmbakterien können in den Blutstrom geraten und Entzündungen in Hirn und Leber verursachen. Darmbakterien können in den Blutstrom geraten und Entzündungen in Hirn und Leber verursachen. © iStock/sdominick

Schon Hippokrates hat die „schwarze Galle“ aus der Leber mit den typischen Symptomen einer Depression in Verbindung gebracht. Mediziner haben nun mögliche Ursachen der Assoziation beleuchtet.

Die Prävalenz schwerer depressiver Episoden im Sinne einer „Major Depression“ in der Allgemeinbevölkerung liegt bei ca. 11–15 %. Bei Patienten mit schweren chronischen Lebererkrankungen soll sie dagegen mehr als doppelt so hoch sein, erklären Professor Dr. Kai G. Kahl von der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover und Kollegen. Umgekehrt leiden Depressive öfter an Leber­erkrankungen.

Da stellt sich die Frage von der Henne und dem Ei: Führt die Lebererkrankung zur psychiatrischen Folgediagnose – oder ist die Depression der auslösende Faktor, der bei dem Versuch, sich die Welt ein bisschen schöner zu trinken, zur hepatischen Schädigung führt? Prinzipiell ist beides möglich. So belegen zahlreiche Studien, dass bei Lebererkrankungen auch Entzündungen im Gehirn auftreten, und es gilt als weitestgehend gesichert, dass es einen Zusammenhang zwischen Entzündungsmarkern und Depressionen gibt.

Pegylierte Interferone als potenzielle Auslöser

Eine aktuelle Hypothese verbindet Leber und Gehirn über ein drittes Organ: den Darm und seine Bewohner. Vermutlich aufgrund von Veränderungen im Mikrobiom ist das Darmepithel von Patienten mit Lebererkrankungen durchlässiger als bei Gesunden. Durch diesen sogenannten „leaky gut“ gelangen Darmbakterien in die Blutzirkulation, erklären die Autoren. Dies führt zu einer komplexen Folge von Immunreaktionen, die auch vor dem Gehirn nicht haltmachen.

Nicht mehr ganz dicht

Das „Leaky Gut“-Syndrom lässt sich vermutlich auf eine veränderte Zusammensetzung der Darm-Mikro­biota zurückführen. Durch die Darmwand gelangen Bakterien in den Blutstrom. Dort lösen die Lipopolysaccharide aus der Bakterienzellmembran eine Entzündungskaskade aus. Gelangen sie über die Pfortader in die Leber, induzieren sie dort u.a. die Umwandlung von Leberzellen in Bindegewebszellen – der erste Schritt hin zur Leberfibrose. Weiterhin modulieren die durch die Immunreaktion freigesetzten Zytokine Signale des N. vagus und führen auch in der Amygdala zu Entzündungen.

Was aber tun mit einem Patienten, der sowohl an einer Depression als auch einer hepatischen Störung leidet? Zunächst gilt es abzuklären, ob vielleicht ein Medikament die depressiven Symptome verursacht, z.B. pegylierte Interferone zur Behandlung einer Hepatitis D. Liegt keine unerwünschte Arzneimittelwirkung, sondern eine eigenständige Erkrankung vor, sollte man vor dem Einsatz von Antidepressiva prinzipiell auch eine Psychotherapie erwägen, raten die Experten. Falls die Warteliste zu lang und/oder der Anfahrtsweg zum Therapeuten zu weit ist, gibt es mittlerweile auch webbasierte Programme, die helfen können. Sind Medikamente nicht zu umgehen, empfiehlt sich eine enge Zusammenarbeit von Hepatologen und Psychiater, um das geeignetste Antidepressivum zu finden. Direkte hepatotoxische Effekte sind vor allem von Tri- und Tetrazyklika bekannt. Aber auch andere Antidepressiva können die Leber belasten. Es empfiehlt sich daher, Substanzen zu wählen, die nicht hepatisch verstoffwechselt werden. So wird z.B. Milnacipran unabhängig vom Zytochromsystem der Leber metabolisiert und fast ausschließlich über die Niere ausgeschieden. Ähnliches gilt für das atypische Neuroleptikum Amisulprid. Last but not least: Bei schweren Depressionen, die auf übliche Maßnahmen nicht ansprechen, kann Lithium eine Alternative darstellen, da es ausschließlich renal eliminiert wird. Da dennoch hepatische Schädigungen nicht prinzipiell ausgeschlossen werden können, raten die Autoren dazu, auch bei diesen Medikamenten die Leberwerte – ebenso wie die Blutzucker- und Stoffwechselwerte – regelmäßig zu kontrollieren.

Quelle: Kahl KG et al. Fortschr Neurol Psychiatr 2019; 87: 12-21

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Darmbakterien können in den Blutstrom geraten und Entzündungen in Hirn und Leber verursachen. Darmbakterien können in den Blutstrom geraten und Entzündungen in Hirn und Leber verursachen. © iStock/sdominick