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Der Kampf mit den Alterskrämpfen

Im höheren Lebensalter spielen insbesondere symptomatische Anfälle – früher als Gelegenheitsanfälle bezeichnet – , Synkopen und transitorische ischämische Attacken eine Rolle, erläuterte Prof. Dr. Yvonne Weber, Leiterin der Sektion Epileptologie an der Klinik für Neurologie der RWTH Aachen.
Bei den symptomatischen Anfällen von älteren Menschen sind als Trigger vor allem Hypo- und Hyperglykämie und Elektrolytentgleisungen wie Hyponatriämie zu nennen. Zu weiteren Auslösern zählen passagere zerebrale Läsionen wie Stauungsinfarkte bei Sinusvenenthrombose, kleinere Ischämien und Blutungen ohne Residuen oder der Zustand nach Lyse. Anfälle aufgrund solcher Trigger führen aber nicht zur Diagnose Epilepsie, betonte Prof. Weber.
Die Definition der Erkrankung bereitet gerade bei Älteren Schwierigkeiten. Denn es liegt nicht nur eine Epilepsie vor, wenn sich mindestens zwei nicht provozierte Anfälle ereignen, sondern auch bei einem unprovozierten Anfall mit erhöhtem Rückfallrisiko, definiert durch ein auffälliges EEG oder epilepsieassoziierten Läsionen im kranialen MRT.
Die Medikation altersgerecht zuschneiden
Die Zusatzbefunde lassen sich nicht immer einfach deuten und Prof. Weber glaubt, dass eine Fehlinterpretation häufig zur falschen Diagnose eines Krampfleidens mit Beginn einer Medikation führt, die mit zunehmendem Alter und der damit oft einhergehenden Polymedikation durchaus kritisch zu sehen ist.
Die Wahl der antikonvulsiven Medikation muss sich nicht nur an der Art der Epilepsie und der Häufigkeit der Anfälle, sondern zudem an der Komedikation und dem Alter orientieren. Im Alter verändern sich die Bioverfügbarkeit, die therapeutische Breite und die Halbwertszeit der Präparate, vor allem durch das veränderte Verteilungsvolumen, aber auch durch veränderte Resorption, Proteinbindung, eine abnehmende glomeruläre Filtrationsrate und die Polypharmazie. Außerdem gibt es kaum kontrollierte Studien für Senioren, insbesondere nicht für die Kombinationstherapie.
Ältere Menschen mit Epilepsie sprechen mindestens genauso gut auf antikonvulsive Medikamente an wie jüngere, aber sie vertragen sie schlechter und man strebt daher niedrigere Dosen an. Laut Prof. Weber bietet sich für die erste Monotherapie Lamotrigin aufgrund des günstigen Wirkungs-Nebenwirkungs-Profils an, als Alternativen nannte sie Lacosamid und Levetiracetam, wenn eine rasche Aufdosierung notwendig wird. Unter Lacosamid gilt es, auf die EKG-Überleitungszeiten zu schauen, da es zu AV-Blöcken kommen kann, bei Levetiracetam sind die psychiatrischen Nebenwirkungen zu beachten. Unter Carbamazepin, Gabapentin und Valproinsäure wurden erhöhte Absetzraten wegen Nebenwirkungen berichtet, Eslicarbazepinacetat und Oxcarbazepin können zu Hyponatriämien führen und eignen sich deshalb nicht für ältere Menschen. Topiramat und Zonisamid gehen u.U. mit kognitiven Nebenwirkungen einher, was sie für Menschen mit Demenz problematisch macht.
Epilepsiechirurgie in Betracht ziehen
Bestand eine genetisch bedingte generalisierte Epilepsie bereits seit dem Kindes- und Jugendalter, riet Prof. Weber dazu, die jahrelange Medikation im Alter zu überprüfen und gegebenenfalls zu reduzieren oder abzusetzen. Eine Polytherapie sollte man, wenn möglich, vermeiden und die Therapie im Zweifelsfall vereinfachen, die Dosis erniedrigen. Setzt eine Epilepsie neu ein, muss die Dauertherapie mit Antikonvulsiva kritisch überdacht werden, vor allem, wenn die Patienten nicht darauf ansprechen. Möglicherweise handelt es sich doch um Synkopen oder symptomatische Anfälle.
Prof. Weber empfahl zudem, eine operative Therapie nicht grundsätzlich auszuschließen. Auch Patienten im Alter über 60 Jahre können von der Epilepsiechirurgie profitieren, wenngleich häufiger Komplikationen auftreten. Nichtsdestotrotz sprach sich die Neurologin dafür aus, über 60-Jährige mit Pharmakoresistenz gegenüber mindestens zwei antikonvulsiven Medikationen prächirurgisch abzuklären.
Quelle: 94. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie – Live. Interaktiv. Digital
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