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Der Krampf mit dem Impfen

Wer sich oder seine Kinder impfen lässt, erwartet eine höchstmögliche Verträglichkeit und Sicherheit. Doch die Bewertung dieser ist nicht immer einfach. So werden in Deutschland Impfnebenwirkungen nicht systematisch erfasst, sondern auf Basis von Einzelmeldungen oder Beobachtungs- bzw. Fall-Kontrollstudien unter Berücksichtigung der Zulassungsdaten hochgerechnet.
Kausalität und Koinzidenz nicht immer klar zu trennen
Ein solches Verfahren ist naturgemäß mit Unsicherheiten behaftet, Kausalität und Koinzidenz lassen sich nicht immer klar trennen, schreiben Professor Dr. Markus Knuf und Kollegen vom Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsmedizin Mainz. Komplexe Interaktionen zwischen normalerweise harmloser Nebenwirkung und genetischer Ausstattung des Individuums erschweren die Kausalitätsbewertung zusätzlich.
So manifestieren sich beispielsweise bei dem letztlich auf einer Genmutation beruhenden Dravet-Syndrom die ersten epileptischen Anfälle überproportional häufig nach Vakzinierungen. Als Trigger wirkt wahrscheinlich eine durch die Immunisierung induzierte leichte Fieberreaktion, erklären die Pädiater. Den weiteren Krankheitsverlauf beeinflusst die Impfung dagegen nicht.
Belastbare Aussagen lassen sich zu Inzidenz und Ausmaß von lokalen Reaktionen wie Schmerzen, Rötung und Schwellung an der Einstichstelle treffen. Sie gelten als Ausdruck der erwünschten immunologischen Auseinandersetzung mit der Vakzine und sollten nicht mit Paracetamol bekämpft werden, so die Autoren. Der Übergang von üblichen Beschwerden zu Komplikationen verläuft jedoch fließend.
Zu den sehr seltenen Komplikationen (< 0,1 ‰) zählt das Discolored-Leg-Syndrom, bei dem Kinder plötzlich Petechien und flächige Verfärbungen der Beine entwickeln. Die Erkrankung wurde vor allem in den Niederlanden und nach einer DTPa-IPV-Hib*-Vakzinierung beschrieben.
Ebenfalls kann es zu neurologischen Symptome kommen. Dazu gehören Fieberkrämpfe, die nach Applikation von Totimpfstoffen innerhalb von 48 Stunden bzw. nach Lebendimpfstoffen wie Masern-Mumps-Röteln oder Varizellen nach 5 bis 14 Tagen auftreten. Hypoton-hyporesponsive Episoden mit erniedrigter Muskelspannung, verringerter Reizreaktion und blasser bis bläulicher Hautverfärbung treten typischerweise drei bis vier Stunden nach der Immunisierung auf und halten über einige Tage an. Langzeitfolgen dieser in ihrer Ätiologie bisher ungeklärten Komplikation sind nicht beschrieben.
Für viele andere potenzielle Komplikationen, z.B. Autoimmunerkrankungen, bleibt der Zusammenhang unklar. So fanden einige klinische Studien eine Assoziation zwischen dem Kawasaki-Syndrom und einer fünf-valenten Rotavirus-Impfung, andere wiederum nicht. Nicht endgültig bestätigen ließen sich auch Verdachtsmomente für eine idiopathische autoimmun-thrombozytopenische Purpura oder das Guillain-Barré-Syndrom z.B. durch Influenzavakzinierung.
Viele Fragen offen beim Thema Adjuvanzien
Die Liste ließe sich fortsetzen. Insgesamt erschwert neben der mäßigen Erfassungs- bzw. Datenqualität von Impfkomplikationen auch die sehr niedrige natürliche Inzidenz vieler Autoimmunerkrankungen die Kausalabschätzung.
Neben den eigentlichen Impfstoffen können eventuell Adjuvanzien wie Aluminiumhydroxid Symptomkomplexe mit u.a. Myalgie, Arthralgie, chronischer Müdigkeit und kognitiven Veränderungen potenziell auslösen. Es sind zwar viele Fragen offen, einfach negieren könne man die Thematik allerdings nicht, so die Experten.
Das gilt auch für die Narkolepsie, die möglicherweise im Zusammenhang mit dem Influenzavakzin Pandemrix® steht. Bei der Alternative Focetria®, die sich in erster Linie in der Adjuvantierung unterscheidet, war keine Inzidenzzunahme dieser sehr seltenen Erkrankung zu erkennen.
Die Experten betonen, dass dennoch die Vorteile einer Impfung überwiegen und eine „Wildinfektion“ mehr als zehnmal häufiger zu Komplikationen führt als eine Vakzinierung.
* Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Poliomyelitis, Haemophilus influenzae Typ b
Quelle: Knuf M et al. internistische praxis 2017; 58: 309-329
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