
Die digitale Sucht erkennen und behandeln

Als Internetnutzungsstörung werden alle Formen des suchtartigen Gebrauchs von internetbasierten Anwendungen bezeichnet. Dieses ungesunde Nutzungsverhalten hat zur Folge, dass immer mehr Menschen soziale und psychische Probleme entwickeln.
Für das Screening von allgemeinen Internetnutzungsstörungen eignen sich Messinstrumente wie die Compulsive Internet Use Scale (CIUS) und die Skala zum Onlinesuchtverhalten (OSV-S). Liegen bereits genauere Kenntnisse zum Problem vor, erleichtern spezifische Verfahren und Fragebogen den Nachweis.
Zur primären Behandlung wird bei sämtlichen Arten des pathologischen Internetkonsums die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) eingesetzt, heißt es in der neuen S1-Leitlinie „Diagnostik und Therapie von Internetnutzungsstörungen“ der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie und 15 weiteren Fachgesellschaften. Helfen können begleitende Optionen wie
- die Gabe von Bupropion,
- Sport- und Bewegungstherapie,
- Entspannungstechniken und
- die gemeinsame Behandlung von Betroffenen in einer Gruppe.
Im Kindes- und Jugendalter erfolgt die Therapie am besten unter Einbezug von Eltern und anderen Angehörigen. Zudem sollten schulische Angebote zum gesunden Netzgebrauch genutzt werden.
Computerspielstörung
Erwachsene mit Computerspielstörung können ergänzend zur KVT von Craving-Behavior-Interventionen und achtsamkeitsbasierten Ansätzen (Mindfulness) profitieren. Begleitende psychische Erkrankungen sollten ebenfalls behandelt werden. Für Adoleszente und Erwachsene mit komorbider Depression eignen sich Bupropion und Escitalopram. Besteht ADHS im Kindes- und Jugendalter, bietet sich eine ergänzende Behandlung mit Methylphenidat und Atomoxetin an. Eine störungsspezifische Rehabilitation ist indiziert, wenn berufliche Leistung oder gesellschaftliche Teilhabe dauerhaft gefährdet sind.
Soziale-Netzwerke-Nutzungsstörung
Gegen die pathologische Nutzung sozialer Netzwerke hilft eine Modifikation störungsspezifischer kognitiver Verzerrungen im Rahmen einer Psychotherapie. Insbesondere die Angst, sozial belohnende Erfahrungen zu verpassen (fear of missing out) scheint Betroffene zu den sozialen Netzwerken zu treiben. Ergänzend sollte Abstinenz therapeutisch begleitet werden. Auch vermehrte körperliche Bewegung, Mindfulness-Ansätze und Entspannungsübungen können gut wirken.
Zudem helfen eventuell psychoedukative Maßnahmen in Bezug auf nutzerbindende Elemente der sozialen Netzwerke (z. B. Like-Buttons, Videoschleifen). Bei Kindern und Jugendlichen sollte eine verbesserte Selbstbeobachtung, Selbstkontrolle und Emotionsregulation erzielt werden.
Shoppingstörung
Eine weitere Variante ist die internetbezogene Shoppingstörung. Gegen diese sollte ebenfalls eine KVT angeboten werden. Von einer rein medikamentösen Behandlung raten die Autorinnen und Autoren der Leitlinie ausdrücklich ab, unabhängig davon, ob das suchtähnliche Einkaufen online, offline oder auf beiden Wegen vorkommt.
Pornografie-Nutzungsstörung
Bei Personen mit Pornografie-Nutzungsstörung bleibt die Verhaltenstherapie ebenfalls erste Wahl. Psychoedukative KVT-basierte Selbsthilfeprogramme können die Face-to-Face-Behandlung im Bedarfsfall ersetzen und auch online angeboten werden. Die Verordnung von Opioidantagonisten und SSRI sollte erwogen werden, wenn die Psychotherapie nicht den gewünschten Effekt erzielt.
Der Einsatz von E-Health-Interventionen bei subklinischen und klinischen Nutzungsstörungen befindet sich noch im experimentellen Stadium, erklärt das Autorenteam der Leitlinie. Sie können am ehesten in der Frühphase zur Motivation für Verhaltensänderungen, zur Überbrückung von Wartezeiten und als Ergänzung zu anderen Maßnahmen genutzt werden.
Quelle: S1-Leitlinie „Diagnostik und Therapie von Internetnutzungsstörungen“; AWMF-Register-Nr. 076/011; www.awmf.org
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