Die Kehrseite der NSAR

Dr. Susanne Meinrenken

Neben der Dosis und Therapiedauer eines NSAR stellen höheres Alter, weibliches Geschlecht und weitere Therapien Risikofaktoren dar. Neben der Dosis und Therapiedauer eines NSAR stellen höheres Alter, weibliches Geschlecht und weitere Therapien Risikofaktoren dar. © BillionPhotos.com – stock.adobe.com

Trotz der potenziell lebensbedrohlichen unerwünschten Wirkungen im Gastrointestinaltrakt werden NSAR in der Allgemeinmedizin sehr häufig verordnet. Durch eine sorgfältige Auswahl des Wirkstoffs und bestimmte vorbeugende Maßnahmen lässt sich das Risiko senken.

Jährlich werden in der Europäischen Union 8,5 Milliarden definierte Tagesdosen der entzündungshemmenden und antipyretischen nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) rezeptiert. Dazu kommen entsprechende apothekenpflichtige, aber rezeptfreie Präparate. In der Allgemeinmedizin stellen NSAR in der Gruppe der über 65-Jährigen die am häufigsten verschriebenen Medikamente dar, wie PD Dr. ­Michael Überall­, ­IFNAP – privates Institut für Neurowissenschaften, Algesiologie und Pädiatrie, Nürnberg, und Dr. Anton­ Gillessen­, Herz-Jesu-Krankenhaus in Münster, berichten.

Mukosaläsionen schon nach erster Gabe unselektiver NSAR

Die klassischen NSAR wie Ibuprofen hemmen die Enzyme Cyclo­oxygenase (COX) 1 und 2. Ketoprofen beispielsweise ist nur gegen COX-1 gerichtet. Diclofenac und Meloxicam als Vertreter der dritten Gruppe hemmen bevorzugt COX-2, während die neueren Wirkstoffe, wie Celecoxib oder Etoricoxib, hochselektive COX-2-Hemmer darstellen. Unter den zahlreichen physio­logischen Funktionen der beiden Enzyme spielt der Schutz der gast­rointestinalen Schleimhaut durch COX-1 eine besondere Rolle. Im Fall unselektiver NSAR lassen sich schon nach einmaliger Einnahme einer wirksamen Dosis vorübergehend Mukosaläsionen nachweisen. Bei längerer Gabe klagt rund ein Drittel der Patientinnen und Patienten über dyspeptische Beschwerden und Sodbrennen. Unabhängig von solchen Symptomen sind bei etwa 70 % Erosionen, Ulzerationen und subepitheliale Blutungen endoskopisch nachweisbar. Zu schweren Blutungen oder der Perforation von gastroduodenalen Ulzera, und zwar oft ohne vorherige Warnsymptome, kommt es unter NSAR fünfmal häufiger als bei einer Infektion mit ­Helicobacter pylori.

Neben der Dosis und Therapiedauer eines NSAR stellen höheres Alter, weibliches Geschlecht und weitere Therapien (z. B. mit Kortikosteroiden) Risikofaktoren dar. Gleiches gilt für einen Diabetes und  verschiedene Begleiterkrankungen des Magen-Darm-Trakts, etwa eine H.-pylori-Infektion. Bei erhöhter Gefahr sollte vor Beginn mit NSAR eine H.-pylori-Diagnostik und ggf. Eradikation erfolgen. Als Medikation können nur Protonenpumpeninhibitoren (PPI) die Komplika­tionen durch NSAR im oberen Magen-Darm-Trakt deutlich verringern. Zusammen mit dem NSAR sollten daher PPI verordnet werden, sofern ein weiterer Risikofaktor für ein Magen­ulkus oder eine -blutung vorliegt, ein erhöhtes Alter allein stellt keine Indikation für PPI dar. Zu beachten ist, dass PPI nur die Magenschleimhaut schützen, aber keinen Einfluss auf den Dünndarm haben. Dabei verursachen Schäden der Dünndarmschleimhaut infolge NSAR zwar selten subjektiv empfundene Beschwerden, sind aber häufig die Quelle okkulter Blutungen. 

Im Kolon schädigende, aber auch antikanzerogene Effekte

Ulzera, Proteinverlust und Stenosen können ebenfalls auftreten. Auch das Kolon können NSAR schädigen: Mit dem Begriff NSAR-Kolopathie werden Schleimhauterosionen, ­Ulzera sowie Strikturen beschrieben. Für das Kolon ist für NSAR aber auch eine antikanzerogene Wirkung beschrieben. Die Nutzen-Risiko-Abwägung spricht derzeit jedoch nicht für den Einsatz zur Prophylaxe von Darmkrebs.

Vor dem Hintergrund all ihrer Risiken sind NSAR grundsätzlich so kurz und so niedrig dosiert wie möglich zu verordnen, so die Experten. Die Gabe retardierter Darreichungsformen gilt es zu vermeiden. Ist eine längerfristige entzündungshemmende Therapie erforderlich, wird die Kombination aus einem unselektiven NSAR mit einem PPI oder die Gabe eines selektiven COX-2-Hemmers empfohlen. Letztere gehen im Vergleich zu unselektiven NSAR insgesamt mit einem deutlich geringeren gastrointestinalen Risiko einher. Der Vorteil von unselektiven NSAR plus PPI ist, dass dyspeptische Symptome effektiv gelindert werden. Diese Kombination schützt die Magenschleimhaut ebenso gut wie selektive COX-2-Hemmer; Etoricoxib und Co. aber schneiden in Bezug auf Dünndarm und Kolon deutlich besser ab. 

Selektive COX-2-Hemmer sind deshalb bei Patientinnen und Patienten mit ungeklärter Anämie unter NSAR indiziert, schreiben die beiden Experten. COX-2-Hemmer in Kombination mit einem PPI können zudem bei bereits bekannten Ulzera oder Blutungen das Risiko einer erneuten Komplikation noch senken. Das ist besonders bei gleichzeitiger Gabe von ASS bei Vorliegen kardio­vaskulärer Risiko­faktoren wichtig. In solchen Fällen ist Celecoxib (maximal 200 mg/d) zu bevorzugen, da nur dieser COX-2-Hemmer das kardiovaskuläre Risiko nicht erhöht.

Quelle: Überall MA, Gillessen A. Schmerzmedizin 2024; 40: 16-22; doi: 10.1007/s00940-024-4778-4

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Neben der Dosis und Therapiedauer eines NSAR stellen höheres Alter, weibliches Geschlecht und weitere Therapien Risikofaktoren dar. Neben der Dosis und Therapiedauer eines NSAR stellen höheres Alter, weibliches Geschlecht und weitere Therapien Risikofaktoren dar. © BillionPhotos.com – stock.adobe.com