Die Optionen beim resektablen NSCLC? – leider äußerst begrenzt

WCLC 2024 Dr. Moyo Grebbin

Bei Lungenkrebserkrankten mit interstitieller Pneumonie bergen alle Therapieformen hohe Risiken und diagnostische Herausforderungen. Bei Lungenkrebserkrankten mit interstitieller Pneumonie bergen alle Therapieformen hohe Risiken und diagnostische Herausforderungen. © MicroOne – stock.adobe.com

Leiden Lungenkrebserkrankte zusätzlich an einer interstitiellen Pneumonie, bergen sämtliche Therapieformen große Risiken. Das Problem betrifft ein gutes Zehntel der Patient:innen und schon bei der Diagnostik gehen die Schwierigkeiten los.

Rund 10–15 % der Menschen mit Lungenkrebs leiden zusätzlich an einer interstitiellen Lungenerkrankung bzw. interstitiellen Pneumonie (ILD/IP). Dass die Komorbidität relativ häufig auftritt, liegt in der gemeinsamen Pathogenese der Krankheiten, u. a. dem Rauchen und genetischen Veränderungen, begründet, erklärte Dr. Dr. Satoshi Ikeda vom Kanagawa Cardiovascular and Respiratory Center, Yokohama. Praktisch alle Arten von Krebstherapien bergen die Gefahr, eine akute Exazerbation (AE) oder schwere Pneumonitis zu triggern. Das Risiko für die AE liegt bei rund 5–30 %; die Komplikation besitzt eine Mortalitätsrate von 30–50 %. Aus diesem Grund zählte die IP in den zentralen klinischen Studien als Ausschlusskriterium. Sicherheitsdaten zum Behandlungsstandard sind für Betroffene mit der Doppeldiagnose also Mangelware, stellte der Referent fest.

Eine pulmonale Resektion ruft in 5–10 % der Fälle eine IP-AE hervor. Davon endeten in einer Erhebung knapp 44 % tödlich. „Trotzdem ist die OP stark in Betracht zu ziehen, da die anderen Optionen noch ein wesentlich höheres Risiko einer akuten Exazerbation bergen“, kommentierte Dr. Ikeda. 2015 wurde ein Risikokalkulator vorgeschlagen, um die Gefahr einer postoperativen Exazerbation vorherzusagen. Zudem laufe in Japan aktuell eine Phase-3-Studie zum perioperativen Einsatz von Pirfenidon, um eine IP-AE zu unterdrücken.

Besonders hoch ist das Risiko der Exazerbation jedoch bei Bestrahlungen. „Eine Radiotherapie gilt es zu vermeiden, besonders im perioperativen Setting“, warnte der Onkologe. Denn eine Bestrahlung des Brustkorbs induziert die IP-AE in mehr als 30 % der Fälle – Ähnliches gilt auch für eine palliative Radiatio, die Lungengewebe einschließt. Eine Carbonionen-Therapie könnte möglicherweise sicherer sein, doch derzeit bleibe die publizierte Stichprobengröße noch zu klein, um das zu beurteilen.

Zur Chemotherapie als Erstlinie für Betroffene mit ILD/IP gab es einige Studien, in denen Carboplatin-Dubletten mit Paclitaxel oder S-1 erprobt wurden. Die Inzidenzen der Exazerbation bewegten sich zwischen 1,6 % und 12,1 %. Allerdings stammten die Daten allesamt aus dem Stadium IV, betonte der Referent. Evidenz hinsichtlich Cisplatin-Kombinationen oder im perioperativen Setting gebe es keine. Als Risikofaktoren für die chemoinduzierte Progression der IP wurden die sogenannte Wabenlunge („Honeycomb Lung“, s. Kasten) und eine niedrige forcierte Vitalkapazität beschrieben. 

Die im perioperativen Bereich heute viel genutzten Checkpointhemmer sah Dr. Ikeda hier kritisch: „Die CPI-induzierte Pneumonitis zählt zu den problematischen Nebenwirkungen dieser Therapie.“ Eine komorbide IP sei ein Risikofaktor für diese Pneumonitis. Deren Inzidenz beträgt 7–19 % und rangiert an fünfter Stelle der immunvermittelten unerwünschten Ereignisse (irAE). „Sie ist jedoch die irAE, die am häufigsten tödlich endet“, so der Experte. 

Die insgesamt vier frühen prospektiven Arbeiten zur Checkpointblockade mit komorbider IP unterschieden sich sehr hinsichtlich ihrer Sicherheitsprofile. In drei Studien zu Nivolumab bzw. Durvalumab bei je 6–22 Teilnehmenden mit „milder“ IP lag die berichtete Pneumontis-Rate zwischen 0 % und 11 %. In der Phase-2-Untersuchung AMBITIOUS waren hingegen verschiedene Schweregrade der IP erlaubt; auch mit Wabenlunge und einer Vitalkapazität ab 70 % anstatt der sonst üblichen ≥ 80 %. Es sollte der Einsatz von Atezolizumab für das fortgeschrittene NSCLC ab der Zweitlinie untersucht werden – doch dazu kam es nicht. Der Anteil schwerer (Grad ≥ 3) Pneumonitiden lag mit 23,5 % dermaßen hoch, dass die Arbeit abgebrochen werden musste. Der Kollege betonte: „Dennoch können wir daraus wichtige Schlüsse ziehen: CPI eignen sich bei Personen mit komorbider IP offensichtlich nicht als Standard – selbst im Stadium IV nicht.“ Eine Post-hoc-Analyse ergab zudem, dass die schwere Pneumonitis mit dem Vorliegen einer Wabenlunge assoziiert war (4/7 mit Wabenlunge; ohne Wabenlunge nur eine Grad-1-Pneumonitis unter zehn Behandelten). 

Risiken bei NSCLC-Therapie

Streitpunkt: Was taugt die Wabenlunge als Risikofaktor?

Eine durch zystische und fibrotische Veränderungen bereits stark geschädigte Lunge ähnelt in der Radiologie einer Wabenstruktur, zu Englisch „Honeycombing“. Unter den Lungenkrebserkrankten mit IP wurde dieser Zustand sowohl für die chemotherapieinduzierte Exazerbation als auch die CPI-bedingte Pneumonitis als Risikofaktor beschrieben. „Es gibt jedoch auch Studienergebnisse, die dieser Hypothese widersprechen“, erklärte Dr. Ikeda. Zudem falle es selbst geübten Radiolog:innen oft schwer, eine Wabenlunge zu erkennen und z. B. von einem Lungenemphysem bei starken Raucher:innen zu unterscheiden. Ein möglicher Aussagewert der Wabenlunge als Risikofaktor bleibt daher bislang kontrovers, so der Referent.

Im Bereich der zielgerichteten Medikamente wurde das Vorliegen einer IP als Risikofaktor für EGFR-TKI-induzierte Pneumonitiden beschrieben; das gilt neben Gefitinib und Erlotinib auch für Osimertinib. Allerdings finden sich die relevanten Treibermutationen unter denjenigen mit IP recht selten, sodass dieses Szenario nicht oft zum Tragen kommt, erklärte Dr. Ikeda. 
Seine Schlussfolgerungen für die Behandlung der Patient:innen mit resektablem NSCLC und komorbider IP lauten: 

  • Evidenz aus dem perioperativen Setting gibt es weder für die Chemo-, Immun- noch für die zielgerichtete Therapie; alle pharmakologischen Strategien können fatale Exazerbationen oder Pneumonitis verursachen. Im Moment überwiegen die Risiken gegenüber den Vorteilen.
  • Checkpointhemmer und EGFR-TKI gehen mit einem besonders hohen Risiko einher.
  • Vor Therapiestart sollte eine sorgfältige IP-Diagnostik inklusive Dünnschicht-CT, einem CT-Scan in Bauchlage und einer Auskultation der Lunge erfolgen, um feine Rasselgeräusche zu identifizieren. Im Tumorboard sollte der Hintergrund der Lunge von möglichst vielen Augen begutachtet werden. 

Anstehende Forschungsziele sind nach Auffassung des Referenten zum einen die Entwicklung einer einfachen Methode, mit der selbst Onkolog:innen die Diagnostik der komorbiden IP sicher gelingt. Zum anderen solle an Stratifizierungskriterien gearbeitet werden, mit deren Hilfe sich Personen mit niedrigerem Risiko identifizieren lassen.

Quellen:
Ikeda S. IASLC 2024 World Conference on Lung Cancer; ES07.03 „Interstitial Lung Disease and Lung Cancer: How Should We Proceed“

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