
Die Pipelines der Hersteller sind gut gefüllt

Die Adipositas nimmt weltweit zu. Inzwischen leben etwa eine Milliarde Menschen auf der Welt mit einem Body-Mass-Index über 30 kg/m2. Die höchsten Raten findet man im Südpazifik. In Deutschland sind 19 % der Frauen und 23 % der Männer adipös, erklärte Prof. Dr. Jens Aberle, Adipositas-Centrum am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Der Bedarf an Medikamenten, die beim Abnehmen helfen, ist also immens. Folgende Wirkstoffe gehören zu den besonders vielversprechenden Vertretern:
Semaglutid
Neue Daten zu oralem Semaglutid wurden im letzten Jahr vorgestellt. In der Phase-3-Studie OASIS-1 hat man Personen im Alter von durchschnittlich 50 Jahren und mit einem BMI von im Schnitt 37 kg/m2 mit 50 mg/d Semaglutid oder Placebo behandelt. Nach 68 Wochen war bei Menschen ohne Diabetes eine Gewichtsabnahme von 17,4 % zu verzeichnen. An Nebenwirkungen dominierte Übelkeit bei 74 % der Teilnehmer. In einer weiteren Studie (MACE 4) wurde der Effekt von Semaglutid bei adipösen Patienten mit gesicherter kardiovaskulärer Erkrankung untersucht. In diesem Fall war die Gewichtsreduktion nach 65 Wochen nur mäßig (-9,4 kg), wurde aber unter fortgesetzter Medikation über knapp vier Jahre gehalten.
Tirzepatid
Wie Semaglutid wirkt auch Tirzepatid agonistisch am GLP1-Rezeptor und darüber hinaus am Rezeptor für glukoseabhängiges insulinotropes Peptid (GIP). Der Wirkstoff ist auch in Europa zur Therapie der Adipositas zugelassen. Zwei neue Studien gibt es zu diesem Medikament: Gemäß SURMOUNT-3 ließ sich nach einer zwölfwöchigen intensiven Lebensstilintervention eine Gewichtsreduktion um insgesamt 25 % in 72 Wochen erzielen. In der Folgestudie SURMOUNT-4 untersuchte man, was nach Tirzepatidentzug nach 36-wöchiger Therapie passiert: Das Gewicht stieg wieder deutlich an, wenn auch nicht ganz bis zum Ausgangswert.
Orforglipron
Ebenfalls ein Agonist am GLP1-Rezeptor ist das Small Molecule Orforglipron. Im Gegensatz zu Semaglutid wird es nicht durch die Magensäure abgebaut, sodass ein Resorptionsverstärker nicht nötig ist. Anders als Semaglutid darf es auch mit den Mahlzeiten eingenommen werden. Eine Dosisfindungsstudie (Phase 2) ergab eine Gewichtsabnahme von 15,4 % nach 36 Wochen. Die Phase-3-Studie läuft noch. Als Nebenwirkungen traten Übelkeit, Erbrechen, Obstipation und Diarrhö auf.
Cagrilintid/Semaglutid
In klinischer Entwicklung befindet sich CagriSema, eine Kombination aus Semaglutid und Cagrilintid, einem langwirkenden Agonisten am Amylinrezeptor. Amylinrezeptoren befinden sich in einem Gehirnabschnitt, der für Belohnung zuständig ist, hier dockt beispielsweise auch Nikotin an.
Wenn Adipositas angeboren ist
Der Wirkstoff Setmelanotid ist ein Agonist am Melanocortin-4-Rezeptor und zugelassen für seltene genetische oder syndromale Formen der Adipositas. Laut einer Metaanalyse aus zwölf Studien mit Patienten im Durchschnittsalter von 33 Jahren und mit einem BMI von 45 kg/m2 lässt sich das Gewicht damit um durchschnittlich zehn BMI-Punkte reduzieren. Setmelanotid wird subkutan einmal pro Tag injiziert. Eine der Nebenwirkungen, die man kennen sollte, ist die Hyperpigmentierung. Sie tritt bei den meisten Patienten an verschiedenen Körperstellen auf, ist aber reversibel. Die Substanz wird zurzeit weiterentwickelt für andere Formen der Adipositas, z.B. hypothalamische Adipositas. Dazu gehört unter anderem das Kraniopharyngeom.
Die kombinierte Substanz wurde v.a. für Menschen mit Typ-2-Diabetes entwickelt und entsprechend in Phase-2-Studien getestet. Die erzielte Gewichtsreduktion lag bei 15,6 % nach 32 Wochen. Da es sich aber um Patienten mit Typ-2-Diabetes handelte, die in entsprechenden Studien meist nur halb so viel abnehmen wie Menschen ohne Diabetes, ist dieses Ergebnis durchaus beachtlich, gab Prof. Aberle zu bedenken. Man rechnet in künftigen Studien für Menschen ohne Diabetes mit 25 % Gewichtsreduktion. In puncto Nebenwirkungen machen sich die üblichen Verdächtigen bemerkbar, hauptsächlich Übelkeit.
AMG 133
Das von der Firma Amgen entwickelte AMG 133 ist das erste Molekül, das man nur einmal im Monat spritzen muss. Es handelt sich um einen Antikörper, der den GIP-Rezeptor blockiert und gleichzeitig agonistisch am GLP1-Rezeptor wirkt. Laut einer neuen Studie ließ sich bereits nach einmaliger Gabe der höchsten Dosis (420 mg) eine Gewichtsreduktion von 15 % erreichen. Weitere Studien (Phase 2 und 3) sollen folgen.
Retatrutid
Als ersten Triagonisten könnte man Retatrutid bezeichnen. Die Substanz wirkt am Glukagon-, am GIP- und am GLP1-Rezeptor. In der Dosisfindungsstudie wurde in der höchsten Dosis (12 mg, 1x/Wo.) eine Gewichtsreduktion von 24,2 kg innerhalb von 48 Wochen erzielt. Männer verloren 22 %, Frauen 28,5 %. Prof. Aberle empfahl, bei den Studien stets einen Blick auf den Frauenanteil zu werfen. Denn die Teilnehmerinnen nähmen fast immer stärker ab als die Männer. Ein hoher Frauenanteil verbessere also das Gesamtergebnis. Interessanterweise wirkte sich Retatrutid auch positiv auf den Lipidmetabolismus aus, das LDL sank um mehr als 20 %. Unter den Nebenwirkungen fielen vor allem eine Hyperästhesie und kardiale Arrhythmien auf.
Survodutid
Diese Innovation ist ein kombinierter Agonist am GLP1- und Glukagonrezeptor. Einmal pro Woche injiziert reduzierte Survodutid in der höchsten Dosis (4,8 mg) das Gewicht um durchschnittlich 18,7 % nach 46 Wochen.
Noch können viele Fragen zur medikamentösen Adipositastherapie nicht beantwortet werden. Ein zentrales Problem betrifft die Therapiedauer. Da die Medikamente teuer sind und von den Patienten selbst gezahlt werden müssen, erscheint eine Behandlung über viele Jahre kaum realisierbar. Ohne Medikamente müssen die Patienten jedoch ihr Gewicht allein durch ausgewogene Ernährung und Bewegung halten. Wie weit das gelingt, ist ungewiss. Auch Fragen zu Nonrespondern, einer möglichen Tachyphylaxie, dem Präparatewechsel bei fehlender Wirksamkeit oder dem Nutzen einer intermittierenden Gabe müssen vorerst noch weitgehend unbeantwortet bleiben.
Quelle: Kongressbericht, 19. Diabetologie-Update-Seminar
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).