Dosisreduktion bei Benzo-Abhängigkeit: Vier bis acht Wochen ausschleichen

Dr. Angelika Bischoff

Vier bis acht Wochen ausschleichen - Bei hohem Tagesbedarf besser stationärer Entzug. Vier bis acht Wochen ausschleichen - Bei hohem Tagesbedarf besser stationärer Entzug. © fotolia/Photographee.eu

Eine kurze Anwendung von Benzodiazepinen über maximal einen Monat gilt als relativ sicher. Doch etwa jeder zweite Patient wird abhängig, wenn er die Substanzen länger anwendet. Die nun wichtigste Regel für den Entzug lautet: Dosis ausschleichen.

In den letzten Jahren wurden Benzodiazepine in Europa immer seltener verschrieben. Typischerweise kommen kurz wirksame Wirkstoffe wie Triazolam vor allem als Hypnotika und lang wirksame wie Diazepam und Clonazepam als An­xiolytika oder Antikonvulsiva zum Einsatz. Ein Drittel der Patienten, die ein Benzodiazepin neu verordnet bekommen, nehmen diese Medikation noch nach drei Monaten, 15 % nach einem Jahr, 5 % sogar noch nach acht Jahren. Dabei steigt das Risiko einer Äbhängigkeit mit der Zeit an.

Arzt für Arzt abgeklappert, um Rezepte zu ergattern

Während die Anwendung bis zu vier Wochen als sicher gilt, wird jeder zweite Patient bei längerer Einnahme süchtig. Nach epidemiologischen Daten kommt ein Sedativa-Missbrauch nach DSM-IV* in Deutschland mit einer Prävalenz von 0,8 % vor. Charakteristisch für Benzodiazepine ist, dass sich physische und mentale Abhängigkeit auch ohne Toleranz entwickeln können. Süchtige rennen von Arzt zu Arzt, um Rezepte zu ergattern, meist auf Vorrat. Diese lösen sie häufig in verschiedenen Apotheken ein.

Höhere Rückfallraten bei kurz wirksamen Präparaten

Vermutlich sind kurz wirksame Benzodiazepine mit einem höheren Abhängigkeitspotenzial verbunden als lang wirksame. Der Entzug bei einer Abhängigkeit von kurz wirksamen Benzodiazepinen geht auch mit höheren Rückfallraten einher.

Mit Langzeitgebrauch assoziierte Faktoren

  • Alter über 65 Jahre
  • Verordnung durch Psychiater
  • Einnahme hoher Dosen
  • gleichzeitige Verschreibung psychotroper Medikamente

Entzugssymptome (s. Kasten) entwickeln sich bei Beendigung eines Langzeitgebrauchs schon innerhalb von zwei bis drei Tagen, wenn kurz wirksame Substanzen eingesetzt wurden. Bei lang wirksamen dauert es meist fünf bis zehn Tage. Das Absetzen sollte ausschleichend über vier bis acht Wochen erfolgen, falls der Patient zuvor täglich Dosen über 30 mg eingenommen hat. Das langsame Vorgehen dient dazu, schwere Entzugssymptome zu vermeiden. Absetzphasen von mehreren Monaten sind hingegen ungeeignet, da ansonsten der Entzug selbst zum morbiden Fokus wird.

Ob ein Entzug gelingt, hängt auch davon ab, in welchem Maß der Betreffende Symptome tolerieren kann. Beim Absetzen sollte ausschließlich ein einzelnes Benzodiazepin zum Einsatz kommen, vorzugsweise Diazepam. Wichtig ist, mit einem fixen Schema zu arbeiten. Hat der Patient ein Äquivalent von ≥ 100 mg Diazepam verwendet, empfiehlt sich ein stationärer Entzug. Die Dosis einer eventuellen Opioid-Erhaltungstherapie sollte während des Entzugs stabil sein.

Eine begleitende Psychopharmakotherapie richtet sich pragmatisch nach den Symptomen: Antidepressiva bei Depressionen und Schlafstörungen bzw. Pregabalin, Gabapentin, Betablocker als Anxiolytika oder Hypnotika vom Nichtbenzodiazepin-Typ. Bei chronischen Schlafstörungen können auch Trazodon, Doxepin, Mirtazapin oder Trimipramin ein bis drei Stunden vor dem Schlafengehen hilfreich sein.

Entzugssymptome

  • Psychisch: verminderte Konzentrationsfähigkeit, Appetitlosigkeit, Ruhelosigkeit, Angst, Panik, Depression, Schlafstörungen, Alpträume bis hin zu paranoiden Gedanken, Halluzinationen, Depersonalisation und Delirium
  • Physisch: grippeähnliche Beschwerden, Mundtrockenheit, Agitation, Spasmen, Krampfanfälle, Schwäche, Schmerzen, Tremor, Tachykardie, Tinnitus, Schwindel, Hyperakusis, Dysästhesie

Für Patienten mit Angststörungen eignen sich Serotonin-Wiederaufnahmehemmer als Antidepressiva. Eine begleitende Psychotherapie – insbesondere kognitive Verhaltenstherapie und Psychoedukation – kann die Chancen für eine Abstinenz steigern und die zugrunde liegende Störung behandeln. Vor dem Entzug die Psyche stabilisieren Patienten mit sehr geringer Motivation, schwerer depressiver Episode oder anderen psychischen Erkrankungen sollten stabilisiert werden, bevor sie den Entzug beginnen. Wenn eine komplette Abstinenz kaum erreichbar scheint, kann man versuchen, die Dosis auf ein weniger schädigendes Niveau zu senken.

*Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorder, vierte Edition
Quelle: Soyka M. N Engl J Med 2017; 376: 1147-1157  

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