Dosisreduktion bei Benzo-Abhängigkeit: Vier bis acht Wochen ausschleichen

In den letzten Jahren wurden Benzodiazepine in Europa immer seltener verschrieben. Typischerweise kommen kurz wirksame Wirkstoffe wie Triazolam vor allem als Hypnotika und lang wirksame wie Diazepam und Clonazepam als Anxiolytika oder Antikonvulsiva zum Einsatz. Ein Drittel der Patienten, die ein Benzodiazepin neu verordnet bekommen, nehmen diese Medikation noch nach drei Monaten, 15 % nach einem Jahr, 5 % sogar noch nach acht Jahren. Dabei steigt das Risiko einer Äbhängigkeit mit der Zeit an.
Arzt für Arzt abgeklappert, um Rezepte zu ergattern
Während die Anwendung bis zu vier Wochen als sicher gilt, wird jeder zweite Patient bei längerer Einnahme süchtig. Nach epidemiologischen Daten kommt ein Sedativa-Missbrauch nach DSM-IV* in Deutschland mit einer Prävalenz von 0,8 % vor. Charakteristisch für Benzodiazepine ist, dass sich physische und mentale Abhängigkeit auch ohne Toleranz entwickeln können. Süchtige rennen von Arzt zu Arzt, um Rezepte zu ergattern, meist auf Vorrat. Diese lösen sie häufig in verschiedenen Apotheken ein.
Höhere Rückfallraten bei kurz wirksamen Präparaten
Vermutlich sind kurz wirksame Benzodiazepine mit einem höheren Abhängigkeitspotenzial verbunden als lang wirksame. Der Entzug bei einer Abhängigkeit von kurz wirksamen Benzodiazepinen geht auch mit höheren Rückfallraten einher.
Mit Langzeitgebrauch assoziierte Faktoren
- Alter über 65 Jahre
- Verordnung durch Psychiater
- Einnahme hoher Dosen
- gleichzeitige Verschreibung psychotroper Medikamente
Ob ein Entzug gelingt, hängt auch davon ab, in welchem Maß der Betreffende Symptome tolerieren kann. Beim Absetzen sollte ausschließlich ein einzelnes Benzodiazepin zum Einsatz kommen, vorzugsweise Diazepam. Wichtig ist, mit einem fixen Schema zu arbeiten. Hat der Patient ein Äquivalent von ≥ 100 mg Diazepam verwendet, empfiehlt sich ein stationärer Entzug. Die Dosis einer eventuellen Opioid-Erhaltungstherapie sollte während des Entzugs stabil sein.
Eine begleitende Psychopharmakotherapie richtet sich pragmatisch nach den Symptomen: Antidepressiva bei Depressionen und Schlafstörungen bzw. Pregabalin, Gabapentin, Betablocker als Anxiolytika oder Hypnotika vom Nichtbenzodiazepin-Typ. Bei chronischen Schlafstörungen können auch Trazodon, Doxepin, Mirtazapin oder Trimipramin ein bis drei Stunden vor dem Schlafengehen hilfreich sein.
Entzugssymptome
- Psychisch: verminderte Konzentrationsfähigkeit, Appetitlosigkeit, Ruhelosigkeit, Angst, Panik, Depression, Schlafstörungen, Alpträume bis hin zu paranoiden Gedanken, Halluzinationen, Depersonalisation und Delirium
- Physisch: grippeähnliche Beschwerden, Mundtrockenheit, Agitation, Spasmen, Krampfanfälle, Schwäche, Schmerzen, Tremor, Tachykardie, Tinnitus, Schwindel, Hyperakusis, Dysästhesie
*Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorder, vierte Edition
Quelle: Soyka M. N Engl J Med 2017; 376: 1147-1157
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