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„Drug Holiday“ für Patient:innen mit CPI-Dauertherapie

Es bleibt vielfach unklar, wie lange Patient:innen mit fortgeschrittenen Malignomen CPI einnehmen müssen, um den optimalen Effekt zu erzielen, führte Dr. Dr. Naoko Takebe, National Cancer Institute, Bethesda, ein. In einer Podiumsdiskussion erörterte sie mit weiteren Expert:innen, was Mediziner:innen hinsichtlich einer möglichen Therapiepause bedenken sollten.
NSCLC
Ein Patient mit metastasiertem, squamösen NSCLC (PD-L1 20 %) erreichte mit Carboplatin, Paclitaxel und Pembrolizumab eine PR (Zielläsionen -60 %). Nach neun Monaten dauert diese unter CPI-Erhaltung weiter an. Prof. Dr. Lova Sun von der University of Pennsylvania in Philadelphia diskutierte, ob man ihm einen „Drug Holiday“ anbieten kann, ohne den Therapieerfolg zu gefährden.
In der klinischen Praxis setzen Ärzt:innen die Behandlung meist entweder unbegrenzt fort oder stoppen nach zwei Jahren, wenn es keine Anzeichen für einen Progress gibt. Eine retrospektive Analyse der Resultate aus CheckMate 153 deutet darauf hin, dass ein Jahr Immuntherapie nicht ausreicht. Andererseits gibt es weitere retrospektive Daten, gemäß denen ein Absetzen nach zwei Jahren das OS nicht beeinträchtigte.
Prof. Sun betonte, dass sie ihren Patient:innen mit Lungenkarzinomen wie auch Kopf-Hals-Tumoren routinemäßig eine Therapiepause empfehle: „Insbesondere wenn ich vermute, dass sie tief und anhaltend ansprechen und Toxizitäten akkumulieren, rate ich, nach zwei Jahren aufzuhören.“ Es sei dabei wichtig, die Zustimmung der Behandelten einzuholen und sie frühzeitig darauf vorzubereiten.
Nierenzellkarzinome
Wie lange man die Immuntherapie bei metastasierten Nierenzellkarzinomen fortsetzen sollte, sieht Dr. Dr. Marco Maruzzo, Istituto Oncologico Veneto, Padua, als ungeklärte Frage. Ergebnisse aus CheckMate 214 belegen, dass Erkrankte in der Erstlinie davon profitieren, Nivo/Ipi bis zum Progress oder bis zu unakzeptablen Toxizitäten einzunehmen.
In der Zweitlinie ist es bisher üblich, eine Monotherapie unbegrenzt fortzuführen. Untersuchten Forschende in Studien eine Kombination aus CPI und TKI, endete die Checkpoint-Inhibition wiederum i.d.R. nach zwei Jahren. „Wir haben sie jedoch länger fortgesetzt, wenn sich der/die Erkrankte nicht in Komplettremission befindet oder die Person stark von der Behandlung profitiert“, erläuterte der Uro-Onkologe. Falls Patient:innen eine CR oder eine tiefe bzw. lang anhaltende Partial Response erreichen, könne man allerdings grundsätzlich eine Therapiepause in Betracht ziehen.
Malignes Melanom
Prof. Dr. Dr. Stephane Champiat vom Institut Gustave Roussy, Villejuif, schilderte den Fall einer 33-Jährigen mit metastasiertem Melanom ohne BRAF-Mutation, die eine Nivolumab-Monotherapie erhielt. In der ersten Kontroll-CT nach drei Monaten waren die Läsionen um etwa 25 % zurückgegangen (stable disease). Sie möchte nun die Behandlung unterbrechen, um ein Kind zu bekommen.
Nivolumab kann die Plazenta passieren, erinnerte der Experte, und eine Karenz von mindestens fünf bis sechs Monaten vor der Schwangerschaft sei angeraten. Er wies auch darauf hin, dass das Rückfallrisiko nach Absetzen in dieser Situation bei über 50 % liegt. Wie offiziell empfohlen (s. Kasten) sollte die Patientin möglichst warten, bis sie sich sechs Monate lang in Komplettremission befindet.
Blick in die Melanom-Leitlinie
Nur für das fortgeschrittene maligne Melanom gibt es explizite Leitlinienempfehlungen hinsichtlich einer CPI-Therapiepause. Erkrankte können die Substanzen absetzen, falls sie sich für mindestens sechs Monate in Komplettremission befanden. Lässt sich durch PET-CT oder Biopsie keine Krankheitsaktivität bestätigen, gilt dies auch bei partieller Response oder stabiler Erkrankung. Andernfalls sind Ärzt:innen angehalten, dies nach zwei Jahren erneut zu prüfen.
Unterbrechen Patient:innen die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen, sollte vor jeder Reexposition mit Checkpoint-Inhibitoren der Krankheitsstatus evaluiert werden. Prof. Champiat betonte: „Die Entscheidung hängt auch von der Schwere der aufgetretenen Komplikationen ab.“
Marker für erfolgreiches Absetzen
Alle Referent:innen stimmten darin überein, dass ein tiefes Ansprechen, vor allem eine CR, die Sicherheit eines „Drug Holiday“ erhöht. Eine gute Response lässt sich im Zweifelsfall für die Entscheidung heranziehen. „Besonders wenn es keine klaren Vorgaben gibt, wie lange man die Therapie fortsetzen soll“, ergänzte Dr. Maruzzo. Zudem existieren Hinweise darauf, dass auch die Dauer bis zum Erreichen des optimalen Therapieerfolgs eine Rolle spielt.
Reexposition mit CPI
Hinsichtlich einer Wiederaufnahme der Checkpoint-Inhibition erweist sich u.a. die beste zuvor erreichte Response als relevanter Prognosefaktor. Prof. Sun erinnerte aber: „Beim zweiten Mal fällt sie meist weniger beeindruckend aus.“ Gemäß retrospektiven Auswertungen liegt die Ansprechrate teilweise nur im einstelligen Bereich, eine Krankheitskontrolle lässt sich aber für etwa die Hälfte der Patient:innen erreichen.
Darüber hinaus spielt die Dauer der erfolgreichen Behandlung sowie der Therapiepause eine Rolle. Auch das Muster der Wachstums sollte gemäß der Expertin die Entscheidung beeinflussen: „Wenn eine explosionsartige Progression auftritt, greift man nicht auf die exakt selbe Option zurück, sondern muss möglicherweise eine Chemotherapie hinzunehmen oder die Behandlung anderweitig intensivieren.“
Umgang mit Toxizitäten
Wenn die Therapieunterbrechung aufgrund von Nebenwirkungen erfolgte, müssen Ärzt:innen Risiko und Erfolgsaussichten einer Reexposition im Einzelfall abwägen. Erkrankte, die eine immunvermittelte Komplikation entwickelt hatten, riskieren nicht nur einen Rückfall, sondern haben auch ein erhöhtes Risiko für andere IRAE. „Bei Patient:innen, die schwere Komplikationen hatten und sich weiter in Remission befinden würde ich eher warten“, meinte Prof. Champiat und verwies darauf, das nicht jede:r von ihnen wieder eine Immuntherapie benötigt. Dr. Sun fügte hinzu, dass ein Restaging vor der Reexposition standardmäßig erfolgen sollte.
Bei der Abwägung einer erneuten CPI-Gabe geht es gemäß Prof. Champiat auch um den Schweregrad und das betroffene Organ. So seien beispielsweise eine Myokarditis und neurologische Toxizitäten besonders kritisch. „Ein Faktor, den wir immer diskutieren, ist, ob die Toxizität gut auf Kortikosteroide reagierte oder ob weitere Linien immunsuppressiver Therapie notwendig wurden“, ergänzte der Kollege.
Bedenken sollte man außerdem, dass der Wunsch nach einem „Drug Holiday“ von bisher unbekannten Nebenwirkungen herrühren kann. „Manche Patient:innen wollen eventuell vermeiden, sich über Beschwerden zu beklagen“, gab Prof. Champiat zu bedenken und riet, genauer nachzufragen.
Quelle:
Takebe N, Sun L, Maruzzo M, Champiat S. 2024 ASCO Annual Meeting; Fallbasiertes Expert:innenpanel „Immune Checkpoint Drug Holidays: Tailoring Treatment for Personalized Results“
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