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Aktualisierte Empfehlungen für Nierenzellkrebs

Mit 3,5 % aller Krebsfälle steht das Nierenzellkarzinom beim Mann an achter Stelle der neu diagnostizierten Tumoren. Frauen sind davon etwas seltener betroffen: Das Leiden macht 2,5 % aller Neuerkrankungen aus und belegt damit den zehnten Platz. Die Prognose der Patienten ist vergleichsweise günstig. Beide Geschlechter erreichen Fünf-Jahres-Überlebensraten von 75 % bzw. 77 %.
Die Einführung zielgerichteter Substanzen hat die Therapie des Nierenzellkarzinoms grundlegend verändert. Eine Vielzahl verschiedener Medikamente wurde in den Behandlungsalgorithmus aufgenommen: Hemmer des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors (VEGF) oder dessen Rezeptors (VEGFR), Wirkstoffe, die sich gegen das mammalian Target of Rapamycin (mTOR) richten sowie verschiedene Checkpoint-Inhibitoren. Es gilt dabei das Prinzip der Sequenz: Bei Versagen einer Therapie soll eine Folgebehandlung angeboten werden.
Erstlinie
Im Hinblick auf Diagnostik, Operation sowie Nachsorge der Erkrankung hält die Leitlinienkommission an ihren Ausführungen in der Vorgängerversion fest. Die inhaltlichen Änderungen betreffen hauptsächlich die Gestaltung der systemischen Therapie des fortgeschrittenen und/oder metastasierten klarzelligen Nierenzellkarzinoms. So soll sich die Wahl der Substanzen in der ersten Linie am IMDC*-Risiko – d.h. günstig, intermediär oder schlecht – sowie an patientenindividuellen Faktoren orientieren.
Weiterhin empfehlen die Experten, die Kombination aus Pembrolizumab und Axitinib in allen Risikogruppen anzuwenden (Empfehlungsgrad [EG]: A). Gleiches gilt für die duale Gabe von Avelumab und Axitinib (EG: B). Betroffene mit intermediärem oder schlechtem Score sollen Pembrolizumab plus Axitinib oder Ipilimumab plus Nivolumab erhalten, erklären die Autoren der Leitlinie (EG: A).
Für manche Erkrankte kommt jedoch in der Erstlinie eine Kombination mit einem Checkpoint-Inhibitor nicht infrage. Ist das Risiko günstig, so bieten sich Bevacizumab plus INF, Pazopanib, Sunitinib oder Tivozanib (EG: A) an. Für die Behandlung von Patienten mit intermediärem Score sollen Kollegen laut den Leitlinien-Experten wiederum auf Cabozantinib, Pazopanib, Sunitinib oder Tivozanib (EG: B) beziehungsweise auf Bevacizumab plus INF als individuelle Strategie (EG: 0) zurückgreifen. Die Autoren empfehlen weiterhin, Personen mit ungünstigem Profil Cabozantinib oder Sunitinib (EG: B) bzw. Pazopanib oder Temsirolimus (EG: 0) als individuelles Konzept zu geben.
Zweitlinie
Die aktuellen Änderungen betreffen zudem die zweite Linie. Laut den Experten sollen nach Versagen einer alleinigen VEGF- oder VEGFR-basierten Behandlung in der Folge Cabozantinib oder Nivolumab zum Einsatz kommen (EG: A). Eine spezifische Sequenz der Substanzen geben die Autoren der Leitlinie allerdings nicht vor. Auch die Kombination aus Lenvatinib plus Everolimus ist denkbar (EG: B).
Ist es in diesem Setting nicht möglich, nach der Standardempfehlung zu handeln, führen die Experten die alternative Therapie mit einem anderen Tyrosinkinase-Inhibitor an (EG: 0). Nach Versagen einer checkpoint-inhibitor-basierten Erstlinienstrategie ist kein Standard etabliert, so die Kommission weiter. Bewirkt die duale Gabe von Nivolumab plus Ipilimumab nicht den gewünschten Effekt, so sollte eine Behandlung auf Basis von Tyrosinkinase-Inhibitoren erfolgen. Cave: entsprechenden Zulassungsstatus beachten! Nur im Fall von Sunitinib deckt die Zulassung den Einsatz nach Nivolumab plus Ipilimumab ab. Bei allen anderen Tyrosinkinase-Inhibitoren handelt es sich um einen Off-Label-Gebrauch.
Versagt eine Kombinationstherapie aus Pembrolizumab und Axitinib oder Avelumab und Axitinib, sollten Ärzte gemäß Expertenkonsens ebenfalls eine tyrosinkinase-inhibitor-basierte Strategie verfolgen. Auch in diesem Fall ist der Status der Substanzen entscheidend: Der Zulassungstext deckt Sunitinib, Cabozantinib und Lenvatinib plus Everolimus für diese Indikation ab. Der Zweitlinientherapie nach Versagen eines mTOR-Inhibitors widmet die Leitlinie ein eigenes Unterkapitel. Mangels Standard raten die Experten zu einer Folgebehandlung mit einem Tyrosinkinase-Inhibitor oder Nivolumab (EG: B).
Drittlinie
Ein neuer Abschnitt befasst sich mit der dritten Linie. Diesbezüglich fehlt ebenfalls ein Standard, so die Autoren. Für die Wahl der Systemtherapie müssen die Vorbehandlungen berücksichtigt werden: In der dritten Linie sollen Substanzen zum Einsatz kommen, welche die Betroffenen zuvor noch nicht erhalten haben.
Weiterhin aktualisierten die Experten den Passus zur Langzeitkontrolle nach einem Einsatz von Checkpoint-Inhibitoren. Dabei sollen Kollegen Patienten auch nach Ende der Behandlung auf immunvermittelte Nebenwirkungen kontrollieren. Sie empfehlen, entsprechende Ereignisse umgehend zu therapieren (EG: A).
Weitere Änderungen
Eine zusätzliche Adaptation betrifft die Empfehlungen für Betroffene mit terminaler Niereninsuffizienz: Laut Konsens stellt diese Erkrankung und/oder eine Hämodialyse keine Kontraindikation gegen eine systemische Behandlung mit Tyrosinkinase-, Checkpoint- oder mTOR-Inhibitoren dar.
Die in der Vorgängerversion der Leitlinie vorhandenen Kapitel zur Sequenz- bzw. Kombinationstherapie des klarzelligen Nierenzellkarzinoms haben die Experten gestrichen. Überarbeitet hingegen haben sie den Abschnitt zu Beginn, Dauer und Wechsel der systemischen Behandlung in der metastasierten Situation. Dementsprechend sollen Kollegen patientenindividuelle Faktoren wie die zu erwartende Effektivität, das Toxizitätsspektrum und die Komorbiditäten berücksichtigen, wenn sie Medikamente in der jeweiligen Linie auswählen.
Besteht beim Patienten eine tumorbedingte Symptomatik oder ist die Prognose schlecht, empfehlen die Autoren einen zügigen Therapiebeginn. Asymptomatische Erkrankte mit günstiger oder intermediärer Prognose hingegen können die zielgerichteten Substanzen erst bei nachgewiesenem Progress und fehlender lokaler Behandlungsmöglichkeit erhalten.
Bildgebung alle sechs bis zwölf Wochen
Ärzte sollten die laufende Behandlung erst dann wechseln, wenn die Krankheit nachgewiesen voranschreitet und Behandlungsoptionen fehlen bzw. auch, wenn nicht tolerable Nebenwirkungen auftreten. Es sei dabei zu berücksichtigen, dass Checkpoint-Inhibitoren zu einer transienten Größenzunahme in der ersten Phase führen können.
Weisen Betroffene nur geringfügig Symptome auf, haben sie einen guten Performance-Status und vertragen sie die Therapie gut, sollten Kollegen einen Tumorprogress unter Checkpoint-Inhibitoren mittels Verlaufskontrolle bestätigen. Weiterhin raten die Experten dazu, unter einer laufenden systemischen Behandlung regelmäßig eine Schnittbildgebung – vorzugsweise mittels CT – in Intervallen von sechs bis zwölf Wochen durchzuführen.
* International Metastatic Renal Cell Cancer Database Consortium
Quelle: S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Nierenzellkarzinoms; AWMF-Register-Nr.: 043/017OL, www.awmf.org
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