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Nun auch ein Kapitel zu Nicht-Klarzellern

Frau Prof. Krege, Sie haben zusammen mit Prof. Dr. Christian Doehn, Urologikum Lübeck, die Aktualisierung der S3-Leitlinie Nierenzellkarzinom koordiniert. Es wurde u.a. ein Kapitel zu den nicht-klarzelligen Tumoren aufgenommen. Wie häufig kommen diese vor und wie lauten die Empfehlungen zur Diagnostik?
Prof. Dr. Susanne Krege: Nicht-klarzellige Karzinome machen circa 20–25 % der malignen Nierentumoren aus. Die Diagnostik unterscheidet sich nicht von den Klarzellern. Sie erfolgt zunächst sonografisch oder per CT. Mittels Histologie entscheiden Patholog:innen letztendlich zwischen den beiden Formen. Insgesamt gibt es 15 Untergruppen von nicht-klarzelligem Nierenkrebs. Dabei sind die papillären Tumoren am häufigsten, gefolgt von den chromophoben und den klarzellig-papillären Karzinomen. Alle anderen Untergruppen machen jeweils weniger als 1 % aus.
Wie sollte nicht-klarzelliger Nierenzellkrebs behandelt werden?
Prof. Krege: Leider gibt es bisher nur wenige Studien zu den Nicht-Klarzellern. Insgesamt unterscheiden sich Therapie und Nachsorge nicht von den klarzelligen Tumoren. Eine alleinige zytokinbasierte Behandlung sollte nicht durchgeführt werden – diese kommt aber auch bei den Klarzellern eigentlich nur noch in Einzelfällen zum Einsatz. Die systemische Therapie besteht aus einer Immun-Immun- oder Immun-TKI-Kombination. Im Falle einer Monotherapie sind bei den Nicht-Klarzellern TKI, vorzugsweise Sunitinib, einzusetzen. Für die Behandlung von chromophoben Tumoren können alternativ mTOR-Inhibitoren gegeben werden. Für Tumoren mit sarkomatoidem Anteil scheint die Immuntherapie alleinig oder in Kombination von Vorteil, da eine höhere PD-L1-Expression beschrieben wird.
Welche Modifikationen haben sich in der Erstlinientherapie des fortgeschrittenen oder metastasierten klarzelligen Nierenzellkarzinoms ergeben?
Prof. Krege: Bisher standen in der Erstlinie drei Kombinationen zur Verfügung: Pembrolizumab/Axitinib und Avelumab/Axitinib für alle Risikogruppen sowie Ipilimumab/Nivolumab im Falle eines intermediären bis hohen Risikos. Avelumab/Axitinib hatte nur eine „sollte“-Empfehlung, weil kein Überlebensvorteil für die Gesamtpopulation demonstriert werden konnte.
Die Kombination Nivolumab/Cabozantinib wurde auf Basis der CheckMate9ER-Studie neu aufgenommen, Pembrolizumab/Lenvatinib kam aufgrund der positiv ausgefallenen CLEAR-Studie hinzu. Beide werden in der Leitlinie mit einer „soll“-Empfehlung für alle Risikogruppen genannt. Pembrolizumab/Lenvatinib zeichnete sich besonders durch die hohe ORR von 71 % aus, mit mehr als 16 % Komplettremissionen. In beiden Studien wurden die primären Endpunkte erreicht.
Man darf aber die Nebenwirkungsrate nicht vernachlässigen. In CLEAR entwickelten 70 % der Teilnehmenden unerwünschte Ereignisse ≥ Grad 3, in CheckMate9ER waren es 60 %. Allerdings zeigen Real-World-Daten eine geringere Rate solcher Nebenwirkungen, als in klinischen Studien berichtet, und sie sind besser zu handhaben. Das liegt zum einen daran, dass unerwünschte Ereignisse in klinischen Studien genauer dokumentiert werden. Zum anderen hat man mittlerweile gelernt, mit den neueren Substanzen umzugehen.
Für wen eignet sich welche der fünf Kombinationen am besten?
Prof. Krege: Avelumab/Axitinib wird empfohlen, wenn die Patient:innen für keine der anderen vier Optionen infrage kommen. Die „sollte“-Deklaration blieb also bestehen und wurde sogar noch weiter zurückgestuft. Können die Erkrankten mit einer der vier anderen Kombinationen behandelt werden, kommt es unter anderem auf Komorbiditäten und Ziele der Therapie an: Wird ein schnelles und anhaltendes Ansprechen gewünscht oder geht es mehr darum, den Tumor einzudämmen und an Lebensqualität zu gewinnen? Im ersten Fall könnte die hohe CR-Rate von Pembrolizumab/Lenvatinib für die Wahl der Therapie von Bedeutung sein. Wir stehen heute vor dem „Dilemma“, dass uns eine ganze Palette von Kombinationen zur Auswahl steht und es schwierig bleibt, eine Entscheidung zu treffen.
Nächste Aktualisierung bereits geplant
Die S3-Leitlinie entstand unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) und der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) sowie unter Mitwirkung von 33 weiteren Fachgesellschaften und Organisationen.
Die Leitlinienautor:innen planen, im nächsten Schritt ein neues Kapitel zu den erblichen Nierentumoren aufzunehmen. Die Aktualisierung ist bereits in Arbeit.
Haben sich Empfehlungen in Bezug auf die Adjuvanz und Neoadjuvanz geändert? Wenn ja, inwiefern?
Prof. Krege: Für die Neoadjuvanz erhoffte man sich, dass sich damit große Tumoren verkleinern und besser operieren lassen. Auch verfolgte man mit der Neoadjuvanz das Ziel, mögliche Mikrometastasen bzw. zirkulierende Tumorzellen zu behandeln. Leider gab es in bisherigen Studien diesbezüglich keine positiven Ergebnisse. Es laufen noch weitere Untersuchungen mit TKI und Immuntherapeutika. In der Leitlinie lautet die Empfehlung weiterhin, die Neoadjuvanz nur im Rahmen von Studien durchzuführen.
Bezüglich der Adjuvanz gab es eine ganze Reihe von Untersuchungen mit TKI. In der S-TRACT-Studie hat sich durch eine adjuvante Behandlung mit Sunitinib ein gewisser PFS-Vorteil ergeben, weshalb die Substanz in diesem Setting in den USA zugelassen wurde. In Deutschland hat Sunitinib die Zulassung für die Adjuvanz nicht erhalten, da der Benefit nur für eine bestimmte Untergruppe bestand, der in der ASSURE-Studie nicht bestätigt werden konnte.
In der Keynote-564-Studie hat sich Pembrolizumab gegenüber Placebo, jeweils über ein Jahr gegeben, als wirksam herausgestellt: Das krankheitsfreie Überleben verbesserte sich mit 85,7 % vs. 76,2 % nach einem Jahr signifikant, nach zwei Jahren betrug es 77,3 % vs. 68,1 %. Das mediane Gesamtüberleben steht noch aus, es zeichnet sich aber bereits ein Trend zugunsten von Pembrolizumab ab.
Allerdings ging die Therapie mit signifikant mehr Nebenwirkungen vom Grad 3 oder höher einher. Die Raten betrugen 32 % unter Pembrolizumab vs. 17 % unter Sunitinib. In der Leitlinie erhielt der CPI für Patient:innen mit intermediär/hohem und hohem Risiko eine „sollte“-Empfehlung. Zudem kann man die Therapie bei oligotop metastasierten Erkrankten nach Resektion von Primärtumor und Metastasen (M1 NED) konsolidierend einsetzen.
Trichlorethen wurde erstmals als Risikofaktor für die Entwicklung eines Nierenzellkarzinoms aufgenommen. Auch besteht die Möglichkeit der Anerkennung als Berufskrankheit. Wie kam es zu dieser Empfehlung?
Prof. Krege: Die Substanz ist bereits länger als Risikofaktor bekannt. Im Zeitraum 2000–2016 gab es etwa 46 Fälle von Nierenzellkarzinomen, die als Berufserkrankung anerkannt wurden. Im Jahr 2018 hat der ärztliche Sachverständigenbeirat ein Gutachten mit den Voraussetzungen für eine Anerkennung als Berufskrankheit veröffentlicht: Die Beschäftigten müssen drei Jahre lang der Substanz ausgesetzt sein und entsprechende Symptome wie Benommenheit, Schwindel und Kopfschmerzen aufweisen. Die Latenzzeit bis zum Auftreten eines Nierenkarzinoms beträgt mindestens zehn Jahre. Eine weitere Voraussetzung ist die primäre Diagnose eines Nierenzellkarzinoms.
Interview: Dr. Miriam Sonnet
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