Durchbruch oder vergeblicher Aufwand?

Lara Sommer

Die hypertherme intra­peritoneale Chemotherapie könnte in die Routineversorgung bei Ovarialkarzinomen aufgenommen werden. Die hypertherme intra­peritoneale Chemotherapie könnte in die Routineversorgung bei Ovarialkarzinomen aufgenommen werden. © blueringmedia– stock.adobe.com

Beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom kann HIPEC die lokale Kontrolle im Peritoneum verbessern. Über die Aussagekraft der vorhandenen Evidenz wird jedoch kontrovers diskutiert. Einige Leitlinienkommissionen haben das Verfahren in ihre Empfehlungen aufgenommen, die ESMO bisher nicht. Zwei Professorinnen diskutierten, ob die Methode reif für die Regelversorgung ist.

Die hypertherme intra­peritoneale Chemotherapie (HIPEC) erfüllt alle Voraussetzungen, um in die Routineversorgung bei fortgeschrittenen Ovarialkarzinomen aufgenommen zu werden – dieser Ansicht ist Prof. Dr. ­Willemien van Driel, Netherlands Cancer Institute, Amsterdam. Zuerst einmal gebe es eine klinische Rationale für das Vorgehen: „Wir wissen, dass Hyperthermie einen synergistischen Effekt mit Cis­platin ausübt.“ 

Im Folgenden stellte die Referentin die Ergebnisse aus drei RCT (OVHIPEC-1, KOV-HIPEC-01 und CarcinoHIPEC) vor, welche für sie die Effizienz von HIPEC bei fortgeschrittenen Ovarialkarzinomen belegen. In diesen Studien war der Eingriff mit einem Vorteil für PFS und Gesamtüberleben verbunden, zumindest im Rahmen einer Intervall-CRS*.

Bezüglich der Finanzen rechne­­te Prof. van Driel vor: „HIPEC kostet im niederländischen Gesundheits­­system 50.000 Euro. Wenn Sie das ­mit der Erhaltungstherapie vergleichen, sind das 25 % der Kosten.“

Eine Studie an zehn HIPEC-Zentren in den Niederlanden habe demonstriert, dass das Verfahren in der klinischen Praxis implementiert werden kann. Die teilnehmenden Ärzt:innen erreichten einen Konsens, was beispielsweise Patientinnenselektion, technische Aspekte des Eingriffs sowie die postoperative Versorgung betraf.

Laut der Referentin deckten sich die Erfahrungen, die bisher aus der klinischen Anwendung berichtet wurden, weitgehend mit den Ergebnissen der Studien. In den zehn niederländischen Zentren erwiesen sich die Rate schwerer Komplikationen und die 30-Tages-Mortalität bei einer zytoreduktiven Operation mit und ohne HIPEC als ähnlich. „Am wichtigsten: Die mediane Zeitspanne bis zur Wiederaufnahme der Chemotherapie war in beiden Gruppen vergleichbar“, betonte Prof. van Driel.

Für Patientinnen im Stadium III empfahl die Gynäkologin eindeutig, im Rahmen einer Intervall-CRS ­HIPEC durchzuführen. Bezüglich Stadium IV, primärer Operation und wiederkehrender Erkrankung fehle es noch an Daten. Insgesamt bleibe die Bauchhöhlenperfusion aber eine von mehreren Optionen.

Prof. Dr. Leslie Randall, Virginia Commonwealth University, Richmond, vertrat die Position, wir wüssten noch nicht genug, um HIPEC wissenschaftlich fundiert einzusetzen. In der Praxis habe der Eingriff eine Reihe von Nachteilen, darunter zusätzlicher Zeitbedarf im Operationssaal und eine potenzielle Kontamination des Personals mit Chemotherapeutika. „Wenn man diesen Aufwand betreibt, sollte es besser funktionieren“, gab die Referentin kritisch zu bedenken.

Bis 2018 existierten keine randomisierten Forschungsdaten zu diesem Thema. Dann hätten Studien­ergebnisse eine gewisse Wirksamkeit belegt. „Der Vorteil ist nicht groß und betrifft eine Nischenpopulation“, relativierte Prof. Randall. Die nachgewiesenen Erfolge seien auf eine neoadjuvante Situation in Stadium III beschränkt. Diese Gruppe stelle wiederum eine Minderheit dar: „Wir streben immer noch eine primäre Debulking Surgery an, wenn sie möglich ist.“

Die Expertin räumte ein, sie könne nicht mehr überzeugend argumentieren, dass HIPEC unvertretbar toxisch für die Patientinnen sei. Insgesamt hätten sich die Komplikations­raten als ähnlich zu reiner CRS erwiesen. Auch die Problematik akuter Nierenschädigungen hätten die Behandelnden zu beherrschen gelernt.

Rezidive im Peritonealraum träten nach HIPEC seltener auf. Das habe eine gewisse klinische Relevanz, da bisher viele Patientinnen an mali­gnen Darmverschlüssen sterben. Beim Endometriumkarzinom habe man das Konzept der lokalen Kontrolle allerdings als nicht zielführend verworfen.

„Wir waren schon einmal an diesem Punkt“, argumentierte Prof. Randall. In den Neunzigern und Zweitausendern habe es erfolgreiche Phase-3-Studien zur intraperi­tonealen Chemotherapie gegeben. Als man die Untersuchungen einschließlich einer Bevacizumab-Erhaltung wiederholte, konnte man keinen PFS-Vorteil mehr nachweisen. Auch im Falle von HIPEC bleibe unklar, ob eine Erhaltungstherapie nach CRS den Nutzen negiere. In den bisherigen Studien hätten die Forschenden diesen Faktor nicht berücksichtigt.

Die zwei Hauptkriterien

Abschließend fasste die Referentin zwei Hauptkritikpunkte zusammen: „Bisher beschränkt sich der erwiesene Nutzen auf die neoadjuvante Situation im Rahmen einer Intervall-CRS.“ Außerdem müsse man die Überlegenheit des Verfahrens noch an Patientinnen testen, die später PARP-Inhibitoren oder Bevacizumab einnehmen.

Vor und nach den Vorträgen wurden die Zuschauer:innen gebeten, ihre Einschätzung zu verschiedenen Aspekten von HIPEC abzugeben. Das Meinungsbild veränderte sich kaum: Am Ende hielten es 41 % der Teilnehmenden für eine wertvolle neue Technik in der Bekämpfung fortgeschrittener Ovarialkarzinome, während 49 % diese Aussage ablehnten.

* cytoreductive surgery

Quelle:
van Driel W, Randall L. ESMO Gynaecological Cancers Congress 2023; Controversy Session “How hot is HIPEC treatment in ovarian cancer?“

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Die hypertherme intra­peritoneale Chemotherapie könnte in die Routineversorgung bei Ovarialkarzinomen aufgenommen werden. Die hypertherme intra­peritoneale Chemotherapie könnte in die Routineversorgung bei Ovarialkarzinomen aufgenommen werden. © blueringmedia– stock.adobe.com