Lymphknoten beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom nicht routinemäßig entfernen

Dr. Judith Lorenz

Die 60-Tages-Mortalität stieg im Lymphonodektomiearm von 0,9 auf 3,1 % an. Die 60-Tages-Mortalität stieg im Lymphonodektomiearm von 0,9 auf 3,1 % an. © iStock/Ivan-balvan

Ziel der chirurgischen Therapie des fortgeschrittenen Ovarialkarzinoms ist die vollständige Entfernung aller sichtbaren Tumorherde. Dieses Vorgehen umfasst traditionell auch die Lymphonodektomie. Dass das nicht in allen Fällen sinnvoll ist, belegen nun prospektive Studiendaten.

Neben der Größe des postoperativen Residualtumors stellt die lymphatische Tumorausbreitung einen wichtigen Prognosefaktor des Ovarialkarzinoms dar. Angesichts dessen erfolgt in vielen Fällen im Rahmen des Primäreingriffs auch eine systematische pelvine und paraaortale Lymphonod­ektomie.

Diese Strategie ist jedoch nur unzureichend durch prospektive Studien abgesichert, schreiben Wissenschaftler um Privatdozent Dr. Philipp Harter von der Klinik für Gynäkologie und Gynäkologische Onkologie der Evang. Kliniken Essen-Mitte. Sie haben sich daher mit dieser Problematik im Rahmen der randomisierten LION*-Studie beschäftigt.

An der zwischen 2008 und 2012 durchgeführten Multicenterstudie nahmen 647 Patientinnen mit einem fortgeschrittenen, histologisch bestätigten epithelialen Ovarialkarzinom im FIGO-Stadium IIB-IV teil. Bei ihnen konnten alle makroskopischen Tumorabsiedlungen vollständig entfernt werden. Nach Eröffnung des Retroperitoneums stellten sich in allen Fällen die Lymphknoten klinisch unauffällig dar. Gemäß Randomisierung erfolgte bei etwa der Hälfte der Patientinnen eine sys­tematische pelvine und paraaortale Lymphonodektomie. In den übrigen Fällen wurde auf die Dissektion der Lymphabflusswege verzichtet.

In vielen Fällen wurde die Operation ausgeweitet

Neben der bilateralen Salpingo-Oophorektomie, Hysterektomie und Omentektomie führten die Operateure bei etwa 90 % der Studienpatientinnen eine parietale Peritonektomie durch. In mehr als 50 % der Fälle erfolgte eine Resektion gastrointestinaler Organanteile. In der Lymphonodektomie-Gruppe wurden im Median 57 Lymphknoten entfernt – 35 pelvine und 22 paraaortale. In 55,7 % der Fälle wies die histologische Aufarbeitung der Präparate mikroskopische Lymphknotenmetastasen nach.

Kein Überlebensvorteil durch Lymphonodektomie

Die Studienendpunkte umfassten das Gesamtüberleben sowie das progressionsfreie Überleben. Ferner objektivierten die Wissenschaftler perioperative Komplikationen und erfassten die Lebensqualität der Patientinnen mithilfe des EORTC-Fragebogens QLQ-C30 sowie dessen Ovarialkarzinom-Modul QLQ-OV28. Das mediane Gesamtüberleben betrug nach Lymphonodektomie 65,5 und ohne diesen Eingriff 69,2 Monate (Hazard Ratio für Tod in der Lymphonodektomie-Gruppe: 1,06; 95%-KI 0,83–1,34; p = 0,65). Auch bezüglich des progressionsfreien Überlebens stellten die Forscher keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Studienarmen fest (25,5 Monate in beiden Gruppen; HR für Tod oder Progress in der Lymphonodektomie-Gruppe: 1,11; 95%-KI 0,92–1,34; p = 0,29). Allerdings ging die Ausweitung des Debulking-Eingriffs auf die Lymph­abflusswege mit einer Reihe signifikanter Risiken einher:
  • Die mediane Operationsdauer verlängerte sich,
  • die Transfusionshäufigkeit nahm zu und
  • die lymphonodektomierten Patientinnen mussten nach der Operation häufiger intensivmedizinisch behandelt werden.
Auch bezüglich des Infektionsrisikos (25,8 vs. 18,6 %; p = 0,03), der Ausbildung asymptomatischer (4,3 vs. 0,3 %; p < 0,001) und symptomatischer (3,1 vs. 0 %; p = 0,001) Lymphzysten bei der Klinikentlassung, der Häufigkeit komplikationsbedingter Relaparotomien (12,4 vs. 6,5 %; p = 0,01) sowie der 60-Tages-Mortalität (3,1 vs. 0,9 %; p = 0,049) waren die Patientinnen der Lymphonodektomie-Gruppe im Nachteil. Bezüglich der Lebensqualität unterschieden sich die beiden Studiengruppen nicht signifikant.

Experten raten von systematischer Entfernung ab

Makroskopisch tumorfreie Ovarialkarzinompatientinnen mit klinisch unauffälligen Lymphknoten profitieren hinsichtlich der Überlebensprognose nicht von einer sys­tematischen Lymphonodektomie, schlussfolgern die Wissenschaftler. Im Gegenteil: Der Eingriff gehe mit einer erheblichen Morbidität einher.

* Lymphadenectomy in Ovarian Neoplasms

Quelle: Harter P et al. N Engl J Med 2019; 380: 822-832

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Die 60-Tages-Mortalität stieg im Lymphonodektomiearm von 0,9 auf 3,1 % an. Die 60-Tages-Mortalität stieg im Lymphonodektomiearm von 0,9 auf 3,1 % an. © iStock/Ivan-balvan