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Ein Blick in die Zukunft

„Die Zukunft ist heute schon da“, leitete Dr. Lars Lange von der Kinder- und Jugendmedizin an den GFO Kliniken Bonn, Standort St. Marien, seine Visionen zu pädiatrischen Nahrungsmittelallergien für das Jahr 2030 ein. Sein erstes Thema: die Prävention. „Wir können schon am zweiten Lebenstag eine Nahrungsmittelallergie vorhersagen“, erklärte der Pädiater. Das gelingt über die Messung des transepidermalen Wasserverlustes (TEWL), der sich ganz einfach in die U2 integrieren ließe. Der prädiktive Wert hat sich in einer Studie mit rund 1.900 Kindern gezeigt: 75 % der Teilnehmer, die im Alter von zwei Jahren an einer Nahrungsmittelallergie litten, hatten bereits am zweiten Lebenstag TEWL-Werte im obersten Quartil.
Emollenzien beugen einer Neurodermitis nicht vor
Die Entwicklung muss man sich so vorstellen: Der Wasserverlust trocknet die Haut aus, trockene Haut begünstigt Ekzeme bis hin zur Neurodermitis, die wiederum führt zu Sensibilisierungen und endet eventuell im atopischen Marsch. Einfach nur wahllos zu cremen hilft aber nichts. Das stellte sich in zwei sehr großen Studien heraus, in denen die Haut von Risikokindern vorbeugend mit Emollenzien behandelt wurde. Beide Untersuchungen scheiterten im Hinblick auf die Vorbeugung einer Neurodermitis. Dr. Lange riet dazu, Topika individuell nach Hautbeschaffenheit und Jahreszeit auszuwählen, ein differenzierter Lipidmix plus Ceramide könnten die Wende bringen.
Allergien auf Kuhmilch müssten nach Aussage des Referenten überhaupt nicht mehr sein. Nachweislich bewahrt die tägliche geringe Zufuhr von wenigstens 10 ml Kuhmilch Babys vor dieser Sensibilisierung. „In der Praxis haben wir oft das Problem der hidden bottle“, erklärte Dr. Lange. Dies bedeutet, dass Säuglinge von frischgebackenen Müttern, die nicht gleich stillen können, vorübergehend Milch aus der Flasche erhalten. Klappt es dann mit der Brustfütterung, kommt die Flasche weg, die Kleinen werden nicht weiter desensibilisiert, die Gefahr für eine Allergie steigt.
In der Prävention von Allergien bei Neurodermitikern lautete die klare Botschaft des Kinderarztes: weg mit der Angst vor Steroiden. Moderne Steroide sind effektiv und auch langfristig sicher. Wie japanische Forscher zeigen konnten, führt eine frühe, aggressive, proaktive Therapie zur Remission und verhindert Allergien. „Wir brauchen die Remission und wir müssen sie erhalten“, mahnte Dr. Lange. Seine Zukunftsvisionen zum Stichwort Vorbeugung fasste er so zusammen:
- Risikokinder werden gezielt erkannt, die Eltern früh zu Pflege und Beikost beraten.
- Kinder erhalten eine passgenaue, in Studien evaluierte Basistherapie, um Ekzeme zu verhindern.
- Wenn ein Ekzem auftritt, erfolgt eine frühe, mutige und konsequente antientzündliche Therapie.
Was die Diagnostik angeht, träumt Dr. Lange von der Analyse des molecular spreading. Sensibilisierungsmuster auf die Proteine eines Allergens verraten den zukünftigen klinischen Verlauf. „Je mehr erkannt werden, umso kranker werden die Kinder später“, erläuterte der Pädiater. Man muss oligosensibilisierte Kinder mit milden Symptomen und einer höheren Wahrscheinlichkeit für eine spätere Toleranz von bereits frühzeitig breit sensibilisierten mit schweren Symptomen unterscheiden. Letztere haben kaum eine Chance auf Toleranz und brauchen eher eine Immuntherapie.
Therapeutisch stehen in erster Linie die epikutane und die orale Immuntherapie (EPIT/OIT), evtl. auch in Kombination, zur Verfügung. Die OIT kann ggfs. durch Biologika ergänzt werden.
Doch noch gibt es viele Probleme: Biologika sind für Nahrungsmittelallergien nicht zugelassen und off label zu teuer. OIT gibt es kommerziell nicht für Milch, Ei und Nüsse, bei der OIT gegen die Erdnuss sind kleine Kinder und Erwachsene außen vor (s. Kasten), und Menschen mit multiplen Sensibilisierungen auf Nahrungsmittel haben ganz schlechte Karten. Eine Möglichkeit für schwer kranke Polyallergiker ist die gleichzeitige OIT mit standardisierten Mixturen verschiedener Nahrungsmittel nach Vorbehandlung mit Omalizumab. Die Wirksamkeit sollte man mit wiederholten Provokationen überprüfen.
Erdnussallergie oral lindern
- OIT und EPIT sind ab dem ersten Lebensjahr für Allergien auf Erdnuss, Haselnuss, Cashew, Walnuss und Sesam verfügbar.
- Es gibt deutsche Leitlinien für die konkrete Durchführung einer OIT mit Milch, Ei und Weizen mit nativen Nahrungsmitteln bei Schulkindern.
- Für Vorschulkinder liegen klare Empfehlungen zur schrittweisen Einführung von stark erhitztem Ei und stark erhitzter Milch vor.
- Es existiert eine EPIT für Jugendliche mit schwerer Ei- oder Kuhmilchallergie.
„Kann Spuren enthalten von ... ist Mist“
Quelle: Allergologie im Kloster 2021
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