Engstelle zwischen Theorie und Praxis

Dr. Sascha Gehrken

Bis zur Amputation sollte es bei einer PAVK gar nicht erst kommen. Doch die Rate liegt in Deutschland mit 22/100.000 Einwohnern
unverändert hoch – nicht zuletzt, weil die Revaskularisierungsmaßnahmen zu kurz kommen. Bis zur Amputation sollte es bei einer PAVK gar nicht erst kommen. Doch die Rate liegt in Deutschland mit 22/100.000 Einwohnern unverändert hoch – nicht zuletzt, weil die Revaskularisierungsmaßnahmen zu kurz kommen. © Adobe Stock/vzmaze

Durch eine PAVK drohen extremitätenbezogene Ereignisse wie Amputationen, aber auch schwere kardiovaskuläre Komplikationen. Es gibt klare Empfehlungen, um Patienten davor zu bewahren. Im Alltag hapert es allerdings schon an der Basismedikation.

Nur jeder Zehnte mit PAVK leidet unter einer Claudicatio intermittens. Ein Screening auf die Gefäßkrankheit sollte sich daher nicht auf Patienten mit charakteristischen Wadenschmerzen beschränken (s. Kasten), erinnerte Dr. Katja­ Mühlberg­, Medizinische Klinik für Angiologie, Universitätsklinikum Leipzig.

Nicht nur Patienten mit Claudicatio screenen

In folgenden Situationen sollte man nach einer PAVK suchen:
  • Claudicatio intermittens
  • nicht-heilende Wunden
  • asymptomatische Patienten ab 65 Jahre
  • symptomatische Patienten unter 65 Jahre mit positiver Familienanamnese
  • andere Atherosklerosemanifestationen (KHK, Carotis, etc.)
Bevorzugt erfolgt das Screening mittels arterieller Verschlussdruckmessung.

Der Großteil weist eine „maskierte PAVK“ auf. Dieser Terminus beschreibt Betroffene, deren Gehfähigkeit aufgrund eines weiteren Leidens stark eingeschränkt ist. Dazu zählen z.B. Arthrosepatienten, die längere Strecken zu Fuß gar nicht bewältigen können und entsprechend auch keine Belastungs­ischämie ausbilden. Das führt dazu, dass sie häufig erst in fortgeschrittenen PAVK-Stadien (III/IV nach Fontaine) einen Arzt aufsuchen. Bei solchen kritischen Ischämien bleibt dann nur noch die Revaskularisierung, um Amputationen zu verhindern­.

Nicht einmal jeder dritte Patient löst sein Rezept ein

Die interventionelle oder operative Wiederherstellung der Durchblutung kommt im Alltag aber zu kurz. Dr. Mühlberg verdeutlichte das an einer Studie aus dem Jahr 2015, die „überhaupt nichts an Aktualität eingebüßt hat“. Der Analyse zufolge wurde bei 44 % aller Amputationskandidaten vor der Amputation weder eine Angiographie durchgeführt noch ein Revaskularisierungsversuch unternommen. „Das ist eine Katastrophe“, so die Kollegin. Ähnlich desolat sieht es in Sachen medikamentöse Therapie aus. Eigentlich sollen alle PAVK-Patienten ein Statin und bei Symptomen zusätzlich einen Plättchenhemmer erhalten. Europäische Versorgungsdaten aus dem ambulanten Sektor zeigen aber, dass im Jahr 2018 lediglich 56 % ein Statin verordnet bekamen und weniger als 50 % einen Plättchenhemmer. Versorgungsdaten der KV Westfalen-Lippe belegen darüber hinaus: Nicht einmal jeder Dritte mit PAVK löst sein Rezept ein. Die Basismedikation erreicht folglich nur 15 % der Patienten. Vernachlässigt wird laut der Expertin zudem das Gehtraining, obwohl es als eine der wichtigsten Therapiesäulen gilt. Am besten erfolgt es – wie in der deutschen Klug-Entscheiden-Initiative festgelegt – im Rahmen eines strukturierten Programms. Entsprechende Angebote sind verordnungsfähig (Muster 56 Reha-Sport), erinnerte Dr. Mühlberg. Doch leider gebe es bundesweit keine flächendeckenden Gefäßsportgruppen. „Wo immer es geht, nutzen Sie auch Herzsportgruppen für Ihre PAVK-Patienten“, so ihr Rat. Bieten sich keine strukturierten Programme an, können angeleitetes Selbstmanagement und Apps den Betroffenen das Gehtraining erleichtern.

„In den Schmerz hinein“

Beim Gehtraining kommt es darauf an, trotz auftretender Schmerzen weiterzumachen. Nur so lässt sich die Gehstrecke signifikant verlängern. Das bestätigte kürzlich eine Untersuchung mit 305 PAVK-Patienten. Diejenigen, die regelmäßig „in den Schmerz hinein“ liefen, legten nach einem Jahr Training 10% mehr Strecke zurück als zu Studienbeginn. Wer nur bis an seine individuelle Schmerzgrenze ging, erreichte langfristig keine Verbesserung.

Die mangelhafte Versorgungssituation schlägt sich in kardiovaskulären Endpunkten nieder. Analog zu MACE* existiert für die PAVK der Begriff MALE: major adverse limb events. Darunter versteht man extremitätenbezogene Ereignisse wie periphere Revaskularisierungen, Thrombolysen und Major-Amputationen. Die Rate für letztere liegt in Deutschland „unverändert drastisch hoch“ bei 22/100.000 Einwohner, betonte die Kollegin. Verglichen mit KHK, zerebrovaskulärer Erkrankung und abdominellem Aortenaneurysma schneidet die PAVK bzgl. MALE-freiem Überleben am schlechtesten ab. Sogar beim MACE-freien Überleben liegt die arterielle Verschlusskrankheit hinter koronaren und zerebrovaskulären Erkrankungen. Das ergab eine Auswertung der laufenden Langzeitstudie UCC-SMART, an der Patienten mit manifesten Gefäßleiden teilnehmen. Für die Analyse wurden die Daten von 8.139 Personen herangezogen. Das mediane Follow-up lag bei 7,8 Jahren. Eine gute Möglichkeit zur Ereignisprävention tut sich mit der intensivierten Gerinnungshemmung aus Rivaroxaban und ASS auf. Nach der COMPASS-Studie fand die VOYAGER-­PAD-Studie erneut einen Netto-Benefit für diese Kombination im Vergleich zur Mono­therapie mit ASS.

Blutungsrisiko unter Rivaroxaban berücksichtigen

VOYAGER-PAD schloss explizit PAVK-Patienten unmittelbar nach peripherer Revaskularisierung ein. In der Nutzen-Risiko-Analyse kam heraus: Behandelt man 10.000 Betroffene drei Jahre lang, lassen sich durch die zusätzliche Gabe von Rivaroxaban 181 primäre Endpunkte** auf Kosten von 29 schweren Blutungen verhindern. Das erhöhte Blutungsrisiko muss man bei der Verordnung durchaus berücksichtigen, so Prof. Mühlberg.

* major adverse cardiovascular events
** kardiovaskulärer Tod, Schlaganfall, Herzinfarkt, akute Extremitätenischämie, Major-Amputation

Quelle: 17. DGK-Kardiologie-Update-Seminar

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Bis zur Amputation sollte es bei einer PAVK gar nicht erst kommen. Doch die Rate liegt in Deutschland mit 22/100.000 Einwohnern
unverändert hoch – nicht zuletzt, weil die Revaskularisierungsmaßnahmen zu kurz kommen. Bis zur Amputation sollte es bei einer PAVK gar nicht erst kommen. Doch die Rate liegt in Deutschland mit 22/100.000 Einwohnern unverändert hoch – nicht zuletzt, weil die Revaskularisierungsmaßnahmen zu kurz kommen. © Adobe Stock/vzmaze