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Erbliche Arrhythmie: Synkope bei Belastung als Alarmsignal

Sie zählt zu den seltenen hereditären Arrhythmien, ihre Prävalenz beträgt ungefähr 1:10 000. Erstsymptom sind häufig Synkopen bei körperlicher oder emotionaler Belastung, in 10–20 % der Fälle aber auch der plötzliche Herztod. Die Schwere und Unberechenbarkeit der katecholaminergen polymorphen Kammertachykardie (CPVT) machen die familiäre Diagnostik essenziell, um gefährdete Angehörige frühzeitig zu identifizieren. Voreilige Schlüsse sind dabei unbedingt zu vermeiden, wie Professor Dr. Christopher Reithmann, Helios Klinikum München West, anhand einer Doppelkasuistik verdeutlichte.
Zwei Brüder, 25 und 27 Jahre alt, wurden dem Kardiologen wegen belastungsinduzierter ventrikulärer Tachyarrhythmien zugewiesen. Ob bei dem jüngeren eine Katheterablation sinnvoll sei und bei dem älteren ein ICD, lautete die Frage. Die Anamnese des jüngeren Bruders war durchaus ereignisreich (s. Kasten), hatte aber bis dato nicht zu einer sicheren Diagnose geführt. Differenzialdiagnostisch war an Myokarditis, arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie, Brugada-Syndrom und CPVT zu denken.
Odyssee mit ICD
- Seit dem siebten Lebensjahr wiederholt belastungsinduzierte Synkopen
- 2006 (mit zwölf Jahren): rezidivierendes Kammerflimmern, deshalb Implantation eines Einkammer-ICD mit epikardialer Sonde
- 2008: Batterieerschöpfung nach häufigen ineffektiven Schocks, Austausch des ICD
- 2011: nach häufigen inadäquaten Schocks dritter ICD
- 2014: vierter ICD wegen Rückruf des dritten ICD
Auch der Bruder war auffällig
Als der junge Mann ins Helios Klinikum kam, war er unter hoch dosierter dualer Betablockade klinisch recht stabil. Im Langzeit-EKG fand sich fast durchgehend eine asynchrone Ventrikelstimulation bei Sinusbradykardie, wobei sich die Herzfrequenz im Belastungstest ohne Kammerarrhythmiezeichen bis auf 100/min steigern ließ. Der Echobefund war unauffällig. Gentests ergaben eine Mutation im RYR2-Gen, wie sie für die CPVT typisch ist (60–70 % der Fälle). Die Anamnese des älteren Bruders ließ vermuten, dass er auch betroffen sein könnte: ventrikuläre Extrasystolen, dilatierter und leicht pumpschwacher linker Ventrikel, aber unauffälliges Kardio-MRT. Zwei (erfolgreiche) Ablationen wegen der Extrasystolen hatte er vor zehn Jahren hinter sich gebracht. Echo und EKG waren jetzt unauffällig mit Ausnahme einer diskreten Erregungsrückbildungsstörung. Die RYR2-Mutation wies dieser Bruder nicht auf, sodass die Diagnose einer ventrikulären Extraystolie mit passagerer Kardiomyopathie gestellt wurde.Gestörter Kalziumhaushalt
Bei der CPVT ist – kurz gefasst – aufgrund monogenetischer Mutationen meist am Ryanodin-Rezeptor (RYR2)- oder Calsequestrin-Gen der Kalziumhaushalt der Muskelzelle gestört, was die ventrikulären Arrhythmien verursacht. Drei davon sind bei der CPVT wichtig, wie Prof. Reithmann erklärte:- polymorphe ventrikuläre Extrasystolen unter Belastung,
- bidirektionale ventrikuläre Tachykardie, die sich fast nur bei CPVT oder bei Kalziumüberladung z. B. nach Digalisüberdosierung findet, sowie
- polymorphe Kammertachykardien, die ins Kammerflimmern münden können.
Standard sind Betablocker in maximal tolerierter Dosis
Die Mortalität der unbehandelten CPVT ist enorm hoch, jeder dritte Patient stirbt bis zum 30. Lebensjahr. Die Standardtherapie bilden Betablocker in maximal tolerierter Dosis, falls dies nicht ausreicht, andere Antiarrhythmika z. B. Flecainid. Die meisten Patienten mit CPVT sind heute mit einem ICD versorgt, berichtete Prof. Reithmann. Cave: Häufige Schockabgabe kann das adrenerge System massiv aktivieren und gefährlich werden. Gelingt es nicht, die Arrhythmie zu beherrschen, kommt die kardiale Sympathektomie als sehr effektive, aber wenigen spezialisierten Zentren vorbehaltene Option infrage. Sie reduziert sowohl die Rate ventrikulärer Tachyarrhythmien als auch die Mortalität. Die Leitlinien empfehlen, bei Patienten mit klinisch manifesten Kammertachykardien oder Belastungssynkopen die genetische Testung zu erwägen. Bei dem Münchner Patienten konnte die Diagnose so gesichert und dem Bruder ein ICD erspart werden.Quelle: 86. Jahrestagung und Herztage 2020 der DGK*
* Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung; Online-Veranstaltung
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