Tachykarde Rhythmusstörungen bei Kindern in den Griff bekommen

Dr. Sascha Bock

Treten ventrikuläre Extrasystolen auf, spüren das die wenigsten Kinder. Treten ventrikuläre Extrasystolen auf, spüren das die wenigsten Kinder. © iStock/FatCamera

Leidet ein Erwachsener unter einer Tachyarrhythmie, liegt man mit dem Verdacht auf Vorhofflimmern meistens nicht falsch. Bei Kindern und Jugendlichen hingegen dominieren andere Rhythmusstörungen. Eine Leitlinie hat sich diesen Pathologien nun gewidmet.

Drei aufeinanderfolgende Tachykardieimpulse reichen aus und schon liegt definitionsgemäß eine (supra-)ventrikuläre Rhythmusstörung vor. Bei Kindern, Jugendlichen und Patienten mit angeborenem Herzfehler gelten supraventrikuläre Tachykardien (SVT) als häufigste Form. In neun von zehn dieser Fälle sorgt eine akzessorische Leitungsbahn für das Reentry, heißt es in der aktuellen Leitlinie zu tachykarden Herzrhythmusstörungen im Kindes-, Jugend- und jungen Erwachsenenalter der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Kardiologie.

Ambulante Kontrollen

  • alle 3–6 Monate bei chronischpermanenten Tachykardien
  • alle 6–12 Monate bei paroxysmalen Tachykardien
  • zusätzlich alle 6 Monate bei Patienten mit Schrittmacher bzw. ICD

Tückisch: Chronische SVT führt erst spät zu Beschwerden

Vor allem anhaltendes Herzrasen mit Kammerfrequenzen über 220 pro Minute bedroht die linksventrikuläre Pumpfunktion. Anhaltend bedeutet, dass die Arrhythmie länger als 30 Sekunden dauert oder die Hämodynamik beeinträchtigt. Während Säuglinge mit paroxysmalen SVT rasch eine Insuffizienz entwickeln, leiden Kinder und Jungendliche eher unter Palpitationen, Schwindel und Unwohlsein. Nur selten kommt es zu Synkopen. Mit ähnlichen Symptomen – inklusive Synkopen – äußern sich ventrikuläre Tachykardien. Tückischer sind chronisch-permanente SVT: Akute Beschwerden bleiben aufgrund der unkritisch erhöhten Herzfrequenz oft aus. Vielmehr induziert die Störung eine Kardiomyopathie mit teils drastisch eingeschränkter linksventrikulärer Funktion. Treten ventrikuläre Extrasystolen auf, spüren das die wenigsten Kinder. Auch liegt nur selten eine kardiale Grunderkrankung vor. Für eine benigne oder idiopathische Extra­systolie sprechen:
  • isolierte uniforme Extrasystolen (z.T. > 1/min, im Langzeit-EKG entsprechend > 1440/d)
  • altersentsprechender Normalbefund des Oberflächen-EKG, QTc < 0,44 (bei Mädchen < 0,46)
  • Suppression der Extrasystolie unter Belastung, Wiederauftreten in der Erholungsphase
  • normale intrakardiale Strukturen, normale LV-Funktion
  • normales Kardio-MRT (nicht obligat)
Eine weiterführende Diagnostik sollte erfolgen, wenn die zusätzlichen Schläge 5–10 % aller QRS-Komplexe ausmachen, multiform sind oder unter Belastung zunehmen. Um eine Arrhythmie dingfest zu machen, setzt die Leitlinie grundsätzlich auf mehr als EKG-Untersuchungen. Je nach Verdacht stehen Provokationstests mit Adenosin (DD Vorhoftachykardie), Ajmalin/Flecainid (Brugada-Syndrom) und Adrenalin (Long-QT-Syndrom Typ 1) an. Die Bildgebung soll anatomische oder funktionelle Ursachen nachweisen bzw. ausschließen sowie die Hämodynamik beurteilen. Eine molekulargenetische Diagnostik eignet sich u.a. bei Long-QT-Syndrom, katecholaminsensitiver polymorpher ventrikulärer Tachykardie und hypertropher Kardiomyopathie. Die elektrophysiologische Unter­suchung (EPU) hat ihren Platz in der Diagnose und Identifikation eines Reentry-Mechanismus vor der Ablation. Nicht-fluoroskopische Katheternavigationssysteme ermöglichen heutzutage einen nahezu bis völlig strahlungsfreien Eingriff. Zur Risikostratifizierung von über 8-Jährigen mit permanenter Präexzitation wird die EPU ebenfalls eingesetzt. Diese Patienten tragen bei schneller AV-Überleitung eines Vorhofflimmerns bzw. -flatterns ein erhöhtes Risiko für einen plötzlichen Herztod. Therapeutisch unterscheidet die Leitlinie zwischen Akuttherapie und Rezidivprophylaxe. Alle Maßnahmen zur Terminierung einer Tachyarrhythmie bedürfen der kontinuierlichen EKG-Ableitung und Reanimationsbereitschaft. Die Interventionen umfassen Vagus-Manöver (z.B. Eisbeutel aufs Gesicht), Medikamente, transösophageale Überstimulation sowie die externe Kardioversion.

Keine medikamentöse Kardioversion bei IART

Als primäres i.v. Antiarrhythmikum empfiehlt sich für alle Altersgruppen Adenosin 0,1–0,3 mg/kg als rascher Bolus (max. 12 mg). Ab einem Alter von sechs Jahren bietet sich alternativ Verapamil an (0,1 mg/kg, max. 5 mg). Jedoch helfen Adenosin – und Überstimulation – gegen fokale atriale und permanente junktionale Reentry-Tachykardien meist nicht längerfris­tig. Zudem raten die Experten bei intraatrialen Reentry-Tachykardien von der medikamentösen Kardioversion ab. Die Wahl des geeigneten Präparats zur SVT-Dauertherapie richtet sich weitgehend nach der Erfahrung des behandelnden Kinderkardiologen. Bevorzugt werden aktuell Betablocker, Klasse-Ic- und Klasse-III-Antiarrhythmika. Patienten mit Präexzitationssyndrom sollten weder Digoxin noch Verapamil erhalten. Aufgrund der hohen Sicherheit und Effizienz finden sich für die Katheterablation diverse Indi­ka­tio­nen (s. Tabelle).

Indikationen für medikamentöse Dauertherapie und Katheterablation
akzessorische Leitungsbahn und AV-Knoten-Reentry-Tachykardie
permanente junktionale Reentry- Tachykardie (PJRT) und fokale atriale Tachykardie (FAT)
intraatriale Reentry-Tachykardie (IART) und Vorhofflattern
ventrikuläre Tachykardien (VT)
Medikamentöse Therapie
  • rezidivierende, anhaltende symptomatische supraventrikuläre Tachykardie (SVT)
  • chronisch permanente und paroxysmale PJRT/FAT, erhöhtes Frequenzniveau, systolische LV-Funktion < 30 %
  • rezidivierende anhaltende IART/ Vorhofflattern (alleinige längerfristige medikamentöse „Kontrolle“ der Kammerfrequenz bei fortbestehender IART unzureichend)
  • rezidivierende idiopathische VT
  • Z.n. ICD-Implantation, häufige Entladungen
  • Kardiomyopathie induziert durch VT/ventrikuläre Extrasystolen
  • Betablocker bei Long-QT-Syndrom und katecholaminsensitiver polymorpher VT
  • Mexiletin bei Long-QT-Syndrom Typ 3
Ablation
  • WPW nach Reanimation
  • Synkope mit kurzer antegrader effektiver Refraktärperiode der akzessorischen Bahn bzw. kurzem RR-Intervall mit Delta-Welle während Vorhofflimmern
  • rezidivierende SVT, therapierefraktär eingeschränkte LVFunktion oder hämodynamische Instabilität
  • chronisch permanente PJRT/FAT, systolische LV-Funktion < 30 %, Gewicht > 15 kg
  • therapierefraktäre PJRT/FAT oder Nebenwirkungen, systolische LVFunktion < 30 %
  • IART/Vorhofflattern mit hämodynamischer Beeinträchtigung
  • Nebenwirkungen unter medikamentöser Therapie
  • therapierefraktäre rezidivierende IART/Vorhofflattern
  • anhaltende VT, hämodynamisch wirksam, Substrat der Ablation zugänglich
  • Z.n. ICD-Implantation, häufige Entladungen
Die gelisteten Indikationen sind Klasse-I-Indikationen (ausreichende Daten oder genereller Expertenkonsens für den Nutzen). Daneben führt die Leitlinie auch Klasse-IIa-Indikationen (Wirksamkeit befürwortet) und Klasse-III-Indikationen (nicht-wirksam) auf.

Ventrikuläre Tachykardien erfordern eine substratspezifische Re­zi­div­pro­phy­laxe. So kann die Kammerrhythmusstörung idiopathisch auftreten oder auf dem Boden einer Kardiomyopathie, eines angeborenen Herzfehlers bzw. einer Ionen­kanalerkrankung wie Long-QT- und Brugada-Syndrom.

S2k Leitlinie Pädiatrische Kardiologie: Tachykarde Herzrhythmusstörungen im Kindes-, Jugend- und jungen Erwachsenenalter (EMAH-Patienten); AWMF-Register Nr. 023/022, ­www.awmf.org

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Treten ventrikuläre Extrasystolen auf, spüren das die wenigsten Kinder. Treten ventrikuläre Extrasystolen auf, spüren das die wenigsten Kinder. © iStock/FatCamera