Supraventrikuläre Tachykardien abseits von Flimmern und Flattern

Dr. Sascha Bock

Während einer typischen AV-Knoten-Reentry-Tachykardie kommt die P-Welle am Ende des QRS-Komplexes. Während einer typischen AV-Knoten-Reentry-Tachykardie kommt die P-Welle am Ende des QRS-Komplexes. © wikimedia/Michael Rosengarten BEng, MD.McGill

Langfristig lassen sich die meisten anfallsartigen Tachykardien mittels Katheterablation bändigen. Dafür muss man sie aber erst einmal korrekt identifizieren. Ein Überblick über die „anderen“ supraventrikulären Rhythmusstörungen.

Häufig sind es Frauen und/oder über 65-Jährige, die eine par­oxysmale supraventrikuläre Tachykardie entwickeln. Die wichtigsten Vertreter heißen:

  • AV-Knoten-Re­entry-Tachykardie (AVNRT)
  • AV-Re­entry-Tachykardie (AVRT)
  • artriale Tachykardie

Vorhofflimmern und -flattern reihen sich im engeren Sinn nicht in diese paroxysmale Gruppe ein, schreiben Dr. Anna­ Lam und Privatdozent Dr. Laurent­ Roten­ von der Universitätsklinik für Kardiologie am Universitätsspital Bern.

Als Panik- oder Angststörung fehlinterpretiert

Die AVNRT findet sich vor allem bei Frauen im mittleren Alter, Kinder und Jugendliche leiden eher unter einer AVRT. Gemein sind den supraventrikulären Störungen die Palpitationen als Leitsymptom. Hinzukommen können Thoraxschmerzen, Benommenheit, Unwohlsein, Atemnot und psychischer Stress, was teils als Panik- oder Angststörung fehlinterpretiert wird.

Um das Herzrasen dingfest zu machen, empfiehlt sich ein 12-Kanal-EKG (s. Kasten) während einer Episode und zum Vergleich im Sinusrhythmus. Bei kurz andauernden Arrhythmien kommt ein Langzeit-EKG oder selten ein implantierbarer Event-Rekorder zum Einsatz. Wer die typischen EKG-Veränderungen verstehen will, muss sich die Pathophysiologie und damit die Erregungsleitung vor Augen führen.

EKG richtig lesen

Frequenz und Regelmäßigkeit der supraventrikulären Tachykardie sowie Breite und Morphologie der QRS-Komplexe – das gilt es, als Erstes zu beurteilen. Bei schmalen QRS-Komplexen (< 120 ms) hilft ein Flussdiagramm aus der US-amerikanischen Leitlinie (Figure 7). Gemäß diesem Diagramm wandert der nächste Blick auf die P-Wellen und deren zeitliche Beziehung zu den QRS-Komplexen. Bei der häufigen typischen AVNRT z.B. versteckt sich die P-Welle am Ende des QRS-Komplexes – am besten zu sehen in II, III, aVF als negative Welle (Pseudo-S) und in V1 als positive Welle (Pseudo-R‘). Auch kann das P in der T-Welle liegen. Sind die QRS-Komplexe breiter als 120 ms, gestaltet sich die Differenzierung weitaus schwieriger.

  • AVNRT: In diesem Fall beherbergt der AV-Knoten mindestens zwei funktionell getrennte Leitungsbahnen: einen „fast pathway“ mit schneller Überleitung, aber längerer Refraktärzeit und ein oder mehrere „slow pathways“ mit langsamer Überleitung. Erwischt eine Extrasystole nun den „richtigen“ Moment, gelangt die Erregung i.d.R. über den langsamen Weg zum Ventrikel und über den schnellen wieder zurück zum Vorhof. Während einer Tachykardie kommt die P-Welle also am Ende des QRS-Komplexes.
  • AVRT: Eine Myokardbrücke mit kurzer Refraktärzeit zwischen Vorhof und Ventrikel ermöglicht die kreisende Erregung. Ob sich im Sinusrhythmus eine Deltawelle zeigt, hängt von der Richtung der Konduktion ab: Leitet die akzessorische Bahn ausschließlich retrograd, fehlt die Präexitation (ca. 30 % der Fälle).
  • Atriale Tachykardien entstehen fokal (abnorme P-Wellen). Ihnen liegt meist eine gesteigerte Automatie pathologischer Myozyten zugrunde, aber auch ein Mikroreentry und eine getriggerte Aktivität, z.B. durch erhöhten intrazellulären Kalziumgehalt, sind möglich. Multifokale Störungen sprechen für eine fortgeschrittene atriale Kardiomyopathie.

Katheterablation führt meist langfristig zum Erfolg

Bei unklarem supraventrikulärem Herzrasen raten die Autoren zu vagalen Manövern oder einer Adenosingabe. Ohnehin stehen diese Therapien an erster Stelle, um AVNRT und AVRT zu stoppen (s. Kasten). Beide Maßnahmen erfordern immer ein Monitoring mittels 12-Kanal-EKG.

Akuttherapie der AV(N)RT

  • Karotismassage: Karotiden auskultieren, Karotissinus mit zwei Fingern massieren (NIE beidseits!)
  • Valsalva-Manöver: Patient soll 15 Sekunden in den Bauch pressen, anschließend hebt der Untersucher die Beine des Betroffenen hoch
  • Adenosin: 6 mg i.v. über 1–2 Sekunden, rasch mit NaCl nachspülen; nach 1–2 Minuten weitere 12 mg i.v., ggf. wiederholen

Atriale Tachykardien sprechen darauf zwar nicht an, da der Reentry-Kreislauf den AV-Knoten auslässt. Allerdings helfen vagale Manöver und Adenosin diagnostisch, indem sie die Vorhofaktivität demaskieren. Zur Akutbehandlung einer Störung mit eindeutig fokaler Genese eignen sich Betablocker oder Kalziumant­agonisten (z.B. 2,5–5 mg Metoprolol oder 5–10 mg Verapamil jeweils i.v. über zwei Minuten). Langfristig gilt in den meisten symptomatischen Fällen die Katheterablation als Mittel der Wahl, schreiben die Berner Kollegen. Die Therapie führt bei mehr als 90 % der Patienten mit AVNRT, AVRT oder atrialer Tachykardie zum Erfolg. Eine elektrophysiologische Untersuchung mit etwaiger Ablation kann grundsätzlich auch ohne dokumentierte supraventrikuläre Arrhythmie erfolgen, sofern die Symptome zu der Störung passen.

Quelle: Lam A, Roten L. Swiss Med Forum 2018; 18: 1028-1036

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Während einer typischen AV-Knoten-Reentry-Tachykardie kommt die P-Welle am Ende des QRS-Komplexes. Während einer typischen AV-Knoten-Reentry-Tachykardie kommt die P-Welle am Ende des QRS-Komplexes. © wikimedia/Michael Rosengarten BEng, MD.McGill
Eine Deltawelle im Sinusrhythmus hingegen ist charakteristisch für die AV-Reentry-Tachykardie. Eine Deltawelle im Sinusrhythmus hingegen ist charakteristisch für die AV-Reentry-Tachykardie. © wikimedia/James Heilman, MD