Erfolgreiche Therapie des familiären Chylomikronämie-Syndroms

Dr. Anja Braunwarth

Extrem hohe Blutfettwerte können erblich bedingt sein, z.B. wenn das Lipoprotein-Lipase-Gen defekt ist (Rechtes Bild: Prof. Dr. Klaus Parhofer, Endokrinologe, München). Extrem hohe Blutfettwerte können erblich bedingt sein, z.B. wenn das Lipoprotein-Lipase-Gen defekt ist (Rechtes Bild: Prof. Dr. Klaus Parhofer, Endokrinologe, München). © iStock/jarun011; Klinikum der Universität München

Lange gab es für Patienten mit familiärem Chylomikronämie-Syndrom nur die Option, fast völlig auf Fett zu verzichten. Seit Kurzem ist jedoch ein spezifisches Therapeutikum verfügbar – bedeutet das nun mehr diätetische Freiheiten für die Erkrankten?

An welchen Stellschrauben setzt das Medikament gegen die familiäre Hyperchylomikronämie an und was lässt sich mit ihm erreichen?

Prof. Dr. Klaus Parhofer: Seit August 2018 gibt es mit dem Antisense-Medikament Volanesorsen eine medikamentöse Therapie des familiären Chylomikronämie-Syndroms (FCS). Es bindet selektiv an die mRNA von Apolipoprotein C3 und verhindert dessen Bildung in der Leber. Von diesem Apolipoprotein dachte man, dass es primär die Aktivität der Lipoprotein-Lipase (LPL) hemmt und so die Triglyzeridspiegel ansteigen lässt. Mittlerweile wird jedoch vermutet, dass es unabhängig von LPL auch die Clearance triglyzeridreicher Lipoproteine inhibiert. Fehlt ApoC3 oder ist sein Spiegel deutlich reduziert, werden vermutlich auf diesem Weg Chylomikronen abgebaut, die Triglyzeridkonzentration sinkt in erheblichem Ausmaß. In Studien haben wir einen Abfall der Werte um bis zu 70 % gesehen.

Fakten zur Krankheit

Das autosomal-rezessiv vererbte familiäre Chylomikronämie-Syndrom ist Folge einer inaktivierenden Mutation beider Allele des Lipoprotein-Lipase-Gens oder von Mutationen anderer Protein kodierender Gene, die für die LPL-Aktivität von Bedeutung sind. Die Folge: eine Hypertriglyzeridämie mit extrem hohen Werten. Nach Expertenschätzungen leidet in Deutschland etwa einer von 1 Million Menschen an einem FCS, wirklich belastbare Daten liegen aber nicht vor. Die Krankheit führt sehr häufig zu schweren rezidivierenden Pankreatitiden, die die Lebenserwartung einschränken. Allerdings gibt es ein breites Spektrum an Verläufen, manche Patienten erleben nur eine einzige Bauchspeicheldrüsenentzündung in ihrem Leben und bleiben dann unter strenger Diät stabil, andere tolerieren sehr hohe Triglyzeridwerte, ohne dass das Pankreas in Mitleidenschaft gezogen wird.

Welche Nebenwirkungen werden unter der Therapie beobachtet?

Prof. Parhofer: Die wichtigste Nebenwirkung ist eine Thrombozytopenie, die Werte sinken teilweise auf unter 20 000/nl. Man sollte daher wöchentliche Blutbildkontrollen durchführen und bei relevanten Veränderungen evtl. die Behandlungsintervalle verlängern. Normalerweise muss in den ersten drei Monaten der Therapie die subkutane Injektion wöchentlich erfolgen, danach alle zwei Wochen.

Wie teuer ist die Behandlung und für wen kommt sie infrage?

Prof. Parhofer: Das Medikament ist sehr teuer, eine Ampulle kostet ca. 20 000 Euro. Zugelassen ist es für Patienten mit genetisch bestätigtem familiären Chylo­mikronämie-Syndrom und einem hohen Risiko für Pankreatitiden, die nicht ausreichend auf Diäten und herkömmliche triglyzeridsenkende Therapien ansprechen. Wir wenden es zurzeit vor allem bei Patienten mit rezidivierenden Pankreatitiden an. Aber ich würde Volanesorsen z.B. auch bei einem 20-Jährigen mit FCS und einer ersten schweren Entzündung der Bauchspeicheldrüse bei Triglyzeridwerten über 1000 mg/dl erwägen.

Müssen die Patienten unter der Therapie weiterhin strenge Diät halten?

Prof. Parhofer: Es wird erst mal empfohlen, die Diät fortzusetzen. Wenn die Patienten merken, dass sich die Triglyzeridwerte deutlich bessern, lockern sie die Zügel vermutlich etwas. Wahrscheinlich können wir sagen, dass dieses Medikament in Abhängigkeit von den erreichten Triglyzeridspiegeln langfristig tatsächlich eine gewisse Lockerung der Diät erlaubt. Das Wichtigste ist aber die Verhinderung erneuter Pankrea­titiden.

Medical-Tribune-Interview

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Extrem hohe Blutfettwerte können erblich bedingt sein, z.B. wenn das Lipoprotein-Lipase-Gen defekt ist (Rechtes Bild: Prof. Dr. Klaus Parhofer, Endokrinologe, München). Extrem hohe Blutfettwerte können erblich bedingt sein, z.B. wenn das Lipoprotein-Lipase-Gen defekt ist (Rechtes Bild: Prof. Dr. Klaus Parhofer, Endokrinologe, München). © iStock/jarun011; Klinikum der Universität München